Weinheim - (pro) Der Bundesparteitag der NPD findet tatsächlich in Weinheim statt. Am Vormittag versammelten sich zwischen 150 und 200 Mitglieder der NPD im Gasthaus "Zum schwarzen Ochsen" im Stadtteil Sulzbach - begleitet von mehreren Hundertschaften der Polizei und rund 200 Gegendemonstranten. Es blieb bis zum Abend zum Glück friedlich. Die Sulzbacher müssen sich auch am Sonntag darauf einstellen, dass in ihrem Ort der Ausnahmezustand herrscht; um 11 Uhr findet eine weitere Demo gegen die NPD in Sulzbach statt. Die Freiwillige Feuerwehr Sulzbach hat ihren für Sonntag geplanten Tag der offenen Tür aus Sicherheitsgründen abgesagt; er soll in einer Woche nachgeholt werden.
Erst am Freitagabend war bekannt geworden, dass sich die NPD am Samstag - zu allem Überfluss also auch noch an Hitlers Geburtstag - in Weinheim treffen wird. Die Stadtverwaltung sah keine Möglichkeit, juristisch dagegen vorzugehen, weil der NPD-Parteitag auf einem privaten Grundstück stattfindet, wie Oberbürgermeister Heiner Bernhard erklärte: "Wir hätten den NPD-Parteitag gerne verhindert, sahen aber auch keine Chance, mit taktischen Maßnahmen dieses Ziel zu erreichen." Verärgert war Bernhard, dass der Wirt des "Schwarzen Ochsen" den großen Saal an die NPD vermietet hat: "Das ist für mich völlig unverständlich und zeugt von politischer Instinktlosigkeit. Das ist sicher auch nicht die beste Werbung für das Gasthaus", sagte der OB im Gespräch mit unserer Zeitung.
Der Ochsen-Wirt verteidigte seine Entscheidung. Am Telefon erklärte er: "Die NPD hat kurzfristig angefragt, ob sie den Saal mieten kann. Wir brauchen das Geld, denn die anderen Parteien kommen ja auch nicht zu uns." Im Online-Gästebuch des "Schwarzen Ochsen" sind bereits viele Einträge von empörten (Ex-)Kunden zu finden, die eine Vermietung der Räume an die NPD als Schande für den Ort empfinden.
Die Polizei war schon am frühen Morgen mit mehreren Hundertschaften in Sulzbach angerückt und hatte die Bundesstraße B3 für den Durchgangsverkehr gesperrt. Das machte es den Gegendemonstranten schwer, mit dem Auto nach Sulzbach zu kommen. So waren um 10 Uhr nur rund 70 Demonstranten dort. Die Polizei hatte den Bereich rund um den Gasthof weiträumig abgesperrt, sodass die Demonstranten rund 200 Meter entfernt angehalten wurden. Mit "Nazis raus" Rufen und Transparenten, auf denen zum Beispiel stand "Nazis stoppen - Kampf dem Rassismus vor Ort", machten sie deutlich, dass die NPD in Weinheim nicht willkommen ist.
Auf dem Programm des Bundesparteitags der rechtsextremen Partei steht in Weinheim nach Angaben ihres Pressesprechers Frank Franz die Neuwahl des Parteivorstandes und die Verabschiedung des Wahlprogramms für die Bundestagswahl. Pressevertreter wurden nicht zur Versammlung zugelassen, wenn sie sich nicht vorher akkreditiert hatten, was angesichts des Versteckspiels um den Veranstaltungsort zumindest für Lokaljournalisten ja nicht vorherzusehen war. Der Pressesprecher verwies auf eine Pressekonferenz am Sonntag um 16 Uhr, für die noch Akkreditierungen möglich wären.
Doch auch so waren am Samstag zahlreiche überregionale Medien in Weinheim vertreten: Spiegel Online, die Nachrichtenagentur dpa, Deutschlandfunk, N24 und viele andere Medien hatten Reporter nach Sulzbach geschickt, um zu berichten. Ein akkreditierter Reporter der Süddeutschen Zeitung berichtet direkt vom Parteitag.
Die Medienvertreter vor Ort erlebten, dass die Sulzbacher Vereine dem Treiben der NPD nicht tatenlos zusehen wollten. Kurzfristig hatten Vereinsvertreter am Morgen viele Sulzbacher angerufen und spontan zu einer Gegendemonstration aufgerufen, die am Mittag vor dem katholischen Gemeindezentrum begann. Auch die Kirchengemeinden und Elternvertreter der dortigen Schule sowie Vertreter der demokratischen Parteien aus dem Ort beteiligten sich an dem Protestzug, der vom Gemeindezentrum bis zur Absperrung an der B3 führte. Auf Transparenten konnte man zum Beispiel lesen: "Sulzbacher Christen für Toleranz, Weltoffenheit und Demokratie!"
"Wir sind entsetzt, dass bei uns der Bundesparteitag der NPD stattfinden kann", sagte Karl Zöller (CDU) bei der Kundgebung. "Deshalb haben wir uns spontan entschlossen, dagegen Flagge zu zeigen mit dieser Demonstration."
OB Heiner Bernhard sagte: "Ich bin froh, dass viele Sulzbacher und Weinheimer gekommen sind. Wir wollen keine Nazis in unserer Stadt. Weinheim ist bunt, nicht braun."
Elisabeth Kramer (Grüne/Alternative Liste) rief die Menschen dazu auf, ein "Zeichen gegen Rassismus und Deutschtümelei zu setzen" und auch am morgigen Sonntag um 11 Uhr wieder zu demonstrieren - denn der NPD-Parteitag soll morgen fortgesetzt werden.
Stella Kirgiane-Efremidis (SPD) schloss sich diesem Aufruf an und betonte: "In Weinheim ist kein Platz für Rassisten."