Die Aussage auf dem im Internet veröffentlichten Bild ist eindeutig: „More Fascism“, übersetzt „Mehr Faschismus“. Sie erscheint auf einer abgeänderten Version eines im Netz häufig geteilten Bildes, auf dem in 13 kurzen Sprüchen unter anderem mehr Schlaf, mehr Musik, mehr Tee, mehr Umarmungen und schließlich mehr Liebe gefordert werden. Wünsche nach einem friedlichen, glücklichen Leben also, die wohl jeder unterschreiben würde.
Die Urheber der abgewandelten Version haben es jedoch ergänzt um ihre Forderung nach „Mehr Faschismus“. Als Verantwortlicher ist auf dem Bild der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende Hartmut Gliemann genannt. Es erschien am 30. August auf der Facebook-Seite eines gewissen „Haus Montag Pirna“, die laut Eigenbeschreibung vom NPD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge betrieben wird .
Dazu passt eine Einladung, die der aktuelle Vorsitzende des Kreisverbandes, Thomas Sattelberg, am Mittwoch verschickte. Am 11. Oktober will der NPD-Landtagsabgeordnete Johannes Müller in diesem „Haus Montag“ sein Bürgerbüro eröffnen. Gleichzeitig soll dort die Geschäftsstelle des Kreisverbandes einziehen. Bei dem Gebäude handelt es sich um den Flachbau auf der Hauptstraße 26 in Pirna. Im Sommer war bekannt geworden, dass ein norwegischer Rechtsextremist das Haus gekauft hatte und dort ein Schulungszentrum errichtet werden soll (SZ berichtete). Bei den Bauarbeiten waren Angehörige der hiesigen Neonazi-Szene zu beobachten, darunter Ex-Mitglieder der verbotenen Vereinigung Skinheads Sächsische Schweiz (SSS).
Vor rund zwei Wochen tauchten dann Plakate in Pirna auf, auf denen ein rundes Logo zu sehen ist mit den Zahlen 26, römisch 2013 und 451, platziert vor einer Flamme. Dieses Logo ziert auch die erwähnten Facebookseite. Die Interpretation der Zahlen fällt leicht: 26 ist die Hausnummer und 2013 das Eröffnungsjahr. Die 451 nimmt Bezug auf den Roman „Fahrenheit 451“ des US-amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury. In dem Buch wird ein autoritärer Staat beschrieben, in dem es als Verbrechen gilt, Bücher zu lesen. Bücher gelten dort als Grund für nicht systemkonformes Denken und werden deshalb von der Feuerwehr vernichtet. Der Protagonist wandelt sich vom systemtreuen Feuerwehrmann zum lesenden Freiheitskämpfer. Die Romanfigur trägt den Namen Guy Montag. Nach ihr ist das Haus benannt.
In seiner Einladung schreibt SSS-Mitbegründer Sattelberg, dass in dem Haus durch angeleitete Lektüre aus „bundesdeutschen Konsum-Idioten wieder kritische und aufgeklärte Staatsbürger“ gemacht werden sollen. Bücher lesen und diskutieren also? Die Bilder im Internet sprechen eine andere Sprache. Dort ist ein Exemplar des Romans zu sehen, auf dem ein Mundschutz liegt, wie er beim Kampfsport verwendet wird. Außerdem T-Shirts mit der Aufschrift „Make Love and War“ („Macht Liebe und Krieg“) – eine verballhornte Version des Antivietnamkriegs-Slogans der Hippies „Make Love, not War“ („Macht Liebe, keinen Krieg“). Ein anderes Bild zeigt einen Kanister mit Totenkopf. In italienischer Sprache wird jungen Männern darauf Benzin zum Feuermachen empfohlen, falls sie von der Demokratie gelangweilt sind.
Die Pirnaer Stadtverwaltung sieht die Entwicklung mit Besorgnis. „Das Gewaltpotenzial ist deutlich“, sagt Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke. Mit scheinbar harmlosen Angeboten wie einer Bibliothek sollen Jugendliche geködert werden. Die Rechtsextremen bedienen sich dazu gezielt einer popkulturellen Bildsprache und inszenieren sich als geheimnisumwobene Widerständler, die für eine gute Sache eintreten und angeblich unterdrückt werden.
Der Eigentümer des Hauses hatte bei der Stadt eine Umnutzung des ehemaligen Schuppens zum Bürogebäude beantragt. Dem konnte sich die Stadt nicht verwehren. Die geplante Eröffnungsveranstaltung ist juristisch ebenfalls kaum angreifbar. „Ein regulärer Veranstaltungsbetrieb ist aber nicht gestattet“, erklärt Hanke. Die Stadt will nun ein breites Bündnis aller demokratischen Kräfte organisieren, um den Plänen der NPD entgegenzutreten.