Vom 16. - 23. März ist die Ausstellung "Märzkämpfe in Thüringen 1920" in Gotha. Zu Beginn fand am 16. März die Eröffnung mit einem Redebeitrag von Bernd Langer (KUK) statt, begleitend fand am 17. März eine Kundgebung vor der Post in Gotha statt. Danach sollte es auf dem Gothaer Hauptfriedhof mit einem Gedenken weitergehen was pompös mit Fahnen, einem Transparent, Blumen und einer kurzen Rede von Bernd stattfinden sollte. Doch soweit kam es nicht...
Ausstellungseröffnung 16. März
Kurz nach der Eröffnung um 17 Uhr fanden sich immer mehr Menschen im Gewerkschaftsladen ein. Kurz vor 17:30 Uhr war der Laden voll und fast alle Sitzplätze belegt. Es konnte losgehen mit dem Vortrag über die Geschehnisse rund um den Kapp-Putsch in Thüringen von Bernd Langer. Kurz vor 19 Uhr war der Vortrag mit großem Beifall beendet. Nach einer kurzen Diskussionsrunde war der durch und durch runde Abend dann zuende.
Kundgebung vor der Post 17. März
Gegen 13 Uhr versammelten sich 32 Menschen vor der Gothaer Post, an der am 17. März 1920 eine menge Menschen, welche es geschafft haben einen Arbeiter vor der Verhaftung zu schützen, von Reichswehr Soldaten mit einem MG Geschütz erschossen wurden. Ein Genosse der VvN/BdA Basisgruppe Gotha hielt eine 20 Minuten anhaltende Ansprache und Blumengebinde wurden abgelegt. Weitergehen sollte es auf dem Gothaer Hauptfriedhof mit einer Gedenkveranstaltung.
Doch bevor es weitergehen sollte wurde der Versammlungsleiter von der Polizei angesprochen das während der Versammlung Straftaten wahrgenommen wurden. Gemeint war damit die angebliche Vermummung einzelner. Der anwesende Polizist gab uns auch gleich zu erklären das unsere Gedenkveranstaltung am Hauptfriedhof so auch nicht passieren dürfe. Nach langer Diskusion meldeten wir eine spontane Kundgebung auf dem Hauptfriedhof an, welche aber nur ohne Transparente passieren dürfte. Grund dafür ist angeblich, dass wir uns mit dem Transparent vorbereitet hätten und es somit nicht Spontan geschehe. Was natürlich völlig aus der Luft gegriffen ist, da dem Polizisten ja Aufgefallen sein dürfte, dass wir benanntes Transparent bei der vorherigen Kundgebung schon benutzt haben. Die Veranstaltung auf dem städtischen Gelände war zuvor mit der Friedhofsverwaltung abgesprochen und erlaubt worden. Demgegenüber verlangte die Polizei plötzlich eine schriftliche Anmeldung. Letztendlich diente dies zur Schikane und Unterbindung der antifaschistischen Initiative.
Zensierte Gedenkveranstaltung am Hauptfriedhof 17. März
Gegen 14 Uhr trafen alle Personen welche sich schon vorher an der Kundgebung an der Post beteiligt hatten auf dem Hauptfriedhof ein. Kurz darauf sagte der anwesende Polizist das unsere Kundgebung nun doch nicht genehmigt sei. Bernd Langer (KUK) welcher eine kurze Rede halten wollte, wurde der Mund verboten bis ein entsprechender Oberpolizist am Ort des Geschehens eintreffen würde. Wir warteten rund eine halbe Stunde in Schnee und Kälte, bis endlich ein weisungsbefugter Oberpolizist den Weg fand. Es ist vielleicht zu erwähnen das unsere Aktion wohl kaum länger als 15 Minuten gedauerte hätte, es war lediglich daran gedacht, nach einer kurzen Ansprache, Blumen und Gebinde niederzulegen!
Schlussendlich wurde angeordnet, das wir ohne Fahnen und Transparente den Redebeitrag halten könnten. Allerdings mit der Auflage, dass die Polizei die Rede jederzeit unterbrechen würde, wenn ihr der Inhalt nicht gefiele! Die Meinungsfreiheit wird also in Gotha von der Polizei durchgeführt, was ihr nicht passt, darf nicht gesagt werden. Wer wird denn da gleich von Polizeistaat sprechen!
Natürlich haben wir die Veranstaltung unter solchen Bedingungen nicht stattfinden lassen können. Bereits bevor der Oberpolizist eingetroffen war, legten wir unsere Nelken und Blumengebinde ohne Worte ab, und verliessen nach einer kurzen Abstimmung unter den Anwesenden, den Friedhof. Gründe für diese gemeinsame Entscheidung war, dass wir kein Ehrenvolles Gedenken durchführen können während wir uns von einem repressiven Polizeistaat vorschreiben lassen wie wir Gedenken.
Da wir unsere Aktion filmen wollten, lief die ganze Zeit eine Videokamera mit und hat das Geschehen dokumentiert. Sobald die Filme zusammengeschnitten und im Netz hochgeladen sind, wird sich jede/r von der Richtigkeit der Schilderung überzeugen können.
Wir dürfen nicht zulassen das die Polizei bestimmt was gesagt, gedacht und gemacht werden darf.
Polizeistaat heißt Faschismus!
Trotz alledem geht die Ausstellung noch bis zum 23. März im Gewerkschaftsladen in Gotha weiter.
Hier die zensierte Rede vom Hauptfriedhof:
Wir standen gerade vor der Post in Gotha. Einem Ort, an dem am 17. März 1920 Menschen durch die MG-Salven von Regierungstruppen niedergeschossen wurden. Hier starben zufällige Opfer.
Dennoch gaben die Toten und Verwundeten vor der Post das Fanal für die Kämpfer, die ihre Waffen aus den Verstecken holten und Reichswehr, Sicherheitspolizei und die Gothaer „Sturmkompanie“ angriffen, welche die Stadt seit Tagen besetzt hielten. Zunächst erfolgte der Angriff der linken Arbeiter in einer spontanen Aktion, die scheiterte. Doch seit dem 16. März war der Truppenübungsplatz Ohrdruf in den Händen der Revolutionäre, die dort die „Thüringische Volkswehr“ formierten. In den frühen Morgenstunden des 18. März traten die Einheiten der „Thüringischen Volkswehr“ mit ihrer geballten Macht zum Angriff auf Gotha an. Zwei Tage und eine Nacht dauerten die erbitterten Straßen- und Häuserkämpfe um die Stadt, in denen auch Geschütze und Panzerwagen zum Einsatz kamen. Schließlich siegten die Revolutionäre über Militär und Polizei – doch 120 Aktivisten fielen im Kampf.
Nicht als Opfer, sondern als bewusste Kämpfer für ihre Sache.
Wer waren diese Aktivisten? Sie lebten unter armseligen Verhältnissen in einer durch Klassenunterdrückung und Entrechtung geprägten gesellschaftlichen Realität. Wer Arbeiter war, blieb Arbeiter – es gab kein Entrinnen aus dieser Realität – einzig, es gelang die kapitalistische Klassengesellschaft zu überwinden. Als Mittel galt der Klassenkampf – der Kampf um die Menschenrechte. In Deutschland geführt von der Sozialdemokratie, die ideologisch in marxistischen Vorstellungen verwurzelt war. Doch mit Beginn des I. Weltkrieges 1914 verriet die SPD ihren antimilitaristischen Standpunkt. Die Wahrer der alten sozialdemokratischen Werte sammelten sich in der USPD, andere, weitaus radikalere Vorstellungen orientierten sich am bolschewistischen Revolutionsmodel, mit dem Lenin im November 1917 in Russland die Macht übernahm.
Mit dem Sturz der Monarchie in Deutschland im November 1918 endete endlich der I. Weltkrieg und die Zeit des Sozialismus schien für viele gekommen.
Doch nun stand die Idee einer bürgerlichen, parlamentarischen Demokratie dem Modell einer Räterepublik entgegen. Das eine bedeutete, weiterhin den Kapitalismus zu erhalten, das andere versprach, die Klassenherrschaft endgültig zu beseitigen.
Die Spannungen eskalierten zwischen 1918 – 1921 in einem nicht erklärten Bürgerkrieg, der unter der politischen Verantwortung der SPD gegen die revolutionären Bewegungen geführt wurde. Ein Klassenkrieg, der weder große Schlachtfelder kannte noch heroische Episoden. Er glich mehr einem ständig glimmenden Schwelbrand, von einem Ort zum anderen, der nur als lokale Geschichte vermerkt wurde, nicht als Großereignis.
Seinen Höhepunkt fand diese Auseinandersetzung mit dem Ende des Kapp-Putsches 1920. Zu diesem Zeitpunkt glaubte die radikale Linke, die Räterepublik noch einmal auf die politische Tagesordnung setzen zu können. Die Lage steigerte sich an verschiednen Orten zum bewaffneten Aufstand. Im entmilitarisierten Ruhrgebiet gelang es den spontan entstehenden Einheiten einer Roten Ruhrarmee, für kurze Zeit das Heft in die Hand zu bekommen, bis sie von Reichswehrtruppen blutig niedergeschlagen wurden.
Anders verliefen die Kämpfe in Halle und Gotha. Hier siegten die Revolutionäre und zogen sich militärisch ungeschlagen zurück. Freilich hatten sie die Revolution nicht durchkämpfen können. Doch was blieb, war das rote Herz Deutschlands: Mitteldeutschland und Thüringen. Hier waren Hochburgen der KPD und des antifaschistischen Widerstands.
Wir sind hier heute zusammen gekommen, um an die Kämpferinnen und Kämpfer jener Zeit zu erinnern. Sie starben für ihre Sache – und diese Sache hat durchaus mit dem Hier und Heute zu tun. Ganz einfach deshalb, weil die Geschichte der Menschheit die Geschichte des Kampfes um politische und soziale Gleichberechtigung ist. Mag der Weg dahin bisweilen auch von Irrtümern und Fehlern begleitet sein – im Kern geht es immer um diesen Prozess.
Was bedeutet, dass Politik ein Kampf um Macht ist – weshalb sich revolutionäre Politik inhaltlich an einem Kampf gegen „die Macht“ an sich orientieren muss, wenn das Ziel einer freien Gesellschaft erreicht werden soll. Und für dieses Ziel sind jene, die hier bestattet sind, letztendlich gefallen. Ihnen gilt unser Respekt, denn sie sind für eine Zukunft gestorben, für die wir auch heute noch kämpfen.
In diesem Sinne: Rotfront und Keine Macht für niemand!