Interview zu "Raise your voice - your body your choice"-Demo in Münster

thumb-plakat04

Raise your voice – your body your choice! Feministische Inhalte auf die Straße tragen! Demo für ein selbstbestimmtes Leben, eine herrschaftsfreie Gesellschaft und gegen fundamentalistische Christ*innen! 9. März 2013, 11 Uhr, Bremer Platz (Rückseite Hauptbahnhof) in Münster. Aktuelle Infos und Aufruf unter: http://gegen1000kreuze.blogsport.de

 

Interview mit Aktivist*innen, die an der Vorbereitung der feministischen Demonstration "Raise your voice – your body your choice!" am 9. März in Münster beteiligt sind.

 

Frage: Am 9. März organisiert ihr eine Demo mit dem Motto „Raise your voice – your body your choice“ in Münster. Worum geht es dabei?


Wie in einigen anderen Städten, z.B. Berlin und München, findet auch in Münster seit mehreren Jahren der von „EuroProLife“ organisierte Gebetszug „1000 Kreuze für das Leben“ statt. Dies ist nichts anderes als ein Aufmarsch von Abtreibungsgegner*innen mit einem sexistischen, homophoben und frauen*feindlichen Weltbild. Laufen in Münster nur knapp über hundert Kreuzträger*innen durch die Stadt, so treffen sich in Berlin zu demselben Anlass mittlerweile jährlich weit über tausend. In den vergangenen Jahren gab es gegen den Kreuzzug in Münster immer wieder Protest – zum Teil mit erheblicher Repression ( http://gegen1000kreuze.blogsport.de/2009/10/13/protest-gegen-christliche-fundamentalisten-hat-ein-nachspiel/ und http://gegen1000kreuze.blogsport.de/category/archiv/) – vor allem aber ohne großen Anklang in der Münsteraner Bevölkerung. Ein Grund dafür eine Demo zu machen ist, dass die politische Auseinandersetzung darüber, was da eigentlich passiert, in den letzten Jahren einfach zu kurz gekommen ist. Die am Marsch beteiligten Fundis sind unserer Ansicht nach keine „extreme“ Randerscheinung, sondern die sprichwörtliche Spitze des Eisberges einer rückschrittlichen gesellschaftlichen Entwicklung. Am 9. März gehen wir für das Recht auf Selbstbestimmung auf die Straße, die Fundis bieten uns sozusagen nur den Anlass dazu.



Frage: Die Fundis marschieren ja vor allem gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Wie ist eure Haltung zu diesem Thema und wie wollt ihr das im Rahmen der Demo thematisieren?


Wir finden den aktuellen gesellschaftlichen Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen zum Kotzen. Durch den §218 ist ein Schwangerschaftsabbruch, anders als viele denken, noch immer eine Straftat, die nur unter bestimmten Umständen (z.B. Fristenregelung, Zwangsberatung) nicht bestraft wird. Der moralische Druck auf Schwangere, unter welchen Umständen, wann und mit wem sie ein Kind bekommen sollen oder auch nicht, ist riesig. Anders als zum Beispiel in den 1980er Jahren gibt es auch kaum noch einen solidarischen und kollektiven Umgang mit dem Thema. Die aktuelle Debatte um den Kölner Fall, bei dem eine vergewaltigte Frau von katholischen Krankenhäusern abgewiesenen wurde, zeigt, dass die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche momentan vor allem von reaktionären christlichen bzw. kirchlichen Organisationen und Personen bestimmt wird – das wollen wir ändern. Für uns ist die Parole „Mein Bauch gehört mir“, also das Recht auf einen selbstbestimmten Umgang damit ob, wann, wie und mit wem eine*r Kinder haben will, nach wie vor aktuell. Wir wollen der Tabuisierung und Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen politischen Druck und einen solidarischen, kollektiven Umgang entgegensetzen. Zu diesen und weiteren Themen wird es auf der Demo Redebeiträge an belebten Plätzen der Münsteraner Innenstadt geben.



Frage: Die Demo hat die Forderung „für ein selbstbestimmtes Leben und eine herrschaftsfreie Gesellschaft!“ - was ist damit gemeint?


Das Thema Selbstbestimmung und der staatliche Zugriff auf den Körper ist für uns nicht auf den Umgang mit Schwangerschaft begrenzt. Wir gehen gegen die patriarchale Grundstruktur dieser Gesellschaft, gegen den Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit, gegen Sexismus und Diskriminierung auf die Straße. Was für religiöse Fundamentalist*innen, Nazis und andere anti-emanzipatorische Gruppen als „natürlich“ oder „von Gott gegeben“ gilt, sichert nach wie vor bürgerliche Werte, patriarchale Machtverhältnisse und männliche Dominanz – das schränkt uns in unserem Leben ein!

 

Uns geht es mit der Demo auch darum, gesellschaftliche Werte und Normen anzugehen und die eigenen Diskriminierungsstrukturen, Zwänge und Normierungen zu kritisieren. Zweigeschlechtlichkeit, Geschlechterrollen, männliche Dominanz, Heterosexualität und die romantische Zweierbeziehung als Normalität müssen gerade auch in einer Linken, die eine Utopie von einer herrschaftsfreien, kollektiven Gesellschaft hat, kritisch hinterfragt werden.


Der Sexismus, den wir in der Gesellschaft sehen, hat viele Gesichter. So werden Inter*- und Trans*-Leute sowohl im Weltbild christlicher Fundamentalist*innen als auch in der Wahrnehmung der Mehrheit der Gesellschaft marginalisiert, zwangstherapiert und teilweise sogar zwangsoperiert um das „harmonische“ der Zweigeschlechtlichkeit nicht zu gefährden. Auch dagegen möchten wir mit dieser Demonstration vorgehen und die Thematik durch einen entschlossenen vorderen FLIT*-Block sichtbar machen.



Frage: Wer ist auf eine feministische Demo denn eingeladen? Und was wünscht ihr euch von den Teilnehmer*innen?


Auch wenn das Absprechen der reproduktiven Selbstbestimmung durch die Fundis vor allem gegen Frauen* richtet, sind nicht nur Frauen* damit gemeint. Grundsätzlich laden wir Menschen jeden Geschlechts ein, an der Demo teilzunehmen – also auch (Cis-)Männer, die nicht inter* oder trans* sind. Wir möchten allerdings eine Demo, in der Männer* nicht für Frauen* sprechen oder demonstrieren, sondern solidarisch mit ihnen auf die Straße gehen. Der vordere Teil der Demo wird ein FrauenLesbenInterTrans*Block sein. Cis-Männer haben die Möglichkeit im zweiten „all-gender-Block“ mitzugehen.


Insgesamt ist uns sehr wichtig, während der Demo einen guten Umgang miteinander zu haben. Auf der Demo gibt es keinen Platz für Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie, sogenannte Behindertenfeindlichkeit (Ableism) oder anderes diskriminierendes Verhalten. Partei- und Nationalfahnen haben hier nix zu suchen. Fotoapparate, Kamerahandys etc. sollten ebenfalls zu Hause gelassen werden.



Frage: Die Demo startet um 11 am Bremer Platz hinterm Hauptbahnhof. Was ist mit den Christ*innen?

Wir gehen davon aus, dass diese ihren Gebetszug gegen 15 Uhr beginnen. Zu diesem Zeitpunkt wird unsere Demo bereits beendet sein. Für alle, die den Fundis direkt ihre Meinung sagen möchten gibt es also noch genug Zeit und Möglichkeiten, unabhängig von der Demo laut und kreativ zu sein. Bleibt uns noch zu sagen: Wir sehen uns am 9. März in Münster!