Lauschangriff aus Rheinhausen? Antennen geben Rätsel auf

Die alte Kuppel des Ionosphäreninstituts steht jetzt im Europa-Park Rust. Foto: Ulrika Martel
Erstveröffentlicht: 
27.06.2013

In einem kleinen Dorf stehen gewaltige Parabolantennen - kaum jemand kennt ihren Zweck. Das Ionosphäreninstitut in Rheinhausen hat Verbindungen zum BND. Ist es eine Abhöranlage?

 

Reiner Aures, Leiter des Ionosphäreninstituts im Rheinhausener Ortsteil Niederhausen, beantwortet Presseanfragen nur schriftlich. Er sagt wenig. Die Aufgabenstellung, schreibt er, "liegt im Bereich Entwicklungs- und Forschungsaufgaben auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik. Da hier auch sicherheitsrelevante Aufgaben mit Berührungspunkten zum Bundesnachrichtendienst enthalten sind, können wir leider keine Detailangaben hierzu machen."

Das Ionosphäreninstitut liegt auf Niederhausener Gemarkung, in Sichtweite des Europa-Parks. Von einigen Achterbahnen und dem Euro-Tower aus sieht man die Parabolantennen, die weißen Kuppeln und die flachen Gebäude der Anlage. Die Verbotsschilder sieht man nicht: Das Areal fällt unter das Schutzbereichsgesetz. Es ist Militärgelände, Fotografieren verboten. Spaziergänger, Wanderer und Bootsfahrer auf dem Altrhein kennen die Anlage. Und wissen fast nichts über sie. Die Mitarbeiter schweigen.

Wie ihr Chef. Träger der Anlage? Der Bund, heißt es im Fax. Auftraggeber? Verschiedene Ressorts innerhalb der Bundesregierung. Am offensten ist Institutsleiter Aures bei der Mitarbeiterzahl. Die, schreibt er, liege im "kleinen dreistelligen Bereich." Soldaten seien nicht dabei, aber Ingenieure und Informatiker.

Die Spekulationen schießen ins Kraut

In Rheinhausen und im Internet wird wild spekuliert. Die Anlage, heißt es, hat den Codenamen Tamburin. Sie soll Satelliten ausspähen, Faxe und Telefongespräche überwachen und mit Schäferhunden gesichert sein.

"Ich darf ihnen alles sagen, was ich weiß. Aber ich weiß nichts", erklärt Rheinhausens Bürgermeister Jürgen Louis. "Das ist Terra incognita", sagt Joachim Müller-Bremberger, Sprecher im Freiburger Regierungspräsidium. Auch das Landratsamt ist ahnungslos: Sprecherin Silke Tebel-Haas verweist auf die Landesbauordnung. In der steht, dass Vorhaben in Sachen Landesverteidigung keine Baugenehmigung brauchen.

Keine elektrischen Weidezäune im Umkreis von 600 Metern

Die frühere Grünen-Abgeordnete Maria Luise Teubner hat versucht, das Rätsel zu lüften. Im Jahr 1990 wollte sie von der Bundesregierung wissen, was es mit der Anlage auf sich hat. Sie schrieb eine Anfrage und formulierte Fragen. Die Antwort fiel knapp aus: Das Ionosphäreninstitut, hieß es, ist eine Einrichtung des Bundes und dient Zwecken der Landesverteidigung. Nähere Auskünfte dürften nur einige Kontrollgremien bekommen. "Solche Anfragen", sagt Teubner heute, "wurden damals oft abgewatscht."

Für die Gemeindeentwicklung, sagt Rathauschef Louis, habe das Institut keine Bedeutung: "Es zahlt natürlich auch keine Gewerbesteuer." Einige Teile von Niederhausen liegen aber in einer Schutzzone. In einem Umkreis von 1800 Metern um die Anlage herum sind Sendeanlagen von CB-Funkern und Funkamateuren genehmigungspflichtig, im Umkreis von 600 Metern dürfen keine elektrischen Weidezäune betrieben werden.

Grümpelturnier-Team mit Geheimnissen

Das Institut hat eine lange Geschichte. Die Wurzeln liegen in Breisach. Dort hatte sich das Ionosphäreninstitut in den 50er Jahren angesiedelt, die Forscher eröffneten 1972 in Niederhausen eine Antennenstation – und veranstalteten Führungen für Bildungswerke. Dann, ein paar Jahre später, begann das Schweigen.

Bis 1997 stand auf dem Gelände noch eine gewaltige Parabolantenne, mit einem Durchmesser von 43 Metern und einem Gewicht von 300 Tonnen. Die wurde mit dem Schwertransporter in den Europa-Park gebracht. "Sie entsprach nicht mehr dem heutigen Standard", teilt Aures mit. "Die Antenne ist Deko", sagt Parksprecherin Diana Reichle.

Die Mitarbeiter treten nur ganz selten öffentlich in Erscheinung: Ein Team des Ionosphäreninstitutes hat schon beim Grümpelturnier des SC Niederhausen gegen Freyler und die EnBW gekickt. Eine ganz normale Firma eben – eine Firma mit Geheimnissen.

Stichwort: Ionosphäre

Die Ionosphäre ist ein Teil der Erdatmosphäre und beginnt in einer Höhe von 60 bis 80 Kilometern. In ihr schwirren Ionen und freie Elektronen herum. Sie reflektiert Kurzwellen und ist deshalb wichtig für den weltweiten Funkverkehr. Sie reicht in eine Höhe von 500 Kilometern – eine Distanz, in der auch manche Spionagesatelliten unterwegs sind.