Weiterer NPD-Funktionär war V-Mann: Behörden vermuten NSU-Kontakte

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Nach dem sächsischen NPD-Chef Holger Szymanski ist nun auch der ehemalige Landtagsabgeordnete Peter Klose aus Zwickau als V-Mann des Verfassungsschutzes aufgeflogen. Brisant an dem neuen Namen: Ermittlungsbehörden rechnen Klose ins NSU-Umfeld, er soll in Kontakt mit den mutmaßlichen Rechtsterror-Helfern André und Susann Eminger gestanden haben.

 

Worüber GAMMA Anfang Februar zuerst berichtete, gilt nun als bewiesen: Der aktuelle Vorsitzende des sächsischen NPD-Landesverbandes, Holger Szymanski, hat bis 2002 für das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) des Freistaates gespitzelt. Die Leipziger Volkszeitung (LVZ) verwies am Wochenende auf eine so genannte Entpflichtungserklärung, mit der die Zusammenarbeit im März 2002 beendet worden ist.

 

Das Formblatt trägt die Unterschrift Szymanskis, vergattert die ehemalige Quelle zum Stillschweigen über die bisherige Zusammenarbeit und belehrt ihn über die Gefahr bei Auslandsaufenthalten, bei denen die Dienste “nicht mehr für seine Sicherheit garantieren” können. Szymanski hatte seinen geheimen Staatsdienst spätestens 1998 begonnen, leugnet dies aber beharrlich. Nach dem jüngsten LVZ-Bericht bekräftigte der NPD-Spitzenfunktionär nochmals, er habe “zu keinem Zeitpunkt mit Geheimdiensten zusammengearbeitet”.

 

Teure Zwickmühle für Sachsens NPD-Chef


Ungewöhnlich ist, dass die ansonsten klagefreudige Partei bislang nicht juristisch gegen anderslautende Behauptungen in der Presse vorgegangen ist. Grund: Wie GAMMA aus Parteikreisen erfuhr, soll sich Szymanski weigern, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, die sein Dementi bekräftigen würde.

Mitte Januar, beim jüngsten NPD-Landesparteitag, war Szymanski nicht nur auf ausdrücklichen Wunsch des Parteichefs Holger Apfel zum Landesvorsitzenden bestimmt worden. Die Delegierten beschlossen außerdem, dass Mitglieder des Landesvorstandes mitteils eidesstattlicher Versicherung garantieren müssen, keine V-Leute zu sein, bei Zuwiderhandeln wird eine Strafe von 15.000 Euro fällig. Szymanski hat für diesen Antrag votiert. Er konnte kaum damit rechnen, knapp drei Wochen später wirklich als V-Mann aufzufliegen.

 

Danach hatte GAMMA in der internen Materialsammlung, die als Rumpf für einen kommenden NPD-Verbotsantrag dienen soll, weitere Indizien recherchiert, die auf Szymanski hindeuten. Im Gegensatz zu fast allen NPD-Funktionären in Sachsen fehlt sein Name komplett, ebenso von ihm verantwortete Pressemitteilungen der Landtagsfraktion und Berichte der Parteipresse. Eine naheliegende Erklärung: Die Materialsammlung soll “quellenfrei” sein.

 

Ex-NPD-Abgeordneter aus Zwickau war V-Mann


Der langjährige NPD-Funktionär Peter Klose aus Zwickau taucht in der Materialsammlung ebenfalls nicht auf. Wie jetzt bekannt wurde, ist auch das kein Zufall: Übereinstimmend berichten LVZ (Dienstags-Ausgabe) sowie DIE WELT online, dass Klose “bis Ende der 1990er Jahre” für den Verfassungsschutz gearbeitet haben soll. Wahrscheinlich ist, dass Klose, ähnlich Szymanski, auf die “Republikaner” angesetzt war. Der erste war dort stellvertretender Landesvorsitzender, der zweite betreute die REP-Landesgeschäftsstelle.

 

Später begegneten sie sich auf den Fluren des Landtages in Dresden: Klose gehörte von 2006 bis 2009 zur NPD-Fraktion, sein Nachrücker-Mandat verdankte er dem Abgeordneten Matthias Paul. Der hatte sein Mandat zurück- und alle Parteiämter aufgegeben, nachdem bekannt wurde, dass gegen ihn Ermittlungen wegen Besitzes und Verbreitens von Kinderpornografie geführt werden.

 

Klose machte im Landtag eine schlechte Figur. Unter anderem wurde er dort von einem Gerichtsvollzieher besucht, der Diäten pfänden wollte, weil Steuern für seinen Schäferhund “Adolf” nicht abgeführt wurden. Die Namenswahl erklärt sich so: Politisch gilt Klose als glühender Hitler-Verehrer. Deshalb und wegen seiner eingeschränkten rhetorischen Fähigkeiten war ihm von der eigenen Fraktion ein Redeverbot im Landtagsplenum auferlegt worden. Zur Landtagswahl 2009 erhielt er nicht einmal mehr einen Listenplatz. Am “Hitlergeburtstag”, dem 20. April 2011, ist er schließlich verärgert aus der NPD ausgetreten.

 

Klose wird dem NSU-Umfeld zugerechnet


Ermittlungsbehörden gehen heute davon aus, dass Klose zum Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) gerechnet werden muss. Sein Name steht laut Medienberichten auf einer kürzlich den Untersuchungsausschüssen zugeleiteten Namensliste, die vom Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zusammengestellt worden ist. Darauf verzeichnet sind 129 Personen, die den NSU teils direkt, teils über Mittelsleute unterstützt, der Terrorgruppe gar Personaldokumente zur Verfügung gestellt haben oder als sonstige “Kontaktpersonen” gelten. Auf der bisher bekannten “Hunderterliste” war Klose nicht verzeichnet.

 

Indizien, dass er von den NSU-Taten zumindest gewusst haben könnte, liegen aber seit langem vor: Auf “Facebook” nannte sich Klose “Paul Panther” und verwendete die entsprechende Comicfigur, die auch im NSU-Bekennervideo genutzt wird, als Profilfoto. Verstörend daran: Diese auffällige Anleihe nahm Klose, bevor der NSU im November 2011 aufgeflogen ist.

 

Mittlerweile haben Nachbarn des Gartengrundstücks von André und Susann Eminger in Zwickau Klose eindeutig wiedererkannt. Ermittler nehmen an, dass eine engere Bekanntschaft bestehen könnte zwischen Klose und dem Eminger-Paar, das den untergetauchten Neonazis u.a. Personaldokumente zur Verfügung gestellt haben soll. André Eminger wird daher ab Mitte April neben Beate Zschäpe und weiteren Unterstützern in München vor Gericht stehen.

 

Klose galt Mitte der 2000er Jahre als Unterstützer der Kameradschaft “Nationale Sozialisten Zwickau”, der auch André Eminger angehört haben soll. Als Klose während seiner Landtagszeit ein Büro in Zwickau unterhielt, fungierte es als Anlaufpunkt für die örtliche Neonazi-Szene. Ab 2007 war er Ansprechpartner für das militante Kameradschafts-Netzwerk “Freies Netz” (FN), dem er NPD-Gelder zugeleitet haben soll. Kontaktscheu war Klose freilich nie, ein Foto eines NPD-Infostandes zeigt ihn 2009 mit Tony Gerber, der zwei Jahre zuvor mit André Eminger und dessen Zwillingsbruder Maik eine klandestine, “saubere Kameradschaft” aufbauen wollte.

 

Bindeglied zur militanten Neonazi-Szene


Bei einer von Klose mitorganisierten Veranstaltung im Oktober 2008 traf sich eine gleichsam illustre “Gesprächsrunde”: FN-Mitgründer Thomas “Ace” Gerlach aus Altenburg, der zeitweise mit der mutmaßlichen NSU-Helferin Mandy Struck liiert war; dann sein Zögling Daniel Peschek von den “Nationalen Sozialisten Zwickau”; Mario Friso, führender Aktivist der “Partei National Orientierter Schweizer” (PNOS) und zeitweise Bandmitglied von “Kraftschlag”; schließlich das langjährige NPD-Bundesvorstandsmitglied Frank Rohleder, der heute in Chemnitz lebt. Zu dem Stelldichein hatte der NPD-Kreisverband Zwickau eingeladen. Der Kreisvorsitzende war kein geringerer als Klose.

 

Besagter Rohleder war übrigens, genau wie Szymanski und Klose, einst REP-Funktionär und brachte es zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Es sind drei eng verbundene, aber auch sehr ramponierte Karrieren:

 

Szymanski steht unter Rechtfertigungdruck, weil seine Dementis immer unglaubwürdiger werden und seine Karriere vor allem davon abhängt, ob Parteichef Holger Apfel dem überführten V-Mann weiter das Vertrauen aussprechen wird. Rohleder hatte unter Apfels Vorgänger Udo Voigt Karriere gemacht und unterstützt jetzt die innerparteiliche Opposition des “Freundeskreises Udo Voigt”, die den Bundesvorsitz zurückfordern will. Klose war zuletzt bei “Pro Sachsen”, einem Bündnis extrem rechter Splitterparteien samt weiterer NPD-Dissidenten, aufgefallen. Mittlerweile ist er wegen eines Hirnschlags gelähmt. Formal ist er noch immer Mitglied des Stadtrates in Zwickau.

 

Gut möglich, dass es zur einen oder anderen Personalie beim NPD-Bundesparteitag am übernächsten Wochenende ernsthaften Klärungsbedarf geben wird. Am 6. und 7. April will die Partei bis zu 400 ihrer Anhänger nach Lautertal bei Coburg (Bayern) holen. Einen Saal haben die Kameraden nicht gefunden, nur ein Zelt. Aufgeschlagen werden soll es auf einem Stück Brachland, das dem Sohn des früheren NSDAP-Bürgermeisters von Coburg gehört. Braunes Biwak auf Nazi-Scholle, das hätte Klose sicher gefallen.