Der Auftritt von Nina M. und Lars Z. vor dem Höchster Amtsgericht ist kurz. Das Verfahren wegen Körperverletzung gegen die beiden stadtbekannten Nazi-Aktivisten wird eingestellt, ehe auch nur ein Zeuge ausgesagt hat. Die Frankfurter Justiz hat offensichtlich kein Interesse an der Strafverfolgung, obwohl gegen beide schon mehrfach ermittelt wurde.
Zehn Minuten. Länger braucht das Höchster Amtsgericht am Mittwoch nicht, um festzustellen, dass der Staat kein Interesse an der Verfolgung von Nina M. und Lars Z. hat. Das Verfahren wird nach Paragraf 153 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt. So haben es Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung vereinbart. Der Anwalt des Nebenklägers darf kurz sein Unverständnis ausdrücken, doch seine Stimme zählt bei diesem Deal nicht. Die Anklage wegen gefährlicher beziehungsweise gemeinschaftlicher Körperverletzung ist vom Tisch. Zurück bleiben ein Nebenkläger, der immer noch an den Folgen der Tat laboriert, und jede Menge Fragen.
Die Verfahrenseinstellung vom Mittwoch ist der Schlusspunkt eines absurd anmutenden Falls. M. und Z. sind stadtbekannt, galten lange Zeit als Anhänger der rechtsextremen Nationalen Sozialisten Rhein-Main (NSRM), die vor knapp drei Jahren versuchten, in Frankfurt Fuß zu fassen. Mehrfach wurden M. und Z von der Antifa geoutet. Inzwischen liegen M. und Z. mit den „Volksgenossen“ vom NSRM über Kreuz. Wohl auch weil Nina M. der Polizei bereitwillig verriet, wie die rechtsradikalen Aktivisten politische Gegner ausspähten.
Im April 2011 traf das Pärchen am Griesheimer Bahnhof auf den Nebenkläger Patrick S. Dieser will M. und Z. beim Kleben von Nazi-Stickern erwischt und zur Rede gestellt haben. Aus dem Gerangel entwickelt sich eine Schlägerei, bei der Z. eine Bierflasche an den Kopf bekommt – möglicherweise versehentlich wie Z. später bei der Polizei zu Protokoll gibt. Patrick S. indes wird von dem Pärchen schwer verprügelt. Am Ende erleidet er Brüche des Nasenbeins, einer Rippe und eines Lendenwirbels. Zeugen sagen aus, das sowohl Lars Z. als auch Nina M. auf S einprügelten. Ein Zeuge will sogar gehört haben, wie Z. „Ich bring dich um“ ausrief.
Es ist nicht das erste Mal, dass M. und Z. ins Blickfeld der Behörden geraten. Lars Z. etwa wurde bereits einmal wegen Zeigens des Hitlergrußes verurteilt. Das Verfahren befindet sich in der Berufung. Nina M. musste 400 Euro zahlen, weil sie bei einer Demonstration des NSRM Pfefferspray mit sich führte. Gegen beide wurde noch deutlich öfter ermittelt, unter anderem wegen des Verdachts auf Körperverletzung, Sachbeschädigung und Propagandadelikten. Fast alle Ermittlungsverfahren wurden wieder eingestellt.
Mit Patrick S. hatte die Staatsanwaltschaft nach dem Vorfall in Griesheim nicht so viel Nachsehen. Im Januar 2013 stand er vor Gericht – als Angeklagter. Am Ende stand ein Freispruch, weil sich M. und Z. in Widersprüche verwickelten und neutrale Zeugenaussagen eher die Darstellung von Patrick S. zu stützen schienen.
Weder die Zeugen noch Patrick S. selbst kommen am Mittwoch zu Wort. Richterin Brigitte Jensch verzichtet sogar auf die Zeugenbelehrung. Die Aussagen seien ja bereits aus dem Prozess gegen S. bekannt, heißt es zur Begründung. Es sei nicht zu erwarten, dass sich in einem neuerlichen Verfahren klären lasse, ob M. und Z. nicht vielleicht doch in Notwehr gehandelt hätten. Nach wenigen Minuten ist klar, dass weder der politische Hintergrund der Tat zu Sprache kommt, noch die vorherigen Ermittlungen gegen M. und Z. Und auch nicht Patrick S‘ Version der Geschichte. Im ersten Verfahren hatte er als Angeklagter darauf verzichtet, sich vor Gericht einzulassen.
Es ist das endgültige Ende des Strafverfahrens. Gegen eine Einstellung gegen Auflage hätten die Anwälte von Patrick S. noch vorgehen können. Bei einer Einstellung nach Paragraf 153 hat die Nebenklage keinerlei juristische Handhabe mehr. Das Gericht hat somit entschieden, dass sich die Justiz nicht mehr mit den Vorgängen am Griesheimer Bahnhof befassen wird. Ein Strafverfolgungsinteresse gegen Nina M. und Lars Z. liegt nicht vor. Wieder einmal.