Das alternative Wohn- und Kulturprojekt „Praxis“ steht vor dem Aus. Erst im Januar gewann das Wohnprojekt "Praxis" einen Rechtsstreit gegen die vorherige Hauseigentümerin "Serkowitzer Grundbesitz GmbH", deren Räumumgsklageersuchen das Amtsgericht in Dresden abwies. Während der juristischen Auseinandersetzungen wurde die Immobilie in der Columbusstrasse 9 an den Stuttgarter Immobilienmakler Weli Oklu weiterverkauft. Er kündigte über die in Dresden ansässige Hausverwaltung „Kreatex“ die Mietverhältnisse der Bewohnerinnen und Bewohner des Wohnprojektes.
Die Fristen jedoch sind bei den verschiedenen Mietparteien unterschiedlich lang. Einige Bewohner*innen sollten bis zum 28. Februar gekündigt werden, andere haben Zeit bis Ende August. Der Eigentümer rechtfertigt sein Kündigungsvorhaben mit der Unwirtschaftlichkeit der Mietsverhältnisse und einer deswegen geplanten Sanierung, die er auch Anfang Mai beginnen möchte. Die Pressesprecherin Christiane Ungelenk des Projektes erklärt hierzu: „Wir als Praxis begreifen uns als alternatives Wohnprojekt, was bedeutet, dass wir nicht nur einfach zusammen wohnen, sondern auch das Experimentieren im Vordergrund steht, was wohnen in einer Gemeinschaft eigentlich bedeutet und bedeuten kann. Und das möglichst über den Rahmen der eigenen "Mietzelle" hinaus. “ Die Bewohner*innen der „Praxis“ beteiligten sich seit ihrem Einzug im März 2008 an Nachbarschaftsprojekten, selbstorganisierten Straßenfesten sowie an antirassistischen und antifaschistischen Aktionen in Dresden. Die nunmehr endgültige Kündigung der Mietverträge ist für die Betroffenen ein Ausdruck einer fehlgeleiteten, weil vor allem wirtschaftlich geprägten Stadtentwicklungspolitik. In dem so festgelegten Zeitraum von 1994 bis 2018 gilt der Stadtteil Löbtau als Sanierungsgebiet. Sanierungen werden dadurch lukrativer gemacht, da die Haus-eigentümer (zumindest diese Jahr noch) großzügige Zuschüsse der Städtebaufördermittel in Anspruch nehmen können.
„Die Schaffung und der Ausbau selbstorganisierter Lebensräume ist für uns eine Grundlage, um gegen eine Stadtteilpolitik Stellung zu beziehen, in der Wohnraumsanierungen zu aller erst dann realisiert werden, wenn potentielle Gewinnmöglichkeiten und damit drastisch steigende Mieten in Aussicht stehen. Wer die nicht zahlen kann, wird verdrängt, ein über Jahre gewachsenes kulturelles Zusammenleben der Bewohner*innen im Stadtteil zerstört.“ Mit ihrem Wirken wollten die Mieter*innen des Projektes auch ein öffentliches Zeichen gegen rechte Tendenzen im Stadtbild setzen. Damit wurde die"Praxis" in der Vergangenheit auch mehrfach zum Ziel von Neonazis. In der Nacht auf den 19. August 2010 wurde ein Brandanschlag auf das Haus verübt, in dessen Folge ein Zimmer komplett ausbrannte. Die Täter*innen nahmen bewusst Tote in Kauf. Ein halbes Jahr später kam es im Zuge des rechten Großaufmarsches zum 13. Februar zu einen Angriff von 250 Neonazis, bei dem erheblicher Sachschaden entstand. "Das waren natürlich herbe Schläge, die erstmal verdaut werden mussten. Dennoch waren und sind wir, gerade wegen des großen Zuspruchs der BewohnerInnen im Stadtteil, entschlossen den Kampf um unser Haus auch jetzt weiterzuführen."
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