Solange das Eisen heiß ist – Studentenstreik und Sozialrevolte in Québec, Frühjahr 2012

do not question authority

Der folgend Text wurde vom Übersetzungskollektiv ET AL ins Deutsche übertragen und auf der website der ehemaligen Magazin Redaktion veröffentlicht. An dieser Stelle folgt die Einleitung, der vollständige Text ist hier nach  zu lesen, dort auch als pdf oder eBook. Vor einem Jahr, von Februar 2012 bis Mai 2012, gerieten aus Anlass höherer Studiengebühren die Studenten Montréals in einige Aufregung. Da die Obrigkeit keine temporäre Inbeschlagenahme von Universitätsgebäuden duldete, war den Protestierenden eine in solchen Fällen gängige Aktionsform versagt und so strömten sie immer wieder auf die Straße.

 

Die Studentinnen, gewöhnt daran, Forderungen an ihre Autoritäten zu stellen, sahen sich mit dem Umstand konfrontiert, dass dieselben jeden Kompromiss von vornherein ausschlossen. Dadurch eskalierte der Reformismus punktuell und die Stunde der troublemaker hatte geschlagen. Dem gewohnten Feld der Politik von vornherein enthoben, schien bei einer relativ großen Minderheit bewusst oder unbewusst die Sucht nach dem allgemeinen Ausnahmezustand bestimmender zu sein als die vage Aussicht auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Erfolg.

 

Das Resultat waren drei Monate von Demonstrationen, Blockaden, Scharmützeln und Schlachten, während derer die Aufstandspolizei Überstunden schieben musste. Ohne starke eigene Visionen gelang es dieser Bewegung allerdings kaum, in die Offensive überzugehen und sie musste immer wieder erst durch die Polizei angestachelt werden. Aber es zeigte sich an einigen Stellen auch, dass in Situationen allgemeiner Unruhe die Polizei dann und wann zu rennen anfängt, wenn eine Überzahl von Demonstranten nur geschlossen genug auftritt. Insbesondere Überraschungsangriffe taugen dazu ganz gut und so geriet die Polizei manchmal in wirkliche Bredouille, etwa als die Studenten überraschend einen Wirtschaftskongress angriffen. Schon die nächste Schlacht allerdings, diesmal auf offenem Feld und gegen besser vorbereitete Truppen, war weniger erfolgreich, wenn auch für die Teilnehmenden sehr aufschlussreich, weil sie langsam einen Eindruck von den unterschiedlichen Stufen der demokratischen Aufstandsbekämpfung bekam.

 

Schließlich wurde ein Ausnahmegesetz verabschiedet, das Demonstrationsrecht der Situation angepasst und die Preise für einfachen Protest wurden stark angehoben. Die Zahl der Bußgelder stieg, zahlreiche Gerichtsverfahren sind anhängig und einige Exempel wurden statuiert. Der radikalere Studentenverband bangt um die für die Gerichtsverfahren nötigen staatlichen Gelder und ist dadurch gelähmt. Die Bewegung wurde reaktiver, witterte in den neuen Sondergesetzen den Faschismus und verlor sich in der Trommelei dagegen. Versuche von professionellen Anarchist*innen der protestierenden Minderheit mit dem kommerziellen Autorennen einen weiteren Sündenbock zu geben, scheiterten.

 

Das Übersetzungskollektiv Et al. hat hierzu einen epischen Bericht eines beteiligten Anarchisten übersetzt, der Stein für Stein diese Bewegung nacherzählt und taktisch analysiert. In Deutschland, wo es derartige Erscheinungen höchstens im Ansatz gibt, mag der Text etwas länglich wirken und er ist auch sehr lang. Besser als nichts ist er allemal und da die Ruhe auch hierzulande jederzeit aufhören kann, kann es auch nicht schaden, wenn einige mit den in allen solchen Konflikten auftretenden Komplikationen vertrauter werden. Eine der wesentlichen Komplikationen ist dabei leider immer noch die Kommunikation derjenigen, die mehr wollen als nur ein oberflächliches Erzittern der Macht....