Bundesweite Razzia gegen Pressefotografen von Andreas Potzlow
Am frühen Morgen des 06.02. führten mehrere Hundert Polizisten in Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg eine von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main veranlasste Hausdurchsuchung bei Fotografen durch. Sie alle sollen 2012 bei den Protesten gegen die Finanzpolitik in Frankfurt am Main (auch bekannt unter den M31 Protesten) vermeintliche Bilder von Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant_innen gemacht haben. Hier fand eine weitere Grenzüberschreitung der Ermittlungsbehörden statt, etliche Stimmen im Internet fragen sich immer mehr „Was ist hier eigentlich langsam los?“, andere Reden von „Bananenrepublik“. Was bleibt ist der Beigeschmack, dass hier von den Behörden eher auf Einschüchterung gesetzt wird.
Auf die Forderung nach einem anwältlichen Beistand wurde erwidert: „Der ist eh nicht schnell genug da“.
Die
Fotografen sind allesamt keine Beschuldigten, das macht aber nicht
wirklich einen Unterschied, wenn früher Morgenstunde eine ganze
Mannschaft von Beamten mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür
steht. Auf der linken Plattform Indymedia Linksunten berichtet einer der
Betroffenen, dass ihm der anwaltliche Beistand zunächst verwehrt wurde.
Einem Berliner Fotografen wurde nur die Wahl gelassen, dass entweder
die gesamten Arbeitsmittel beschlagnahmt werden oder Mensch gemeinsam
die betroffenen Bilder sichte. Auf die Erklärung, dass diese keine
relevanten Übergriffe zeigten, reagierten die durchführenden Beamten
dennoch mit einer Beschlagnahme. Das Gesamtergebnis der Durchsuchungen
sind nun etliche beschlagnahmte PC's, Mobiltelefone, Speichermedien und
tausende von kopierten Bildern. Und dafür, dass die Journalisten nicht
als Verdächtige galten, hatten es die Behörden sehr eilig. Im Falle
eines Fotografen aus Berlin, der sich zurzeit in Syrien auf einer
Dienstreise befindet, drang die Berliner Polizei mit Gewalt in dessen
Wohnung ein. Bei allen Durchsuchungen war anscheinend auch der
Staatsschutz anwesend.
Einen Tag später reagieren die
Journalistenverbände und diverse Tageszeitungen gereizt. „Völlig
inakzeptabel“ bezeichnete der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
die Aktion. Auch die Berliner Opposition verlangt eine klare Reglung im
Umgang mit freien Journalisten, denn nach dem Gesetz gelten die
Privaträume dieser als Redaktionsräume und dürfen nicht durchsucht
werden. Nun scheint die Frankfurter Staatsanwaltschaft zu versuchen,
etwas zurück zu rudern. Dem Richter, der den Durchsuchungsbeschluss
unterschrieb, sei evtl. verschwiegen worden, dass es sich hierbei um
Journalisten handelt.
Dabei kommt es immer öfter vor, dass
Pressefotografen sich aggressiven Maßnahmen der Behörden ausgesetzt
sehen. Gerade bei Protesten reagieren die Polizeibehörden auch schon mal
mit Einschüchterungen. Unter vielen Kollegen gibt es seitens der
unklaren Verhältnisse bereits seit Jahren nur eine Lösung, das
Verschlüsseln aller Informanten und Dokumente. Selbst in Handbüchern für
angehende Journalisten wird mittlerweile empfohlen, sich nicht nur
gegen das Schnüffeln von Firmen zu schützen, die evtl. etwas gegen
unliebsame Berichterstattung haben, auch „Behörden überschreiten
hierzulande immer öfter die rechtlichen Grenzen.“
In diesem
Zusammenhang möchte ich persönlich noch mal alle Kolleg_innen,
Redaktionen und Verlage darauf aufmerksam machen, dass die Untergrabung
des Presserechtes auch in Fällen von offiziellen Akkreditierungen
beginnt. Wie bei den Castor-Protesten der vergangenen Jahre geschehen,
wurde nicht nur der offiziell herausgegebene bundesdeutsche
Presseausweis ad absurdum geführt, sondern auch alle Kolleginnen, die
sich diesem „behördlichem Vorabcheck“ widersetzten oder gar dabei
durchfielen, wurden ausgeschlossen und isoliert. Hier ist ein
gemeinsames Vorgehen entscheidend, wie die strikte Trennung einer
kritischen Berichterstattung und kooperierendem Verhalten, das auf die
Gunst behördlicher Pressestellen baut. Die Einteilung, die in der
letzten Zeit immer öfter zu vernehmen ist, zwischen „richtigen
Journalisten“ und „semiprofessionellen“ – unter die freie Journalisten
gerne gepackt werden – schadet allen. Ein Anfang wäre schon einmal, dass
die Innenminister der Länder den einheitlichen Presseausweis wieder
anerkennen. Dies ist nämlich seit ein paar Jahren nicht mehr der Fall.
Die
von den Durchsuchungen betroffenen Journalisten haben über ihre
Anwält_innen sofort beschwerde gegen die Maßnahmen eingelegt. Die
Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main müsste die beschlagnahmten
Gegenstände sofort wieder zurück geben, zurzeit prüfe sie die Angaben.
Die Berliner Behörden wiegeln unterdessen ab und verweisen auf ihre
Hessischen Kollegen. Aber auch bei einer reinen Amtshilfe, müssten die
Behörden vor Ort immer die Rechtmäßigkeit vor Einsatzbeginn überprüfen.
Sebastian Nerz, Vize-Bundeschef der Piraten, hat nach den Razzien
erklärt: "In den vergangenen Jahren wurden Grundrechte nur noch als
lästige Grenze wahrgenommen." Diesem Eindruck des Piraten kann Mensch
sich nicht mehr erwehren.