[Winterbach] 'Sie waren auf eine Klopperei aus'

Erstveröffentlicht: 
27.03.2013

Winterbach-Prozess. Wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung fordert der Staatsanwalt für die Angeklagten des Brandanschlags Haftstrafen von bis zu knapp drei Jahren. Von Kathrin Wesely

 

Geht es nach dem Staatsanwalt, kommt keiner der zwölf Angeklagten im Winterbach-Prozess ungeschoren davon. Marcus Höschele forderte gestern mitunter empfindliche Haftstrafen für die Beteiligung an dem fremdenfeindlichen Überfall vom 10. April 2011 in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) auf neun junge Männer mit ausländischen Wurzeln. Rund 70 Rechtsextremisten hatten im Freien auf dem Engelberg gefeiert und die Gruppe angegriffen, die auf dem Nachbargrundstück grillte. Fünf der Opfer flüchteten in eine Gartenhütte, die ihre Angreifer daraufhin in Brand setzten. Neben teils schweren körperlichen Verletzungen trugen die Opfer schwere seelische Schäden davon, was ihr Leben bis heute massiv beeinträchtigt.

Die Anklage, so Höschele, sei während der siebenmonatigen Hauptverhandlung 'im Großen und Ganzen bestätigt' worden. Es sei erwiesen, dass sich neun der Angeklagten der gemeinschaftlichen gefäh­­rlichen Körperverletzung schuldig gemacht hätten und zwei weitere der Anstiftung dazu. Einer der Anstifter will beobachtet haben, wie die späteren Opfer gegen die geparkten Autos der Gäste traten. Er rief einen Kumpel auf der Party an, er solle Leute mobilisieren, was dieser tat. Ein grölendes Rollkommando setzte sich unter ausländerfeindlichen Parolen und Heil-Hitler-Rufen in Bewegung.

Der Staatsanwalt forderte insbesondere für diejenigen mit einschlägigen Vorstrafen bis zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Vergleichsweise glimpflich, mit Bewährungsstrafen von einem Jahr und sechs beziehungsweise zehn Monaten, sollen einer der beiden Anstifter sowie ein Pizzabäcker davonkommen, dessen Geständnis zum Prozessauftakt eine Schlüsselrolle zukam. Für die einzige angeklagte Frau im Verfahren, der Strafvereitelung vorgeworfen wird, forderte Höschele neun Monate. Sie soll einen der Angeklagten gedeckt und sich selbst damit entlastet haben.

Außer Frage steht für den Staatsanwalt, dass es sich bei dem Überfall um eine gemeinschaftliche vorsätzliche Tat gehandelt hat, woraus er juristisch folgert, dass die Einzeltaten nicht bestimmten Personen zugeordnet werden müssen. Auch sei die Absicht der Gruppe, die sich aus der Partygesellschaft löste, um zum Nachbargrundstück aufzubrechen, völlig klar gewesen: 'Es ging darum, eine Klopperei anzufangen.'

Auf diesen Aspekt legte auch der Rechtsanwalt Walter Martinek das Augenmerk. In seinem Plädoyer erinnerte der Opferanwalt an zwei Zeugenaussagen. Demnach soll eine junge Frau daran gehindert worden sein, mitzukommen mit dem Hinweis, sie sei dafür noch zu jung. Und ein weiterer Zeuge hatte berichtet, er habe kehrtgemacht, weil er schon eine Vorstrafe habe. Allen, die zum Nachbargrundstück aufbrachen, sei bewusst gewesen, dass es um eine gemeinsame Straftat gehe.

Die Opfer würden sehr bedauern, dass die Brandstifter auch in diesem zweiten Prozess nicht entdeckt wurden - was allerdings auch nicht Aufgabe des Gerichts gewesen sei, sagte Martinek. Seine Mandanten hegten den Verdacht, dass 'gewisse Dienste an einer Aufklärung kein Interesse' hätten. Die Bemerkung spielte auf die Hypothese an, dass die rechte Partygesellschaft von V-Leuten unterwandert gewesen sei - eine Annahme, die einige Verteidiger teilen. Immerhin, so Martinek, sei im Zuge der Beweisaufnahme das Geschehen umfassend aufgeklärt worden.

Beigetragen haben dazu auch die Geständnisse der Angeklagten, waren sie auch schütter und kamen recht spät. Doch zu einer Entschuldigung habe sich keiner von ihnen durchringen können, wie Michaela Spandau in ihrem Plädoyer betonte.

Mit Blick auf den gesamten Prozess resümierte Spandau, dieser habe die Antwort auf eine häufig gestellte Frage geliefert: Warum harrten die Opfer in der brennenden Hütte aus? Die Mitschnitte ihrer Notrufe und nicht zuletzt die Aussagen der Angeklagten hätten vor Augen geführt, warum diese fünf Männer die Schläger draußen mehr fürchteten als die Flammen. 'Ich war wie im Blutrausch', zitierte Spandau den Pizzabäcker. Am Donnerstag werden die Plädoyers fortgesetzt.