Das blutige Ritual der rechten Schüler

Nach dem Kampf wird mit Bier angestoßen. Beide „Paukanten“ haben schwere Verletzungen an Armen und Oberkörper.
Erstveröffentlicht: 
07.04.2013

„Pennale Mensur“ in Rotherbaum - Das blutige Ritual der rechten Schüler

Eine rechtsextremistische Burschenschaft hetzt 16- und 17-jährige Jungs aufeinander. Ohne Pardon greifen sie den Gegner mit Säbeln an – bis die Funken sprühen, die Haut platzt, das Blut spritzt. Die sogenannte „pennale Mensur“: ein martialisches Ritual, von dem man annehmen sollte, es gehöre längst vergangenen Zeiten an. Weit gefehlt, es geschah am Sonnabend. Schauplatz: eine Villa in Rotherbaum.


Mit diesen stumpfen Säbeln wird bei der "pennalen Mensur" gefochten. Der Kopf der "Paukanten" wird durch einen Helm geschützt.

Dass es „schlagende“ Verbindungen gibt, deren studentische Mitglieder versuchen, einander „Schmisse“ im Gesicht beizubringen – davon hat jeder schon gehört.

Aber hier war eine Pennäler-, also Schüler-Burschenschaft Veranstalter: „Chattia Friedberg zu Hamburg“ ist ihr Name. Eine Organisation, die dem Hamburger Verfassungsschutz wohlbekannt ist – als rechtsextremistisch. Und jeder, der dort Mitglied sein will, muss sich martialischen „Mutproben“ stellen.

„Hatz“, so werden die Kämpfe genannt. Stattgefunden haben sie im Haus der ältesten Hamburger Studentenverbindung „Germania Königsberg zu Hamburg“ an der Heimhuder Straße. Mitglieder der „Chattia Friedberg“ trafen dort auf Vertreter der „Gymnasialen Burschenschaft Germania“ aus Kiel. Wie viele Zweikämpfe es gab? Wie viele junge Männer hinterher reif fürs Krankenhaus waren? Unbekannt. Denn alles fand hinter verschlossenen Türen statt. Manchem Teilnehmer war es sogar schon zu viel, dass Journalisten vor dem Haus standen: Es kam zu tätlichen Angriffen auf Fotografen. Die Polizei musste einschreiten.


Schauplatz der Kämpfe: Das Verbindungshaus der Burschenschaft „Germania Königsberg zu Hamburg“ an der Heimhuder Straße. Weil die „Chattia Friedberg“ kein eigenes Gebäude besitzt, wurden hier offenbar Räume genutzt.

Was drinnen vor sich ging, gehorchte einer uralten Regel: der so genannten „Linzer Pauk- und Ehrenordnung“. Jeder Kämpfer – hier heißt er „Paukant“ – hat dabei einen Sekundanten an seiner Seite. Der Säbel ist stumpf, der Kopf durch einen schweren Helm geschützt. Der Oberkörper und die Arme aber sind frei – und schon bald blutüberströmt.

Niemand darf Schmerzen zeigen. Und jedes Wort, das während des Kampfes gewechselt wird, ist genau vorgeschrieben. Da heißt es nicht „Können wir mal unterbrechen?“, sondern: „Herr Unparteiischer, wir bitten um Bandagepause.“ Und ist der Verletzte versorgt, muss es heißen: „Herr Unparteiischer, wir danken für gehabte Pause und bitten um Fortgang.“ Am Ende ist derjenige Sieger, der am wenigsten Treffer davongetragen hat.

Wofür das alles? Um „Feiglinge und Dummschwätzer“ auszusortieren, wie die Burschenschaft „Chattia Friedberg“ auf ihrer Internetseite schreibt. Angeblich geht es um Ehre, Mut und Tapferkeit. Jedes Mitglied müsse wenigstens einmal den Säbel in die Hand nehmen, um zu beweisen, dass es wert ist, dazuzugehören.

Laut Hamburger Amt für Verfassungsschutz hat die Burschenschaft 30 Mitglieder. Darunter seien Personen, „die Beziehungen in die rechtsextremistische Szene unterhalten und für die NPD aktiv sind oder waren“.

Die „Chattia Friedberg“ schreibt von sich selbst: „Wir sind Patrioten. Wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein.“ Nach Überzeugung der Verfassungsschützer geht die Deutschtümelei aber weit über Patriotismus hinaus und hin zur Verherrlichung des Nationalsozialismus.

 


Burschenschaften

Burschenschafter – skurrile Typen, die seltsame Mützen und Bänder tragen und Traditionen des 19. Jahrhunderts pflegen. 300 Burschenschaften gibt es in Deutschland. Zuletzt gab es einen starken Rechtsruck. Im vergangenen Jahr kam es zur Spaltung: Liberale Burschenschaften traten aus, weil ihnen die Politik ihres Verbandes zu radikal war. Der Anlass: Nationalistisch-völkische Burschenschafter protestierten gegen einen Deutschen chinesischer Abstammung in einer Burschenschaft. Auch der Verband sah das so und forderte die Einführung einer Art „Ariernachweis“: Burschenschafter darf nur noch sein, wer deutsche Vorfahren hat – was stark an Hitlers Nürnberger Rassegesetze erinnert.