Heilbronn: Interview zum 1.Mai

Plakat: 1. Mai Heilbronn

Linke Aktivistinnen und Aktivisten in Heilbronn rufen dazu auf, sich am 1.Mai an einem Antikapitalistischen Block auf der DGB- Demo zu beteiligen und im Anschluß daran nach Würzburg (Bayern) zu fahren, wo ein Naziaufmarsch des "Freien Netz Süd" stattfinden soll. Dazu im Folgenden ein Interview mit Robert aus Heilbronn.

 

Es gab ja im letzten Jahr bereits einen Antikapitalistischen Block auf der Gewerkschaftsdemo in Heilbronn. Vielleicht kannst Du noch mal kurz erzählen, wie das ablief und was Euch dazu bewogen hat, auch in diesem Jahr zu einem eigenen Block aufzurufen.

Robert: Im letzten Jahr haben sich rund 50 Menschen am Antikapitalistischen Block beteiligt. Mit Transparenten, Schildern, Flugblättern, Fahnen und Megafondurchsagen waren wir unseres Erachtens gut präsent auf der etwa 700 Personen umfassenden Gewerkschaftsdemo. Das bestätigen auch die Rückmeldungen von anderen Demonstrierenden und übrigens auch der Bericht der Lokalpresse, in dem betont wurde, dass sich "viele Kapitalismuskritiker" an der Aktion beteiligt hätten und den ein Bild von unserem Fronttransparent zierte.

Wir sehen die ganze Sache aber natürlich realistisch und sind uns klar darüber, dass der Block noch recht klein war und die Demonstration selbstverständlich von reformistischen und sozialdemokratischen Inhalten dominiert wurde.
Aber wir denken, dass es - vor allem nach Jahren, in denen es sehr wenig linke Beteiligung in der Stadt gegeben hat - ein guter Anfang war und wollen daran in diesem Jahr anknüpfen.
Die Krise des kapitalistischen Systems und die autoritären Antworten der Herrschenden innerhalb der Europäischen Union darauf verschärfen die Lebensbedingungen für große Teile der Bevölkerung weiter - ganz besonders in den südeuropäischen Ländern. Aber auch hier in den imperialistischen Zentren ist der Alltag vieler Menschen von prekärer Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Hartz 4 oder steigender Arbeitsbelastung, von Ausgrenzung und fehlender gesellschaftlicher Teilhabe geprägt.

Es wäre unserer Meinung nach falsch, in einer solchen Situation, in der sich der Charakter des globalen Kapitalismus so deutlich und grausam zeigt, nicht gemeinsam mit den Betroffenen dieser Politik auf die Straße zu gehen.

Wir sollten den Protest  auch nicht denen überlassen, die eine Alternative zu den bestehenden Verhältnissen gar nicht mehr denken können oder wollen und denen angesichts der massiven Angriffe des Kapitals nicht mehr einfällt als die Bitte nach "Guter Arbeit" und "Sicherer Rente".

Es gibt an der Basis genug Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, denen diese Minimalforderungen auch nicht mehr ausreichen und in einigen europäischen Ländern wehren sich die Menschen ja auch bereits mit kämpferischen Demos und Streiks.
Wir halten den 1.Mai als traditionellen Kampftag deshalb für den richtigen Zeitpunkt und die DGB- Demo für den richtigen Ort, um antikapitalistische Inhalte sichtbar zu machen.

Ok. In einigen Städten finden aber auch eigene revolutionäre Demonstrationen am 1.Mai statt. Wäre es nicht sinnvoller, dorthin zu fahren?

Robert: Wir finden es sehr gut, dass z.B. in Nürnberg und Stuttgart seit Jahren und mit steigender TeilnehmerInnenzahl revolutionäre Demos am 1.Mai statt finden. Solche zentralen Aktionen sind ungemein wichtig für die Linke, weil sie eigene Akzente in den Städten setzen, Strukturen stärken und die Attraktivität der Bewegungen steigern.
Genauso wichtig ist es aber, dass wir dort aktiv und ansprechbar sind, wo die Menschen leben und arbeiten, an die wir uns richten - und übrigens auch da, wo wir selber wohnen und arbeiten. Auch wenn wir noch viel zu oft an diesem Anspruch scheitern, wollen wir doch nicht nur unsere eigene Szene bedienen, sondern in die Gesellschaft intervenieren.

Heilbronn bietet dafür als Industriestadt mit relativ starker Gewerkschaftsdemo und in den letzten Jahren enorm gewachsenen linken Strukturen am 1.Mai relativ gute Ausgangsbedingungen.
Letztlich wird unserer Meinung nach ein Zusammenspiel von vielen dezentralen, vor Ort gut verankerten Aktionen und gemeinsamen, großen Mobilisierungen nötig sein, um die radikale Linke wieder aus ihrer Bedeutungslosigkeit zu holen. Deshalb werden wir z.B. auch die Blockupy- Aktionen am 31. Mai und am 1. Juni in Frankfurt am Main unterstützen.


Du hast gerade von den gewachsenen linken Strukturen in Heilbronn gesprochen. Insbesondere revolutionäre linke Inhalte sind in der Stadt aber momentan nicht so präsent. Auch aus der Ankündigung im letzten Jahr, mehr zur Geschichte und den Inhalten des 1.Mai arbeiten zu wollen, ist nichts geworden. Was ist denn da los?

Robert: Die Entwicklung linker Strukturen in der Stadt ist in den vergangenen 3- 4 Jahren in der Tat ziemlich rasant verlaufen. Mittlerweile entsteht in einem eigenen Haus das "Soziale Zentrum Käthe", das im September die Eröffnung feiern wird, es gibt aktive Antifa- Strukturen, einen "Arbeitskreis Internationale Solidarität" und regelmäßig Veranstaltungen, überregionale Mobilisierungen und Aktionen.

Alle diese Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie die bestehende Gesellschaftsordnung in Frage stellen, dass sie sich daran beteiligen wollen, eine Perspektive für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft zu erkämpfen und dass sie dabei eine konstruktive Herangehensweise an den Tag legen, die möglichst viele Menschen miteinbezieht.
Unserer Meinung nach sind darin bereits einige Elemente enthalten, die wir als revolutionär und links begreifen würden.
Es stimmt allerdings, dass dies nicht ausreicht und dass es einer revolutionären Organisierung bedarf, um wirklich eine Form von Gegenmacht aufbauen zu können.

Darauf wurde in der letzten Zeit ganz klar zu wenig geachtet und zum Teil sind auch bestimmte Konzepte politischer Arbeit an ihre Grenzen gekommen.

Deutlich wurde dies unter anderem durch mangelnde inhaltliche Arbeit, z.B. auch zum 1.Mai.

Von einer revolutionären Phraseologie, wie sie zum Teil betrieben wird, halten wir allerdings auch nichts.

"Revolutionär" sind wir nicht dadurch, dass wir uns selbst ständig als "Revolutionäre" in Szene setzen und im schlimmsten Fall anderen emanzipatorischen Ansätzen überlegen fühlen, sondern dadurch, dass wir ganz praktisch und mit einer gewissen Beharrlichkeit am Aufbau von Strukturen arbeiten, die irgendwann einmal das System wirklich in Frage stellen können. 

Um mal auf den 1.Mai 2013 zurück zu kommen: Es gibt nicht nur den Aufruf zum Antikapitalistischen Block, sondern auch einen Aufruf der Antifaschistischen Aktion Heilbronn zu den Aktionen gegen den Naziaufmarsch in Würzburg.

Kannst Du mal kurz erklären, warum beides wichtig ist?

Robert: Vieles kann man ja auch im Heilbronner Antifa- Aufruf nachlesen, das will ich jetzt nicht unnötig wiederholen.
Die Frage nach dem Umgang mit Naziaufmärschen am 1.Mai beschäftigt die Linke schon viele Jahre und wir können hier sicherlich das Rad auch nicht neu erfinden. Schon Ende der 1990er Jahre haben Antifas aus der gesamten BRD sich tagsüber mit Nazis in Leipzig und anderen Städten auseinandersetzen müssen und sind dann schnell nach Berlin gefahren, um es noch zur "Revolutionären 18.00 Uhr - Demo" zu schaffen.
Am 1.Mai 2011 wurde die revolutionäre Demo in Stuttgart verlegt, um den Widerstand gegen einen süddeutschlandweiten Naziaufmarsch bei uns in Heilbronn nicht zu schwächen, während die AktivistInnen in Karlsruhe an ihrer Demo festhielten. Für beide Entscheidungen gab es rationale Argumente.
Grundsätzlich hängt die Frage, ob am 1.Mai auf eigenen Aktionen demonstriert, gegen einen Naziaufmarsch vorgegangen oder beides versucht werden sollte, unserer Meinung nach von der konkreten Konstellation ab, d.h. von der Bedeutung des Naziaufmarsches, der Stärke der antifaschistischen Kräfte vor Ort, der Art der Gegenmobilisisierung etc.
Der Aufmarsch in Würzburg hat mit Sicherheit eine Relevanz für die militante Naziszene und es gibt vor Ort ein Blockadebündnis, an dessen Arbeit wir zwar einiges zu kritisieren hätten, das aber dringend auf die Unterstützung von außerhalb angewiesen ist.

Deshalb werden viele Leute aus Heilbronn sich auf den Weg nach Würzburg machen, wenn die Gewerkschaftsdemo zu Ende ist -  aber auch erst dann, wenn wir sichergestellt haben, dass die Gewerkschaftskundgebung nicht von Faschisten gestört wird, wie es der JN- Bundesvorsitzende Andy Knape aktuell in einem Statement von denjenigen JNlern fordert, die nicht nach Frankfurt zur NPD- Kundgebung fahren.

 

Antikapitalistischer Block | 10.30 Uhr DGB- Haus Heilbronn

 

Mobilisierungs-Seite zum 1.Mai in Heilbronn 

Antifa- Aufruf nach Würzburg