Am 25. 7. 2013 demonstrierten ca. 120 Aktivist_innen für das Frauenrecht auf Schwangerschaftsabbruch und Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Am selben Tag fand ein sogenannter „1000-Kreuze-Marsch für das Leben“, organisiert von ultrareligiösen AbtreibungsgegnerInnen, statt, den die Bullen mittels stundenlangem Einkesseln und Festnahmen von 37 Pro-Choice-Aktivist_innen durchsetzen zu müssen meinten.
Um 14:30 Uhr begann die Pro-Choice-Demonstration mit einer Begrüßungsrede zum Thema Schwangerschaftsabbruch und Sexualität abseits von patriarchalen Strukturen. Ein Beitrag der „Antisexistischen Front“ stellte die Pro-Choice-Proteste des vergangenen Jahres und die darauf folgende staatliche Repression dar. Mit einem lautstarken Frauenblock1 an der Spitze setzte sich die Demo in Richtung Platzl/Staatsbrücke in Bewegung. Doch bereits nach wenigen Minuten waren die Demonstrant_innen mit einer Verzögerung durch eine Provokation eines Bullen, der sich nicht als solcher zu erkennen geben wollte, konfrontiert. Damit einher ging eine schlagartige, massive Vermehrung der Polizeipräsenz, und bei einem Demonstrierenden wurden die Personalien festgestellt. Nachdem die dabei angedrohte Festnahme nicht durchgesetzt wurde, ging die Demo geschlossen weiter bis zum Platzl. Dort hörten die Demonstrierenden, Passant_innen und Kaffeehausbesucher_innen einen Solibeitrag von Genoss_innen aus Münster, die sich auch jährlich mit „1000-Kreuze-Märschen“ herumärgern müssen. Die weitere Demoroute verlief in die Altstadt, am Festspielhaus vorbei bis zum Max-Reinhardt-Platz. Parolen wie „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“, „Wir sind die wilden Frauen, wir plündern und wir klauen, wir beten nie, Anarchie!“ und „Abtreibung ist Frauenrecht, bei Pro Life da wird uns schlecht!“ vermittelten die Message der Demo.
Mindestens zwei ultrareligiöse Abtreibungsgegner fielen durch Provokation zu Beginn der Pro-Choice-Demo, bzw. ständiges Abfotografieren von Pro-Choice-Aktivist_innen auf.
Um ca. 16:30 Uhr setzte sich der Zug der fundamentalistischen Abtreibungsgegner_innen vom Domplatz aus in Bewegung. Ungefähr 100 Fundis kamen unter massiver Bullenbegleitung durch den Ritzerbogen in Richtung Universitätsplatz. Dort anwesende Pro-Choice-Aktivist_innen wurden von den Bullen sofort abgedrängt und eingekesselt. Die Abtreibungsgegner_innen wichen durch ein Durchhaus aus. In der Getreidegasse wurden weitere Pro-Choice-Aktivist_innen eingekesselt. Sowohl am Universitätsplatz, als auch in der Getreidegasse mussten die Leute stundenlang von Bullen umringt stehen, einen großen Teil der Zeit in der prallen Sonne. Entgegen der Behauptungen in der Presseaussendung der Bullen vom selben Abend wurden nicht alle Menschen in den Kesseln mit Wasser versorgt. Manche mussten eine Stunde bei sengender Hitze im Gefangenentransporter sitzen. Auf die Frage nach Wasser kam die Antwort „Hamma ned.“ Die in den Kesseln in der Getreidegasse und am Universitätsplatz Festgehaltenen wurden von den Bullen einzeln unter Gewaltanwendung, in einigen Fällen an den Hälsen, herausgezogen und schließlich ins Anhaltezentrum bei der Polizeidirektion in der Alpenstraße gebracht. Erst nach 1 Uhr morgens konnte die letzte der 37 festgenommenen Personen von den draußen wartenden Genoss_innen in Empfang genommen werden.
Nach dem völlig unverhältnismäßigen Vorgehen der Bullen in der Altstadt, das ganz klar als eine Machtdemonstration und ein Einschüchterungsgehabe der Staatsgewalt gegenüber (pro-)feministisch aktiven Personen angelegt war, stellten sich die Bedingungen im Polizeianhaltezentrum als zusätzliche Zumutung heraus. Erstens dauerte es ewig, bis die Festgehalten einzeln ins Einvernahmezimmer gebracht wurden. Zweitens mussten sie stundenlang zu mehrt in kleinen Zellen verbringen, wobei die Wände einer Zelle mit Kot beschmiert waren, und sich ein Fenster nicht öffnen ließ. Es war keine angemessene Zufuhr von Frischluft gewährleistet, und die Beamt_innen hatten offensichtlich auch kein großes Interesse, daran etwas zu ändern. Zudem wurde mehreren Gefangenen ihr Recht auf zwei erfolgreiche Anrufe verweigert. Die Bullen legten bei Anrufen an die Rechtshilfe einfach auf. Die draußen Wartenden erreichte die Begründung, die angerufene Person müsse „persönlich vorstellig werden“ (Zitat Bulle), ansonsten könne nicht telefoniert werden. Das ist eine rechtlich nicht gedeckte Schikane.
Außer den 37 Festgenommenen hatten am Donnerstag noch weitere Pro-Choice-Aktivist_innen unfreiwilligen Kontakt mit den Bullen. Mehrere Leute wurden perlustriert. Eine minderjährige Person wurde von den Bullen in Mozarts Geburtshaus gezerrt, perlustriert, und bekam eine Anzeige angedroht. Am Residenzplatz wurde eine Person festgenommen, und in der Getreidegasse bei mindestens drei weiteren Leuten die Personalien aufgenommen.
Beim Kessel in der Getreidegasse waren die Bullen darauf bedacht, durch das Aufziehen einer Kette solidarische Menschen am Beobachten der Situation zu hindern. Trotzdem konnte zeitweise über die Bullen hinweg mit den Eingekesselten kommuniziert werden. Um 19:08 Uhr drohten die Bullen den Beobachtenden ihre Festnahme wegen „Blockierens des Verkehrs in der Getreidegasse“ an. Sie hätten „5 Minuten Zeit“ um sich zu entfernen, ansonsten würden sie „um 19:10 Uhr“ (sic!) festgenommen.
Nur aufgrund des massiven Polizeiaufgebots konnten die Fundis vom Dom über das Landeskrankenhaus und den Mirabellgarten bis zur Staatsbrücke prozessieren. Es hat sich wieder einmal deutlich gezeigt, auf wessen Seite die Bullen stehen. Die Repressionswelle am 25. Juli deutet darauf hin, dass sich die Bullen und die Fundis aufgrund unserer Erfolge der letzten Jahre schwer gekränkt fühlen. Das Vorgehen der Bullen am 25. 7. 2013 könnte auch auf ein verändertes Klima in Salzburg hindeuten, das grundsätzlich immer zu Gleichgültigkeit bis hin zu offener Ablehnung gegenüber (pro-)feministischen Protesten reicht.
Ganz offensichtlich verfolgten die Bullen mit ihrem Vorgehen den Zweck, uns davon abzuhalten, weiterhin öffentlich für das Frauenrecht auf Schwangerschaftsabbruch und eine befreite Gesellschaft einzutreten. Selbstverständlich ist ihnen das nicht gelungen, denn wir lassen uns von derartigem Mackergehabe seitens der Staatsgewalt nicht einschüchtern. Wir werden uns organisiert und solidarisch gegen diese Zumutungen wehren und einander unterstützen. Mit ihrer steinzeitlichen, testosterongetränkten „Wir-machen-euch-fertig“-Logik werden sie uns nicht unterkriegen.
Ein großes Danke geht an alle Leute, die am 25. 7. in Salzburg bei uns waren –
auf der Straße oder auf andere Art!
Wir bleiben unberechenbar, und gemeinsam sind wir stärker!
Hoch die überregionale Solidarität! Der Kampf geht weiter!
PS: An die bürgerliche Presse: Nehmt endlich zur Kenntnis, dass wir keine „Abtreibungsbefürworter“ (sic!) sind. Wir befürworten die Entscheidungsfreiheit für oder gegen eine Schwangerschaft (pro choice: engl. „für die Wahlfreiheit“).
1Störungen durch einen uneinsichtigen Macker, der den Inhalt der Demo offensichtlich nicht verstanden hatte, wurden nicht hingenommen.