Machtkampf und erneute Auseinandersetzungen mit islamistischen Mob in Kairo

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Diesmal hatten im Unterschied zu den letzten Monaten auch die Moslembrüder offiziell zu der Kundgebung in Kairo mobilisiert. Angesichts dessen war die Teilnehmerzahl mit nicht einmal 10.000 Teilnehmern eher bescheiden. Wie auch bei den islamistischen Kundgebungen der letzten Monate waren viele Teilnehmer in Bussen aus der Privinz herangekarrt worden.


Anders als in den meisten deutschen mainstream Medien behauptet (sofern ihnen die gestrigen Geschehnisse überhaupt eine Berichterstattung wert war), ging es den Islamisten nicht um die kürzlich angeordnete Freilassung des inhaftierten Mubarak (der sowieso wegen weiterer offener Verfahren inhaftiert bleibt), sondern um einen Machtkampf mit Teilen des Justizapperates, der sich gegen eine weitere Einflussnahme der Islamisten stemmt.

So war u.a. das ägyptische Unterhaus, in dem die Salafisten und die Moslembrüder eine klare Mehrheit haben, vom Verfasungsgericht aufgelöst worden. Seitdem wird entweder per Dekret durch Mursi regiert oder durch Entscheidungen in rechtlich fragwürdiger Art und Weise durch das ebenfalls von den Islamisten kontrollierte Oberhaus.

Die von den Islamisten eigentlich für Ende April 2013 angesetzten Unterhausneuwahlen mussten nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtes über die Nichtigkeit von Teilen des Wahlgesetzes verschoben werden, möglicherweise finden sie erst im Herbst dieses Jahres statt.

Im Machtkampf mit den schon unter Mubarak tätigen Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmud musste Mursi ebenfalls vor dem Justizapparat kapitulieren. Der Versuch Talaat Abdullah (dem eine politische Nähe zu den Moslembrüdern nachgesagt wird) auf dem Posten zu hieven, ist im März dieses Jahre nach monatelangen politischen Hinundher gescheitert. Ein Berufungsgericht bestätigte ein erstinstanzliches Urteil, das die Absetzung für nichtig erklärte.

Ingesamt bläst den Islamisten bei dem Versuch, gesellschaftliche und staatliche Strukturen unter ihre Kontrolle zu bekommen, immer mehr der Wind ins Gesicht.
An den Unis reagieren sie mit dem Ausschluss von missbeliebigen politischen Gruppen auf die Erfolge von regierungskritischen Kandidaten bei den Wahlen zu den Studentenvertretungen.

Auch bei Wahlen zu den Vertretungen diverser Berufsverbände kam es zu Misserfolgen für die Moslembrüder, bei den Selbstorganisierungen der ägytischen Arbeiterklasse (Video dazu von labournet) wird ihnen ebenso Widerstand entgegen gesetzt. Mursi hattte mit dem international kaum beachteten Dekret 97 versucht, einen grösseren Einfluss auf den Apparat des staatlich finanzierten ägyptischen Gewerkschaftsbundes ETUF zu gewinnen. Auch versuchen die Moslembrüder die Kontrolle über die zahlreichen neu entstandenen Basisgewerkschaften auszubauen. Ín ihren Hochburgen ist ihnen dies zwar teilweise gelungen (so gingen z.B. Gewerkschaftsaktivisten gemeinsam mit Milizen der Islamisten gegen regierungskritische Demonstrationen vor), landesweit bekommen sie aber die anhaltene wirtschaftliche Krise und die sozialen Proteste nicht in den Griff (s.a. eine Einschätzung der WiWo dazu)

Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der Islamisten am gestrigen Tag kam es zu massiven Angriffen auf deren Kundgebung vor dem Obersten Gericht.
Zwar hatten Vertreter der koptischen Minderheit eine eigentlich geplante Protestveranstaltung gegen die pogromähnlichen Ausschreitungen Anfang April abgesagt, andere Gruppen wollten jedoch den Islamisten nicht die Strasse überlassen.

So mobilisierten Anhänger des black bloc weiter zu einer Kundgebung, um gegen die Verhaftungen einiger Gefährten zu demonstrieren (Video), bei dieser Gelegenheit wurde dann auch eine Fahne der Moslembrüder verbrannt (Video).
Anschliessend wurden die Islamisten mit Steinen und Molotows angegangen, einer ihrer Busse in Brand gesetzt (Video) .
Bei den stundenlangen Kämpfen setzten sowohl die Islamisten (Video)(Video 2) als teilweise auch ihre Gegner Schusswaffen ein.

Die Hatz der Faschisten richtete sich auch gegen Oppositionelle, die sich nicht aktiv an den militanten Auseinandersetzungen beteiligten. Etliche Demonstranten wurden verschleppt und vom Mob fast zu Tode geprügelt (Video) . Als es den Islamisten trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit nicht gelang, sich gegen die Aktivisten durchzusetzen, griffen die Bullen ein, die sich zuvor zurück gehalten hatten. Gemeinsam mit den Islamisten rückten Bulleneinheiten vor (Video ab Min 1:37).

Nach offiziellen Angaben wurden um die 100 Menschen bei den gestrigen Kämpfen verletzt, es gab 39 Festnahmen, wobei es sich (fast ?) ausschließlich um Aktivisten handelt. Drei der von den Bullen Inhaftierten wird vorgeworfen, sich am Abfackeln des Busses der Islamisten beteiligt zu haben. Aus Griechenland gibt es eine Aufruf zur Solidarität mit den ägyptischen Gefährten, dazu ein Video von Anarchisten aus Heraklion (Video auf contra info).