Wedel will auch weiterhin weltoffen bleiben

Erstveröffentlicht: 
04.03.2013

Hunderte Bürger gedenken der Opfer der Bombennacht vor 70 Jahren – darunter auch viele junge Leute. Befürchteter Neonazi-Aufmarsch bleibt aus.

 

Wedel . Wedels Bürger haben klare Zeichen gesetzt und deutliche Worte gefunden für Frieden und Toleranz gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus. 350 Menschen aller Altersgruppen versammelten sich am Sonnabendmittag auf dem Rathausplatz, um der Bombardierung Wedels durch die Alliierten vor genau 70 Jahren zu gedenken, als 37 Wedeler starben. Gleichzeitig plädierte das breite Bündnis gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit, dem neben den Ratsparteien, Gewerkschaften, Schulen, Kirchengemeinden, Kaufleute und Ausländergruppen angehören, für die Weltoffenheit der Elbestadt, der sich der Stadtrat bereits 1989 verpflichtet hat und wofür Wedel als weltoffene Gemeinde 1990 bundesweit ausgezeichnet wurde.

 

Zu der vorher befürchteten Auseinandersetzung mit Neonazis kam es nicht. "Personen des rechten Spektrums zeigten sich nicht", sagte Polizeisprecherin Sabine Zurlo nach der Kundgebung . Alles blieb friedlich und straffrei. "Die Polizei ist mit dem Einsatz und dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden", sagte Zurlo. Ein Teil der 140 eingesetzten Polizeikräfte konnte schon vor 14 Uhr wieder abrücken.

 

Die eindrücklichste Rede hielt Marianne Wilke. Die 83-Jährige wurde während des Nazi-Regimes als Halbjüdin verfolgt, ausgegrenzt, durfte nicht mit anderen deutschen Kindern zur Schule gehen oder Straßenbahn fahren und verlor ihren Vater im Konzentrationslager. Sie sagte: "Wir sind froh, liebe Freunde, dass die Neonazis heute nicht nach Wedel kommen. Aber es ist unerträglich, dass sie es dürften, wenn sie es denn gewollt hätten." 180 Todesopfer habe rechtsextreme und rassistische Gewalt in Deutschland seit 1990 gefordert, einschließlich der Opfer der NSU-Terrorzelle, zitierte Wilke offizielle Studien. "Diese Ideologie gilt es zu bekämpfen, nicht nur aktuell, sondern ständig, beharrlich, nachhaltig."

 

Stadtpräsidentin Sabine Lüchau sagte unter großem Beifall der Demonstranten: "Wir wollen, dass Wedel weltoffen bleibt. Keine Neonazis hier und anderswo." Und Bürgermeister Niels Schmidt sagte: "In dieser Stadt herrscht die Kultur vor, egal welcher Herkunft jemand ist, welche Religion oder Hautfarbe er hat, begegnen wir ihm mit Respekt und Toleranz." Sobald er aber ein rückwärtsgewandtes, menschenverachtendes Weltbild an den Tag lege, habe er keinen Platz hier. "Da endet Wedels Weltoffenheit."

 

Hüseyin Inak, Vorsitzender vom Verein Bingöl, einer Migrantenorganisation, trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: "Kein Mensch ist illegal." Er freute sich darüber, dass sich so viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen Wedels einig seien, "dass die menschenverachtende Ideologie der Neonazis hier keinen fruchtbaren Boden findet". Sein Sohn Erkan Inak, der vor 26 Jahren in Wedel geboren wurde, sagte: "Ich bin traurig, dass es diese Ideologie heute noch in Deutschland gibt." Seit elf Jahren organisiert er jedes Jahr den Friedens-Cup in Wedel, ein Fußballturnier mit 20 Migranten-Teams aus ganz Deutschland und Österreich. Dafür ist er voriges Jahr mit dem Integrationspreis des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet worden.

 

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann war beeindruckt, wie viele junge Leute dem Aufruf zur Kundgebung gegen Rechts gefolgt sind. "Wedel darf sich glücklich schätzen, dass diese aktiven Demokraten zusammenstehen."

 

Die jüngste Teilnehmerin der Demo war wohl die fünf Jahre junge Anna. Sie schwenkte eine kleine Fahne mit der unmissverständlichen Botschaft: "Nazis - nein Danke." Ihre Mutter Tania Penk sagte dazu nur: "Das muss sein."

 

Von dieser Begeisterung ließ sich auch Mitveranstalterin Irmgard Jasker anstecken. "Es ist großartig, wie breit dieses Bündnis gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit trägt. Ich bin heute stolz auf uns alle."

 

Wenn auch der eigentliche Anlass der britischen Bomben auf Wedel ein trauriger sei. "Wir dürfen nie vergessen, welche Vorgeschichte erst dazu geführt hat."