Erstmals werden FeldbefreierInnen, die eine militante Aktion gegen ein Genversuchsfeld starteten, ohne Verurteilung bleiben. Die drei von sechs AktivistInnen, die 2008 den gv-Weizen in Gatersleben zerstörten und nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch in Berufung und dann Revision gingen, haben nach ihrem Revisionserfolg beim OLG Naumburg nun ein Einstellungsangebot auf Staatskosten erhalten - und angenommen. Es ist ein Triumph einer klaren Kritik an den dubiosen Forschungsfeldern der Agrogentechnik und einer offensiven Prozessführung.
Der Erfolg kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn mit dem Einstellungsangebot zeigte das Landgericht Magdeburg genau die Reaktion, die nach dem klaren Votum des Oberlandesgerichtes zu erwarten war. Denn dank des Revisionsurteils hätten in einer neuen Verhandlung die genauen Umstände von Genehmigung, Finanzierung und Durchführung geprüft werden müssen. Offenbar war das den RichterInnen selbst zu heikel - und/oder dem IPK als Versuchsbetreiberin zu riskant. Mit dem Verfahren in Magdeburg ist damit Schluss. Leider bleibt ein Wermutstropfen: Drei Angeklagte hatten nach der ersten Instanz aufgegeben - und bleiben nun verurteilt.
Von Bedeutung ist das Ganze für viele weitere Verfahren mit politischem Hintergrund. Ob Blockaden von Tierfabriken und -laboren, Atommüllzügen und -schiffen, Naziaufmärschen oder Feldbesetzungen, RWE-Kohlezüge oder mehr - das OLG-Urteil wird sich überall einführen lassen bei der Durchsetzung von Fragen und Beweisanträgen zu den Hintergründen der Behörden- und Regierungsentscheidungen (siehe auch bei Beck-online). Wichtig wird aber auch sein, dass sich die dominierenden linken Rechtshilfegruppen endlich von ihrer dogmatischen Ablehnung offensiver Prozessführung (möglich auch mit AktivistInnen als LaienverteidigerInnen) verabschieden, denn inzwischen ist nur noch durch die totale Zensur darüber in ihren Medien zu verbergen, dass offensive Prozesse durchschnittlich deutlich bessere Chancen bieten!
Im Wortlaut: Presseinfo von "Gendreck weg!" zum Prozessende
1. Die Aktion
Am Morgen des 21.4.2008 hatten die GentechnikgegnerInnen Genweizen, der vom Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben (Sachsen-Anhalt) auf dessen Gelände freigesetzt wurde, mit Hilfe von Unkrauthacken zum Teil unschädlich gemacht.
Auf dem gleichen Gelände befindet sich auch die Genbank, eine Abteilung des Instituts, die die Aufgabe hat, Kulturpflanzenvielfalt und Tausende von alten Sorten zu erhalten. Dafür ist eine regelmäßige Aussaat zur Samengewinnung nötig. Dieser weltweit bedeutende Saatgutschatz, insbesondere die Weizenaussaaten war durch eine wahrscheinliche Kontamination mit dem gentechnisch veränderten Weizen gefährdet. 30.000 Einwendungen gegen die Freisetzung waren erfolglos geblieben.
2. Die Prozess-Geschichte
Im November 2010 verurteilte das Amtsgericht Aschersleben die sechs jungen Menschen zu geringen Geldstrafen. Drei AktivistInnen legten daraufhin Berufung ein. Das Landgericht Magdeburg bestätigte das Urteil der ersten Instanz im Sommer 2011 unter teilweiser Verringerung der Höhe der Geldstrafen.
Mehr Infos Akteneinsicht
Die Sache lohnt sich. Nach Umweltinformationsgesetz (und den späteren Verbraucherinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz) in der Einblick in alle möglichen Akten bei staatlichen und von diesem beauftragten Stellen in der Regel einfach und kostenfrei möglich. Das ist eine politische Waffe, nämlich Transparenz. Politische Arbeit, die über Parlamentarismus, Begleitfolklore des Unabwendbaren und identitären Jammerns in Marsch- oder Emailform hinausgeht, braucht das (zumindest oft)!
- Akteneinsicht nach Umweltinformationsgesetz und ähnlichen Rechtsgrundlagen auf den Seiten zu lokalpolitischem Einmischen
- Akteneinsicht vor Gericht auf der Rechtstipps-Seite
Gentechnik
- Der aktuelle Stand an den Feldern und weitere Informationen
- Recherchen und Kritik an den Gentechnik-Seilschaften: www.biotech-seilschaften.de.vu
- Politische Theorie: Emanzipatorische Gentechnikkritik ++ Naturbeherrschung und Technik
Termine zum Thema
- Di, 23. Juli, abends auf dem Anti-Atom-Camp im Münsterland: Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen"
Kennen Sie Filme oder Bücher über Monsanto? Immer wieder wird einen intensiver Filz zwischen Konzern und Aufsichtsbehörden aufgedeckt. Doch St. Louis, der Firmensitz des Round-up- und Agent-Orange-Herstellers, ist weit weg. Wie aber sieht es in Deutschland aus? Warum werden hier Jahr für Jahr immer neue Felder angelegt, obwohl 80 Prozent der Menschen keine Gentechnik im Essen wollen? Warum fließen Steuergelder auch dieser 80 Prozent fast nur noch in die Gentechnik, wenn es um landwirtschaftliche Forschung geht? Der Blick hinter die Kulissen der Gentechnik mit ihren mafiosen Strukturen und skandalösen Zustände bei Genehmigungen und Geldvergabe bietet eine erschütternde Erklärung, warum die überwältigende Ablehnung und der gesetzlich eigentlich vorhandene Schutz gentechnikfreier Landwirtschaft (einschließlich Imkerei) gegenüber der grünen Gentechnik so wenig Wirkung hat. Denn: In den vergangenen Jahrzehnten sind alle relevanten Posten in Genehmigungsbehörden, Bundesfachanstalten und geldvergebenden Ministerien mit GentechnikbefürworterInnen besetzt worden. Die meisten von ihnen sind direkt in die Gentechnikkonzerne eingebunden. Mafiose Geflechte von Kleinstunternehmen und seltsamen Biotechnologieparks names Biotechfarm oder Agrobiotechnikum sind entstanden, zwischen denen Aufträge und Gelder erst veruntreut und dann hin- und hergeschoben werden, bis sich ihre Spur auf den Konten der Beteiligten verliert. Es wird Zeit für einen Widerstand an den Orten der Seilschaften.
In der Veranstaltung werden minutiös die Seilschaften zwischen Behörden, staatlicher und privater Forschung, Konzernen und Lobbyorganisationen durchleuchtet. Jeweils eine Firma (BioOK), eine Behörde (BVL = Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit), das wichtigste Forschungszentrum AgroBioTechnikum (nahe Rostock) und der Lobbyverband InnoPlanta mit den jeweiligen Firmengeflechten werden vorgestellt. Am Beispiel eines kleinen Versuchsfeldes zeigt sich: Deutsche Genfelder sind nichts als Fördermittelbetrug, Schlamperei und der Wille, die Auskreuzung aktiv herbeizuführen.
Um die Wut zu Entschlossenheit statt zur Ohnmacht zu wenden, bildet ein Ausblick auf Möglichkeiten des Widerstandes den Abschluss: "Wer nach mehr Forschung ruft oder sich auf staatliche Stellen verlässt, ist verlassen. Gentechnikfreiheit gibt es nur dann, wenn die 80 Prozent Ablehnung sich auch zeigen!".
Der Referent, Jörg Bergstedt, ist Aktivist und Autor des Buches "Monsanto auf Deutsch", in dem die Gentechnik-Seilschaften beschrieben werden. - Mi, 24. Juli, vormittags auf dem Anti-Atom-Camp im Münsterland: Vortrag oder Diskussion zu "Die Mischung macht's - erfolgreiche Strategien des Widerstandes am Beispiel der Agrogentechnik"
Seit 2004 starteten Gentechnikkonzerne und Lobbygruppen eine neue Kampagne zur Durchsetzung ihrer Profitinteressen und zur Anlage von Feldern mit manipulierten Pflanzen. Ab 2005 entwickelte sich - wie schon Mitte der 90er Jahre - eine spannende Mischung des Widerstandes: Feldbefreiungen, Feldbesetzungen, Aktionen vor Konzernzentralen und -versammlungen, Recherchen hinter den Kulissen, brisante Veröffentlichungen und viele informative Veranstaltungen. Mit Erfolg: 2012 gab es kam noch Felder und die großen Konzerne kündigten ihren Abgang aus Deutschland an – und der Sommer 2013 wird wahrscheinlich ganz ohne gv-Pflanzen ablaufen. Da lohnt sich der Rückblick: Was macht solche Widerstandsstrategien aus? Und was lässt sich daraus für andere Kampagnen und Aktionen lernen - z.B. für den Widerstand gegen Atom oder Kohle, Tierfabriken oder Schlachthöfe, Nazis oder Sozialabbau, Militär oder Repression. Fotos, kurze Filme und ausgewählte Anekdoten machen die Ton-Bilder-Schau zu einer rasanten Erinnerung an vergangene Protestjahre. Dann folgen Thesen für eine entschlossenere Protestkultur auch zu anderen Themen. Am Ende besteht die Gelegenheit zur Debatte, Entwicklung eigener Ideen und für konkrete Verabredungen … - Mo, 16.9. um 11 Uhr beim Oberlandesgericht Saarbrücken (Franz-Roeder-Str. 15, Saal 223): Nächste Verhandlung im Maulkorb-Verfahren der Gentechniklobby gegen den Buchautor "Jörg Bergstedt" ++ Infoseite (vor dem 16.9. sind weitere Termine, vor allem mit der Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch", im Saarland und in Rheinland-Pfalz geplant ... wer noch Veranstaltungen machen will, bitte melden)
- Weitere Anfragen für Vorträge usw. unter www.vortragsangebote.de.vu!