03.04.2013 / Inland / Seite 8
Ratsbeschluß in Marburg: Stiefelknallende Studentenverbindungen sind in der Stadt nicht erwünscht. Ein Gespräch mit Jan Schalauske
Interview: Gitta Düperthal
Auf Antrag der Fraktion »Marburger Linke« hat sich die dortige Stadtverordnetenversammlung einstimmig von der Deutschen Burschenschaft (DB) distanziert. Sie hat beschlossen, daß politische und öffentliche Aktivitäten studentischer Verbindungen, die diesem Dachverband angehören, in der Stadt unerwünscht sind. Warum war es notwendig, den Antrag zu stellen?
Debatten um die DB und deren Machenschaften gibt es seit Jahrzehnten, in den vergangenen zwei Jahren haben sie zugenommen. Sie ist am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums anzusiedeln; sie hält an rassistischen Aufnahmekriterien fest; sie akzeptiert einzig »deutschstämmige« Männer – unabhängig davon, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Es geht der DB lediglich um die »völkische« Abstammung. Das ist am Beispiel eines Mannheimer Verbindungsstudenten mit deutschem Paß deutlich geworden. Dessen Mitgliedschaft wollte die DB verhindern, weil er chinesische Eltern hat. Eine Bonner Burschenschaft hatte das mit seinem Aussehen begründet: Seine »Gesichtsmorphologie« entspreche nicht dem deutschen Volksbegriff. Mit der Zustimmung zu unserem Antrag zeigt die Stadtverordnetenversammlung der braunen Deutschen Burschenschaft die rote Karte.
Was ist den Burschenschaften noch vorzuwerfen?
Sie grenzen sich nicht zum neofaschistischen Lager ab; es gibt mit rechtsextremen Organisationen wie der NPD personelle und inhaltliche Überschneidungen. Der Chefredakteur einer DB-Postille, Norbert Weidner, hat es obendrein als »rein juristisch gerechtfertigt« bezeichnet, daß der Widerstandskämpfer gegen den Faschismus, Dietrich Bonhoeffer, im April 1945 hingerichtet wurde. In diesem Dachverband sind rund 100 Verbindungen organisiert, darunter die Wiener »Teutonia«, die noch immer vom »großdeutschen Reich« träumt. Mittlerweile haben sich einige Verbindungen abgesetzt, weil selbst ihnen der Verband zu rechtslastig geworden ist.
In Marburg gibt es jedes Jahr im Juli den Marktfrühschoppen – wird der nicht von den Burschenschaften als Propagandabühne genutzt?
Das zweistündige Fest gibt vor, für die Bürger und Studenten der Stadt dazusein. Aus unserer Sicht jedoch ist es ein Symbol für die äußerste Rechte des Verbindungswesens. Die DB mobilisiert für das Fest und tritt dort maßgeblich in Erscheinung. Die Debatte darum, ob es auch in diesem Jahr wieder stattfinden sollte, war für die Marburger Linke der Anlaß, den Antrag einzubringen. Wir begrüßen, daß auch die CDU-Fraktion ihm zugestimmt hat – bedauern allerdings, daß sie nicht die richtigen Konsequenzen daraus zieht. Sie will den Marktfrühschoppen weiter stattfinden lassen, obwohl er maßgeblich von Verbindungen der DB geprägt wird. Vor einigen Jahren hatten sich noch führende Politiker der Stadt daran beteiligt.
Wie haben sich die Stadtregierung aus SPD und Grünen und Oberbürgermeister Egon Vaupel (SPD) gegenüber diesen Machenschaften verhalten?
Wir begrüßen, daß Vaupel mit seinem administrativen Vorgehen dafür gesorgt hat, daß das Fest schon vergangenes Jahr nicht stattfinden konnte. Nun hat die Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der SPD, der Grünen und der Linken dafür votiert, daß das auch in diesem Jahr so gehandhabt wird. Lediglich die lokale CDU ist ausgeschert, obwohl sie versucht, einen Kontrapunkt zu ihrem Landesverband zu setzen, der sich immer wieder als rechtskonservativer Kampfverband erweist.
Man denke an die ausländerfeindliche Kampagne des ehemaligen Ministerpräsidenten Roland Koch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft oder die Äußerungen des Hans-Jürgen Irmer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. In einer Gazette, die er in Wetzlar herausgibt, hetzt er gegen Linke und Muslime. Zum Verbindungswesen hat er gute Kontakte. Auch die Marburger CDU spricht im Zusammenhang mit Protesten gegen den Marktfrühschoppen von »Berufsdemonstranten« und »Linksextremisten« – und verunglimpft so ausgerechnet diejenigen Demokraten, die diese rechte Szene seit Jahren kritisieren und bekämpfen.