Murrhardt - Seit Sommer vergangenen Jahres patrouillieren regelmäßig Sicherheitsleute durch Murrhardt – in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag. „Die Ruhestörungen haben abgenommen, die Zahl der Beschwerdeanrufe auch“, sagt Bürgermeister Armin Mößner. Man führe darüber Buch. Das „subjektive Sicherheitsempfinden“ der Bürger habe sich verbessert.
Ähnliches berichtet Hans-Jörg Weinbrenner, Bürgermeister der Gemeinde Aspach, die sich ebenfalls seit einem Jahr einen Sicherheitsdienst leistet, der insbesondere Orte ansteuert, an denen sich Jugendliche gerne treffen. Weil die kritischen Plätze in der gut 8000 Einwohner zählenden Gemeinde so weit auseinanderlägen, habe man sich für einen professionellen Anbieter entschieden. Dank der Sicherheitsleute herrschten inzwischen weniger „Spannungen zwischen Benutzergruppen“, sagt Weinbrenner. Es habe beispielsweise einen Spielplatz gegeben, „da konnten sie mit kleinen Kindern gar nicht mehr drauf gehen“, weil Jugendliche ihn komplett mit Beschlag belegt hätten. Entscheidend für die Akzeptanz der Security-Leute sei ihr Auftreten, so Bürgermeister Weinbrenner: „Dorfsheriff-Allüren können wir hier nicht gebrauchen.“
Die „City-Streife“ trägt weder Knüppel noch andere Waffen
Jeweils zu zweit streifen die Mitarbeiter vom Protect-Security-Team (PST), einem Wach- und Sicherheitsdienst, durch das Murrhardter Bahnhofsviertel, den Stadtgarten, die Gassen der Innenstadt und vorbei an den etwas außerhalb gelegenen Schulen. Die Männer in den Jacken mit der Aufschrift „City-Streife“ tragen weder Knüppel noch sonstiges bei sich. „Unsere Waffe ist unser Mundwerk“, sagt PST-Chef Daniel Puskaric. „Die alten Türsteher-Klischees sind schon lange überholt.“ Puskaric beschäftigt momentan um die 30 Männer, die in Schwäbisch Hall, Künzelsau und Heilbronn Streife laufen, Firmengelände bewachen oder als Türsteher vor Discos die Gäste kontrollieren. Seine Leute würden regelmäßig geschult, „sie lernen, wie man mit Menschen umgeht – auch mit betrunkenen oder solchen, die unter Drogen stehen“. Außerdem müsse jeder, der bei ihm anfängt, außer einem polizeilichen Führungszeugnis einen Nachweis vorlegen, dass er am Unterricht für das Bewachungsgewerbe der Industrie- und Handelskammer (IHK) teilgenommen und die anschließende Sachkundeprüfung bestanden hat. In den 40 Stunden bei der IHK werden unter anderem rechtliche Fragen einschließlich im Umgang mit Waffen erörtert, es geht um das Verhalten in Gefahrensituationen und um Deeskalation.
Und trotzdem hatte die Murrhardter City-Streife kürzlich einen stadtbekannten Neonazi in ihrer Reihe. Bürger beschwerten sich, dass ein Rechtsextremer nächtens für ihre Sicherheit sorge. Die Polizei bestätigt, dass der Mann aktenkundig sei, wenngleich das einige Jahre zurückliege. Laut der Lokalzeitung soll sich der Mann SS-Stahlhelme und das White-Power-Embleme des Klu Klux Klans tätowiert haben, zudem T-Shirts mit den Namen rechter Bands tragen.
Neonazis hegen eine Vorliebe für die Branche
Nachts sei er mit Gleichgesinnten durch die Stadt gezogen, um zu schlägern. Seine alte Wohnung sei mit Reichskriegsflaggen dekoriert gewesen, was jeder habe sehen können, der am Fenster vorbeiging. Dass so jemand bei einer Securityfirma anheuert, ist nicht ungewöhnlich. Die Nähe zwischen Sicherheitsdienstleistung und Rechtsextremismus wird bereits seit Jahren in den Berichten der Landesverfassungsschützer thematisiert.
Wegen ihrer Affinität zu autoritäre Strukturen und zu martialischem Auftreten hegten Neonazis eine besondere Vorliebe für diese Branche. Im Skandal über ausbeuterische Arbeitsbedingungen bei Amazon rückte kürzlich auch die Sicherheitsfirma in den Fokus, die das Versandhaus beauftragt hatte: Hensel European Security (H.E.S.S.), deren Initialen kaum zufällig an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß erinnern.
Nach dem Gesetz darf jemand, der einer Partei oder Gruppierung mit verfassungsfeindlichen Zielen angehögt, nicht im Wachschutzgewerbe arbeiten.