Aufruf zur autonomen 1.Mai Demo in Oldenburg: „Hör mir auf mit Miete!“ Die Stadt gehört allen
Wahrscheinlich ist es der einen oder anderen Person schon aufgefallen – das Motto „Hör mir auf mit Miete“ der autonomen 1. Mai Demo 2013 in Oldenburg ähnelt inhaltlich doch ziemlich stark dem „Recht auf Stadt“ Aufruf aus dem Jahr 2010. Dies liegt nicht zwangsläufig an mangelnder Kreativität der Mottosuchenden. Vielmehr sind diese Parallelen dem Umstand geschuldet, dass die Verhältnisse für viele in Oldenburg und anderswo lebenden Menschen heute genauso oder gar deutliche beschissener sind als noch vor drei Jahren. Und wegen eben diesen ätzenden Verhältnissen wollen wir am 1. Mai gemeinsam auf die Straße gehen. Wir tun dies nicht, um zu jammern oder für ein (größeres) Stück des Kuchens zu betteln! Wir wollen auf die Straße gehen, um gemeinsam in solidarischen und emanzipatorischen Kämpfen die Beschissenheit der Verhältnisse hinter uns zu lassen, um Allen ein gutes Leben zu ermöglichen.
Recht auf Stadt – Was war das nochmal?
Um zu merken, dass sich stadtpolitisch in Oldenburg in den letzten Jahren ziemlich was getan hat, müssen Leute wahrlich keine Expert_innen für Stadtentwicklung sein. Meist reicht ein Blick aus dem Fenster, um zu erkennen, dass Einiges los ist. Es wird saniert, geputzt und gebaut als ginge es um die Wurst. Besonders deutlich zeigt sich dies im Bahnhofsviertel und am Hafen. Da sich aber die meisten Leute kein Fenster mit Ausblick auf die hübschen Segelschiffchen leisten können, tut es wahrscheinlich auch ein Blick auf den letzten Kontoauszug.
Neueren Studien zufolge geben bundesweit etwa ein Viertel aller Haushalte 40% ihres Nettoeinkommens alleine für die Miete aus. Eine Zahl, die sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt hat. Von dieser Entwicklung am stärksten betroffen sind vor allem arme, nicht-weiße, arbeitslose und alte Menschen.
Warum Menschen sich entweder keine Wohnungen abseits irgendwelcher Randbezirken leisten können oder zumindest aus ihren alten Wohnungen raus müssen, lässt sich im Bezug auf Oldenburg vor allem auf zwei Ursachen zurückführen: Zum einen gibt’s in Oldenburg einfach zu wenig Wohnungen - dies ist ein Fakt. Da ist es nicht verwunderlich, dass Oldenburg mit einem Lehrstandsrisiko von unter 1% als ein Paradies für Immobilienmarkler_innen und Vermieter_innen gilt.
Zum anderen wird, wenn dann mal die Bagger vor der Tür stehen, entweder ausgiebig saniert (was zur Folge hat, dass die Mieten steigen) oder gleich so gebaut, dass sich die Wohnungen eh kaum ein Mensch leisten kann. Das Ergebnis bleibt in seiner Konsequenz das Selbe: Von der Aufwertung bestimmter Stadtteile profitieren einige Wenige, wohingegen Andere aktiv verdrängt werden. Was zählt, bleibt die ökonomische Verwertbarkeit der Mieter_innen. Wer viel Kohle hat, darf nicht nur bleiben, sondern wird bewusst durch bescheuerte Großprojekte wie den „Alte Stadthafen“ angelockt. Wer wegen Hartz 4, Leiharbeit, niedrigen Löhnen oder sonstigen prekären Lebensumständen am Existenzminimum rumkrebst, hat natürlich nichts zu melden.
Dass auch Freiräume von der oben beschriebenen Verwertungslogik natürlich nicht ausgenommen sind, zeigt sich ganz aktuell an der Wagenburg. Diese muss dem „Alten Stadthafen“ weichen und auf ein Gelände irgendwo am Ende der Welt ziehen. Einer ähnlichen Zukunft blickt auch der Punk-A-Platz auf der anderen Hunteseite entgegen. Zwar müssen sie statt einem Schicki-Wohnprojekt einer Industrieanlage weichen, die Konsequenz bleibt aber die Gleiche: Sie müssen weg.
Auch das zwei Jahren besetzte „Haus Friedensbruch“ scheint für Immobilienmarkler_innen wieder an Interesse gewonnen zu haben, zumindest hat es seit Januar diesen Jahres einen neuen „Eigentümer“, welcher so schnell wie möglich sanieren und die Besetzer_innen raus haben will. Inwiefern ihm dies gelingen wird, ist jedoch ziemlich fragwürdig, vor allem im Anbetracht der Tatsache, dass das „Haus Friedensbruch“ zu einem zentralen Bezugspunkt für ziemlich viele Menschen geworden ist, die einer Räumung wohl nicht tatenlos beiwohnen werden.
Wir sind uns durchaus darüber im Klaren, dass sowohl die Erkämpfung als auch die Verteidigung von Freiräumen wie besetzten Häusern etwas ganz anderes ist als die oftmals existenziellen und isolierten Kämpfe um eine vernünftige Bleibe. Dennoch halten wir die Kämpfe um Freiräume für einen notwendigen Schritt in die Richtung besseres Leben für Alle. Freiräume bieten eine Möglichkeit, gemeinschaftliches Leben neu auszuhandeln und zu gestalten. Sie bieten einen Raum, um Widerstand zu organisieren. Dass auch Freiräume keine luftleeren Räume abseits von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen sind, ist uns durchaus bewusst, aber sie ermöglichen dennoch einen Rahmen uns kritisch mit eben diesen auseinander zu setzen und gemeinsam Wege zu suchen, diese zu überwinden.
Als wir dachten es geht nicht schlimmer
Wie bereits oben beschrieben, hat sich in Sachen Stadtumstrukturierung für ziemlich viele Leute ziemlich viel zum deutlich Schlechteren entwickelt. Dies macht Protest dagegen absolut notwendig. Gleichzeitig ist es aber auch unumgänglich sich daran zu erinnern, dass es Menschen gibt, für die eine freie Wohnortswahl nicht mal theoretisch möglich ist. Der Grund dafür liegt in einer Vielzahl rassistischer Sondergesetze, institutionalisiert von der herrschenden Klasse und getragen von einer schweigenden oder gar offen zustimmenden Masse.
Seit Jahrzehnten kämpfen Geflüchtete gegen diese rassistischen Zustände. Eine der zentralen Forderungen war, ist und bleibt das Ende der entrechtenden und isolierenden Lagerunterbringung. Die Asylbewerber_innenheime, von denen es in Oldenburg zwei gibt, haben mit einer selbstbestimmten und menschwürdigen Unterbringung herzlich wenig zu tun.
Generell bedeutet Recht auf Stadt für uns mehr als eine bezahlbare Wohnung in schicker Lage. Recht auf Stadt bedeutet für uns, dass Menschen unabhängig ihres Einkommens an öffentlichen Orten rumhängen können, weil ständiger Konsum von irgendwelchem unbezahlbaren Quatsch nicht zur existenziellen Voraussetzung gemacht wird. Recht auf Stadt bedeutet für uns, dass Frauen*Lesben*Inter* - und Trans* sich entspannt in der Stadt bewegen können, ohne von sexistischen, homo- und transphoben Scheißverhalten belästigt zu werden. Recht auf Stadt bedeutet für uns, dass Menschen sich ohne Sorge vor alltäglichem und/oder institutionellem Rassismus durch bspw. rassistische Polizeikontrollen oder Residenzpflicht in der Stadt bewegen können. Recht auf Stadt bedeutet für uns, dass wir aktiv dafür sorgen, dass Nazis, sei es im Alltag oder bei Aufmärschen, mit Widerstand zu rechnen haben.
Lasst uns am 1. Mai gemeinsam auf die Straße gehen - nicht nur um für unser Recht auf Stadt. Lasst uns für ein gutes Leben für Alle kämpfen. Lasst uns dabei all die anderen emanzipatorischen Kämpfe die uns umgeben, global und lokal, nicht aus den Augen verlieren. Lasst uns von ihnen lernen, lasst uns mit ihnen zusammenkommen und uns organisieren.
Lasst uns Kämpfen, bis die Scheisze besser wird. Für ein herrschaftsfreies Leben!
1 Mai 2013 - 13 Uhr - Oldenburg - Kaiserstr./HBF