Burschenschaften: Von Standesdünkel und Patriarchat

Klärte in Eisenach über die Deutsche Burschenschaft auf: Alexandra Kurth von der Universität Gießen.
Erstveröffentlicht: 
19.04.2013

1992 schrieb sie nach Eindrücken vom Burschentag in Eisenach erstmals über die Deutsche Burschenschaft (DB) im Artikel einer Lokalzeitung.
Eisenach. Zwanzig Jahre später ist aus der Studentin an der Uni Marburg, die sich ihre Brötchen mit Zeilenhonorar verdiente, die Politikwissenschaftlerin Dr. Alexan­dra Kurth geworden, die mit Forschungen über Studentenverbindungen promovierte und heute in der Bundesrepublik eine der gefragtesten Expertinnen auf ihrem Gebiet ist.   

 

Von Rita Specht

 

"Das Thema kam immer wieder zu mir zurück. Darüber bin ich auch ein Stück weit politisiert worden", berichtete sie am vergangenen Donnerstagabend während eines von rund 30 Zuhörern besuchten Vortrags. Dazu hatte die Volkshochschule Eisenach gemeinsam mit dem Bündnis gegen Rechtsextremismus in die Aula der Volkshochschule eingeladen.   

Sehr verständlich und nicht überfrachtet von Nebenwissen klärte Alexandra Kurth über die Burschenschaften in Deutschland auf. 900 einzelne Verbindungen mit etwa 30 Dachverbänden gibt es nach ihren Informationen, in denen rund 150.000 Mitglieder organisiert sind, besagen jüngste statistische Angaben von 2009.

Zu den überwiegend Männerbünden gehören auch solche in Estland, Polen, Italien, Österreich und der Schweiz. Die Referentin erläuterte deren Gemeinsamkeiten, wozu das Lebensbundprinzip und der Protektionismus gehören, der Comment, die Standesordnung, die bei einzelnen Verbindungen sogar akribisch regelt, wie eine Randale durchzuführen ist und der Convent, die Versammlung der Mitglieder. Neben einem Abstecher in die Entstehungsgeschichte von farbentragenden und schlagenden Verbindungen, solchen mit politischem Anspruch und mit christlichem Gepräge wie dem katholischen Wingolf, dem sie nicht unkritisch gegenübersteht, ging Alexandra Kurth insbesondere auf die DB und deren Streit um den Abstammungsbegriff ein, der letztlich zur aktuellen Abspaltungsbewegung führte.

Sie begründete, dass "Rassismus und völkisches Denken in der Deutschen Burschenschaft", wie ihr Vortragstitel hieß, bis heute den Geist des Verbandes prägen und ihn weiter nach rechts abdriften ließen. Beleg dafür ist die Debatte um den völkischen Vaterlandsbegriff, der 1971 in die Verfassung der DB aufgenommen wurde und auch nach einer Neuinterpretation 2011 das deutsche Volk als Abstammungsgemeinschaft begreift.

Hintergrund der neuen Debatte war die Aufnahme deutscher Studenten mit Migrationshintergrund in die DB - ein Verstoß gegen das Abstammungsprinzip. Nachdem auch der Sonderparteitag in Stuttgart Ende 2012 dazu nicht zu einer Annäherung führte, soll dieses Jahr auf dem Burschentag in Eise nach ein Kompromissvorschlag diskutiert werden, der jedoch ebenfalls von rassistischen Kriterien geprägt ist. "Das ist ja Rassenideologie pur", kommentierte ihn ein Besucher.   

Alexandra Kurth beantwortete mehr als eine Stunde lang geduldig viele Fragen. Wird der DB durch den Verfassungsschutz beobachtet? Zwar gebe es viele Hinweise auf Rechtsex­tremismus, so die Referentin, doch bislang beantworte die Bundesregierung Fragen wie diese damit, dass die DB auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Wenn Organisationen nicht im Verfassungsschutzbericht genannt werden, bedeute das jedoch nicht gleichzeitig, dass sie nicht dennoch beobachtet würden, habe ihr einmal ein Verfassungsschützer gesagt, so die Referentin.

Sie selbst muss sich wegen ihrer kritischen Auseinandersetzung mit den Burschen nicht selten Beleidigungen von ihnen gefallen lassen, die zwar nicht zu deren Standesdünkel passen, jedoch viel über ihr antiquiertes Frauenbild sagen. Weil sie sich "als Frau" auch mit der Mensur, also dem Fechtkampf mit scharfen Waffen, beschäftigt, bellte es ihr eines Tages entgegen: "Wieso machen Sie das? Ich beschäftige mich doch auch nicht mit der Menstruation."