Auf Beschaffungstour

Erstveröffentlicht: 
07.02.2013

Polizei durchsucht mehrere Wohnungen von hauptberuflichen Journalisten. Harsche Kritik von Journalisten-Union und Linkspartei

 

 

Gleich mehrere Fotojournalisten haben in den gestrigen Morgenstunden unerbetenen Besuch von Polizeibeamten erhalten. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main durchsuchten Polizisten mehrere Objekte und Privatwohnungen in Berlin, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. An der Aktion waren insgesamt mehrere hundert Beamte beteiligt.

 

Der Grund für die Durchsuchungsaktionen liegt in Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft der Bankenmetropole zunächst wegen angeblichen »versuchten Totschlags«, mittlerweile offensichtlich nur noch wegen »gefährlicher Körperverletzung« gegen Unbekannt führt. So sind die Ermittler auf der Suche nach Fotos, auf denen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei beim europaweit ausgerufenen antikapitalistischen Aktionstag »M31« zu sehen sind.

 

Über 6000 Menschen hatten am 31. März vergangenen Jahres in Frankfurt am Main gegen die neoliberale Krisenpolitik der Europäischen Union demonstriert. Im Verlauf der damaligen Proteste war die Polizei mehrfach massiv gegen die Antikapitalisten vorgegangen und hatte die Demonstration in mehrere Teile gespalten. Über 200 Kapitalismusgegner waren außerdem für mehr als sechs Stunden von den Beamten eingekesselt worden. Infolge der Proteste hatte die örtliche Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren wegen »versuchten Totschlags« und Körperverletzung eingeleitet. Angeblich seien damals 15 Beamte verletzt worden, ein Polizist davon so schwer, daß er auf die Intensivstation habe eingeliefert werden müssen, da er eine schwere Augenverletzung durch eine Chemikalie erlitten habe (jW berichtete).

 

Indes behauptete die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Doris Müller-Scheu, daß sich die Durchsuchungen gegen acht Sympathisanten der linken Szene gerichtet hätten, verschwieg jedoch, daß die Betroffenen als hauptamtliche Fotojournalisten tätig sind und somit gesetzlich besonderen Schutz genießen. Betroffen von der überfallartigen Aktion waren unter anderem die auch für junge Welt tätigen Bildreporter Björn Kietzmann, Christian Mang und PM Cheung.

 

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) wie auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) protestierten am Mittwoch scharf gegen den Polizeieinsatz, bei dem die Beamten Fotodateien aus den Computern der betroffenen Fotografen kopiert hatten. »Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang«, kritisierte etwa die dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. Sie warf den Behörden vor, »Pressevertreter mit brachialen Methoden« zu zwingen, »Hilfspolizisten zu spielen«. Die durchgeführten Durchsuchungen verstießen gegen die Pressefreiheit und seien vollkommen inakzeptabel, so Haß weiter.

 

Kritik kam auch von Hakan Tas, Mitglied der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Auch er geißelte die Aktion als »Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Pressefreiheit« und forderte, daß auch die Wohnungen von freien Journalisten »den grundgesetzlichen Schutz genießen« müßten, wenn dort journalistisch gearbeitet werde. Tas warnte außerdem, daß derartige Polizeiaktionen mittlerweile »zur Gewohnheit zu werden« drohten. Schließlich seien bereits zum dritten Mal innerhalb von zwei Monaten Razzien gegen Journalisten in Berlin durchgeführt worden, zuletzt im Dezember 2012 gegen die Berliner Morgenpost und die Wohnung eines freien Fotografen.