Es war der schwerste Anschlag auf die Bundeswehr seit vielen Jahren: Unbekannte zündeten Ende Juli in Sachsen-Anhalt 16 Laster und Autos des Militärs an. Die Behörden gehen von einem linksextremistischen Hintergrund aus und befürchten weitere Taten.
Hamburg - Es war nachts gegen zwei Uhr, als sich Unbekannte auf das Gelände der Elb-Havel-Kaserne schlichen. Der Wachdienst bemerkte die Eindringlinge nicht. Das Kommando verteilte Plastikflaschen unter mehreren Bundeswehr-Transportern und zündete die aus Stoff gefertigten Lunten an. Wenige Minuten später schossen meterhohe Flammen in den dunklen Himmel, 16 Fahrzeuge brannten aus. Der Schaden beläuft sich nach offiziellen Angaben auf zehn Millionen Euro.
"Ein Anschlag dieses Ausmaßes stellt eine bislang in Sachsen-Anhalt nie dagewesene Art der Gewalt gegen die Bundeswehr dar", sagte ein Sprecher der Polizei nach der Tat Ende Juli. Der Staatsschutz des Landeskriminalamts (LKA) in Magdeburg übernahm die Ermittlungen, die sich bislang nicht gegen bestimmte Personen richten. "Wir sind noch am Anfang", so ein Beamter auf Anfrage.
Was die Sicherheitsbehörden jedoch beunruhigt, ist der Umstand, dass sich die Tat in eine Serie von ähnlich erscheinenden Anschlägen einzureihen scheint. Nur einen Tag vor der Attacke in Sachsen-Anhalt hatten Unbekannte ein Fahrzeug der Telekom in München in Brand gesetzt, am Donnerstag attackierte ein Trupp die Niederlassung von ThyssenKrupp in Hamburg.
"Enorme Schäden"
"Immer wieder kommt es zu Anschlägen mit enormen Sachschäden", sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, SPIEGEL ONLINE. Seine Behörde registriere neben den Angriffen auf die Bundeswehr auch Übergriffe auf Firmen, die Rüstungsgüter herstellten oder auf andere Weise mit dem Militär zusammenarbeiteten. "Die gewaltbereite linksextremistische Szene sieht in diesen Sabotageakten ein legitimes Mittel in ihrem Kampf gegen die angebliche 'Kriegstreiberei und Militarisierung'." Die Entwicklung des gewaltbereiten Linksextremismus bleibe im Fokus des BfV, so Maaßen.
Der Inlandsgeheimdienst verzeichnet nämlich eine "weiterhin hohe Gewaltbereitschaft und eine niedrige Hemmschwelle" der Szene, wie es in dem aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt. Zuletzt sei ein "deutlicher Anstieg des Gewaltpotentials" festzustellen gewesen. Gerade Angriffe auf Repräsentanten des Staates wie etwa Polizisten fänden "weitgehend Akzeptanz". Bildet sich also eine neue Militanz im linken Spektrum heraus?
Nach Einschätzung von Experten befindet sich die Linksaußen-Fraktion zurzeit eher in einer generellen Orientierungsphase. Abgestoßen von den ritualisierten Krawallen erlebnisorientierter Jugendlicher an den Mai-Feiertagen, verunsichert von der um sich greifenden Gentrifizierung in den Großstädten sucht die Mehrheit der Radikalen ebenso so sehr nach einer Strategie wie nach einer Botschaft. Gewaltakte entstehen eher spontan, als dass sie von langer Hand geplant werden.
Im Fall des Brandanschlags von Havelberg vertrauen die Ermittler des LKA daher auf die Kraft der Kriminaltechnik - und auf die Nachlässigkeit der Täter. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen zündeten acht der insgesamt 13 mit Brandbeschleuniger gefüllten Plastikflaschen nicht. Außerdem ließen die Unbekannten eine Tasche auf dem Bundeswehrgelände zurück. Die Polizei will nun DNA-Spuren und Fingerabdrücke auf den Gegenständen sichern und hofft, die Brandstifter auf diese Weise identifizieren zu können.
Zunächst hatten Beamte in einem Zeltlager von Bundeswehrgegnern in der Umgebung einen Opel Frontera sichergestellt. Etwa 80 Kilometer von der Elb-Havel-Kaserne entfernt protestierte die Gruppe "War starts here" gegen ein Gefechtsübungszentrum der Streitkräfte. Die Sicherheitsbehörden gehen jedoch eher nicht davon aus, dass die Antimilitaristen mit dem Anschlag in direkter Verbindung stehen. Sie hatten sich zur Tatzeit an anderer Stelle fortwährende Scharmützel mit der Polizei geliefert.
In einer Mitteilung erklärte die Kampagne, man habe aus der Presse von der Attacke auf die Bundeswehr erfahren. Ein von der Polizei suggerierter Zusammenhang der Demonstration mit dem Anschlag sei ein Kriminalisierungsversuch. "Was in Havelberg passiert ist", heißt es in der Verlautbarung, "bewerten wir als eine Aktion zur Abrüstung von Kriegsgerät."
Eine Distanzierung von Gewaltakten klingt gleichwohl anders.