[RMK] Laut gegen rechte Gewalt! - Aktionen zum 2. Jahrestag des rassistischen Brandanschlages in Winterbach

Demo

Am vergangenen Samstag, den 6. April, fand anlässlich des 2. Jahrestages des Winterbacher Mordversuches eine Demonstration mit anschließendem Vortrag und Konzert statt. Im Folgenden ein auführlicher Bericht.

 

Vor 2 Jahren hatte am 10. April eine ca. 30-köpfige Gruppe Faschisten eine Hetzjagd auf 9 junge Migranten gemacht. Im Zuge dieser Jagd zündeten mehrere Neonazis eine Gartenhütte an, in welche sich 6 der Angegriffenen geflüchtet hatten.

 

Im ersten Prozess anlässlich dieses 6-fachen Mordversuches wurden jedoch nur 2 Faschisten wegen Körperverletzung zu 2 ½ Jahren Haft verurteilt, wovon sie schon eines in U-Haft verbracht hatten und somit mittlerweile kurz vor der Entlassung stehen.

 

Auch in dem am 18. April endenden 2. Prozess erscheint eine Verurteilung unwahrscheinlich, da die Ermittlungen von Beginn an fahrlässig angegangen wurden. Beispielsweise kamen Brandsachverständige erst 10 Tage nach dem Vorfall an den Tatort und es wurde nicht von allen anwesenden Faschisten die Personalien festgestellt.

 

 

Demonstration

 

Aus diesem Anlass hatte die Initiative Rems-Murr Nazifrei, die Antifaschistische Jugend und andere in der Initiative tätige Organisationen zur Demonstration aufgerufen.

 

Am Samstag versammelten sich daraufhin um 14 Uhr an die 200 Personen auf dem Schorndorfer Bahnhofsvorplatz. Von dort zog die Demonstration entlang der Bahngleise, um an den Ort, wo 2001 ein Faschist, welcher im Winterbacher Anschlag ebenfalls wieder vor Gericht steht, einen Griechen beinahe Totgeschlagen hatte, zu gelangen. Der DGB Schorndorf hielt daraufhin eine Rede, in welcher noch einmal auf die Ursachen und Unterstützer faschistischer Kräfte von gestern und heute hingewiesen wurde.

 

Anschließend zog die Demonstration weiter zu der Schreinerei einer faschistischen Familie.

Auf dem Weg dorthin posierte ein Angestellter des Marktkauf mit einer SS-Totenschädeltätowierung während seiner Zigarettenpause am Wegrand. Das Einschreiten mehrerer Antifaschisten führte schließlich dazu, dass sich der Faschist wieder auf den Weg zurück zu seiner Arbeit machte.

Als die Demo anschließend die Schreinerei erreichte, wurde sie bereits von einem großen Polizeiaufgebot empfangen, welches die Schreinerei weiträumig, entgegen vorheriger Absprachen, absperrte. Anlass bot dafür, laut Polizei, dass in der Nacht auf Samstag das Gebäude mit mehreren Farbbeuteln beworfen worden war, was auch immer noch gut erkennbar war.

 

Anschließend wurde vom Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region eine Rede gehalten, in welcher an die faschistischen Konzerte in der Schreinerei und die Verstrickungen der Familie in rechte Strukturen hingewiesen wurde. Beispielsweise war die Tochter der Familie Gastgeberin der faschistischen Party, in deren Folge es zu dem Brandanschlag kam.

 

Die Demonstration zog daraufhin in die Innenstadt, wo zwischen Rathaus und Kirche eine weitere Zwischenkundgebung stattfand. Auf dieser sprach ein Vertreter der Initiative zu dem Extremismusunsinn, welcher in unserem Kreis auch seine Verbreitung fand. Unter anderem wurde kritisiert, dass sämtliche BürgermeisterInnen eine Erklärung unterschrieben hatten, „in welcher man sich sowohl von Rechts- als auch von Linksextremisten distanzierte“.

Der Sprecher betonte, dass diese unsinnige Gleichsetzung mittlerweile sogar von der evangelischen Kirche abgelehnt werde, da sie die Arbeit gegen Rechts erschwere.

Im Anschluss an die Rede kam es zu einer Solidaritätsbekundung aus einem Wohnhaus, aus welchem, nachdem zuerst mit einem roten T-Shirt aus dem Fenster gewedelt wurde, „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ ertönte.

Nachdem das Lied endete und die DemonstrantInnen sich mit Applaus für den Zuspruch bedankten, zogen sie weiter in Richtung Manufaktur.

Nachdem die DemonstrantInnen den restlichen Weg durch einen kleinen Sprint verkürzten, erreichte die Demonstration kurz vor 17 Uhr ihren Abschlusskundgebungsort.

 

Dort sprach ein Vertreter der MLPD, welcher an die durch die Tat erlittenen Traumatisierungen und die Verstrickungen des Staates in den Terror der NSU erinnerte.

Die letzte Rede des Tages erfolgte daraufhin von der AJRM, wobei deren Sprecher betonte, wie wichtig es ist sich selbst zu engagieren und dem staatlichen Antifaschismus mit Misstrauen zu begegnen (Wortlaut s.u.).

 

Zwar waren auf der Demonstration insgesamt weniger Personen als auf dem „Laut gegen rechte Gewalt“-Wochenende letztes Jahr, jedoch waren wieder junge und ältere Personen aus dem Kreis, sowie aus dem Umland anwesend.

Inwieweit diese Verringerung der Teilnehmerzahl auf die Ferien zurückzuführen war, können wir nicht abschließend bewerten. Allerdings bleibt festzuhalten, dass es gelang, der Demonstration einen wesentlich organisierteren Ausdruck zu verleihen.

Mit einem Hochtranspi konnte unsere Stellung zu faschistischen Verbrechen deutlichen gemacht werden (Kein Vergeben – Kein Vergessen) und die einigermaßen strukturierten Reihen gaben ein kämpferisches Bild wieder.

Hieran gilt es in Zukunft anzuknüpfen.

 

 

Vortrag und Konzert

 

Im Anschluss an die Demonstration referierte Tim Haller von der Initiative Rems-Murr Nazifrei zum Winterbachprozess, wobei er auf die Verbindungen der faschistischen Szene, sowie die Entwicklungen des Prozesses einging und zum Ende eine größere Diskussion einleitete.

 

Hierbei wurden unter anderem immer wieder die Rolle der staatlichen Organe kritisiert und offen das Verbot des Verfassungsschutzes gefordert. Zudem wurde kritisiert, dass ein Faschist zum zweiten Mal in ein Aussteigerprogramm aufgenommen wird und dafür schon wieder Hafterleichterungen bekommen soll.

 

Im Anschluss daran begann das Konzert mit den Bands Dirt Effect, External Struggle, Supermihl & Superfriends und Merry Judge, bei welchem sich nochmal über 200 Gäste einfanden, um bis in die späten Abendstunden hinein zu feiern. Im Vorraum befanden sich Infostände der MLPD und von den Beobachtern sowie ein Tisch mit allgemeinen antifaschistischen Informationen, wie auch dokumentierende Plakate über Aktionen der AJRM. Hierbei kam es des öfteren zu interessanten Gesprächen mit Konzertbesuchern.

 

Das Konzert und der Aktionstag endeten daraufhin, etwas verfrüht, gegen 24 Uhr. Woraufhin noch einige Bandmitglieder und Freunde derer im Hof weiterfeierten.

 

Ausstellung

 

Am 9. April fand noch anlässlich des Jahrestages eine Veranstaltung der Agenda21, unter dem Motto „Migranten in öffentlichen Berufen? Na Klar!“, statt. Trotz oder gerade wegen dieses verfehlten Themas war die Initiative Rems-Murr Nazifrei mit einer Ausstellung präsent, sowie mit einem Flyer, welcher auf die richtige Art zu Gedenken hinwies.

 

Unter anderem hieß es dort, dass wir (Rems-Murr Nazifrei) es für nötig halten, „mit öffentlichen Aktionen auf das Grundproblem rechter Umtriebe hinzuweisen: auf Rassismus und gesellschaftliche Reaktionen voller Gleichgültigkeit und Toleranz.“.

 

Mit dieser Ausstellung und dem zugehörigen Flyer gelang es der Initiative, im Gegensatz zur Veranstaltung, auf den eigentlich wichtigen Punkt des Tages hinzuweisen: eine Antwort zu finden auf die Frage, wie mit der faschistischen Gefahr in Deutschland umzugehen ist und wie wir uns am effektivsten gegen diese wehren können.

 

 

Fazit

 

Die Demonstration konnte in Schorndorf wieder einmal ein großes Publikum erreichen.

Den gesamten Tag über erlebten wir Zuspruchsbekundungen von PassantInnen, HausbewohnerInnen oder direkt im Gespräch mit anderen Personen.

 

Im Vortrag konnten wir feststellen, dass immer mehr Personen die Rolle dieses Staates und seines scheinbaren Antifaschismus kritisch wahrnehmen. Das Bewusstsein, dass antifaschistische Gegenwehr aus der Gesellschaft kommen muss schien allgegenwärtig.

Zudem zeigte sich Interesse an den faschistischen Strukturen vor Ort und dem Einfluss der nationalistischen Band „Frei.Wild“, sowie dem Umgang mit derartigen Entwicklungen.

 

Insgesamt können wir, trotz der etwas geringen Teilnehmerzahl, von einem gelungenen Aktionstag sprechen. Wir schafften es zu informieren, aufzuwecken und gemütlich auszuklingen. Zudem konnten wir als Gruppe weitere Erfahrung in der Strukturierung von Aktionen gewinnen, sodass wir gestärkt in die Zukunft gehen.

 

*****Kein Vergeben - Kein Vergessen*****

*****Den antifaschistischen Widerstand organisieren*****

 

15. April 2013 Antifaschistische Jugend Rems-Murr

 

 

Redebeitrag der Antifaschistischen Jugend:

 

Liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen,

 

wir stehen hier heute, um an den 6-fachen Mordversuch von vor zwei Jahren zu erinnern.

Wir müssen erinnern um nicht zu vergessen. Nicht zu vergessen, dass dieser Mordversuch kein Einzelfall war und dass bis heute niemand die direkten Konsequenzen tragen musste ebenfalls kein Einzelfall ist.

 

Nach 2 Jahren wurden nur 2 Faschisten wegen Körperverletzung verurteilt. Bald werden diese schon wieder auf freiem Fuß sein und von dem zweiten Prozess ist ebenfalls keine Aufklärung zu erwarten.

Zwar schaffte es der ermittelnde Staatsanwalt sich in der Öffentlichkeit immer wieder als den für das Recht kämpfenden Juristen darzubieten, jedoch ließ er in der Ermittlung gewaltige Fehler zu.

Nicht einmal zeitnahe schaffte er Sachverständige an den Tatort und öffnete somit der Schlamperei Tür und Tor. So konnten sich die Beteiligen in den darauffolgenden Tagen noch in aller Ruhe absprechen.

 

„Nazis morden – Der Staat lädt nach“ so lautet das Motto einer antifaschistischen Kampagne zum Auftakt des NSU-Prozesses in München am 17. April. Dass dies nicht von ungefähr kommt, lässt sich an der finanziellen Förderung der faschistischen Szene durch sogenannte V-Männer erkennen. Bis zu 40 von ihnen waren im Thüringer Heimatschutz – der ehemaligen Kameradschaft des engeren Kerns des Netzwerks.

 

Auch im Winterbach-Prozess kam bei manchen der Verdacht auf, dass 'gewisse Dienste an einer Aufklärung kein Interesse' hätten, so der Opferanwalt Martinek. Unabhängig dieses spekulativen Verdachts können wir festhalten, dass die Ermittlungen beim Winterbacher Brandanschlag von Beginn an mehr als katastrophal waren. Hierzu gibt’s später im Vortrag mehr....

 

Die Frage ist nun, was wir für Schlüsse aus Ereignissen ziehen.

Sicherlich nicht den Kopf in den Sand stecken und an diesem Staat verzweifeln.

Nein, sicher nicht.... Für uns müssen diese Ereignisse ein Weckruf sein.

Ein Weckruf dafür, dass wir nicht einem Staat die Organisierung unseres Zusammenlebens in die Hand legen sollten, sondern dass wir selbst daran sind zu reagieren. Wir dürfen unsere Umwelt nicht nur auf uns Einfließen lassen, sondern müssen selbst auf sie einwirken.

Einwirken in dem Sinne einer Prägung für soziale Gemeinschaft und internationaler Solidarität.

 

Diese Arbeit kann und wird uns dieser Staat nie abnehmen. Wir selbst sind dafür verantwortlich dafür zu sorgen, dass rassistische und faschistische Ideen keinen Platz mehr finden.

Dies geht vom Einschreiten gegen Stammtischparolen hin zu Aktionen wie heute. Mit dieser Kraft von heute muss es in den alltäglichen Auseinandersetzungen weiter gehen.

Weiter dorthin wo wir merken, wie über Islamkritik Stimmung gemacht wird,

wo wir erleben wie eine Ausländerkriminalität hochbeschworen wird,

wo wir merken, welche Klischees vorherrschen.

 

Erst jüngst zeigten sich diese in Waiblingen, als einzelne Gewerbetreibende Druck gegen ein geplantes Flüchtlingsheim machten, da sie steigende Kriminalität in Form von Rauschgiftdelikten und Vergewaltigungen erwarteten.

Eine Begründung legten die Kritiker hierfür jedoch nicht vor, sondern bedienten sich lieber klar rassistische Ressiments gegenüber Migranten.

 

An solchen Punkten gilt es für uns anzusetzen, zu informieren über die Situationen der Menschen und zu verstehen, wie platt die rassistische Propaganda daher kommt.

 

Hierfür gilt es uns selbst zu organisieren. Den vielfachen einzelnen Widerstand zu vereinen und kollektiv einzutreten für eine Welt, in der Menschen nach ihrer Art und nicht nach ihrer Rolle beurteilt werden. Für eine Welt, in der Konflikte sozial gelöst werden und für eine Welt, in der diese elendigen verflixten Rituale einer vorderen Zeit aufhören.

 

Für eine Welt ohne Krieg und Faschismus!

Kein Raum und keine Toleranz dem Menschenhass!

 

Hoch die internationale Solidarität!

 

 

 

Bilder: Beobachter News