2 Prozesse = 2 Freisprüche und neue Ermittlungsverfahren gegen die Polizei. Das ist die eindeutige Bilanz zweier Gerichtsprozesse gegen antifaschistische Protestler, die am 3. März 2012 in Münster-Sprakel an der Anreise nach Münster gehindert wurden und denen die Staatsanwaltschaft vorwarf, dabei „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ begangen zu haben.
Ein heute vor dem Amtsgericht Münster verhandelter Prozess gegen
einen jungen Mann endete mit einem Freispruch. Der Vorwurf des
„Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“ hatte sich als unhaltbar
herausgestellt. Die als Zeugen geladenen Polizeibeamten, welche an der
Räumung des Zuges in Sprakel beteiligt waren, widersprachen sich in
ihren Aussagen. Die Videoaufnahmen zeigten ebenfalls keine
Widerstandshandlungen seitens des Angeklagten. Folgerichtig forderte am
Ende sogar die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für den
Gegendemonstranten.
Angeklagter wurde von der Polizei verletzt
Angesichts dieses Gerichtsurteils gibt es nun selbst in der Logik von
Polizei und Staatsanwaltschaft keinerlei Erklärung mehr für die
Verletzungen des Angeklagten. Der Angeklagte erlitt bei seiner
Ingewahrsamnahme u.a. eine Augenquetschung und ein abgerissenes
Lippenband – obwohl er nachweislich keinen Widerstand leistete. Das
„Keinen Meter“-Bündnis ist sich sicher: „Deutlicher kann man einen
Missbrauch von ‘unmittelbarem Zwang’ durch die Polizei nicht
illustrieren: Die Staatsanwaltschaft muss nun tätig werden und gegen die
eingesetzten BeamtInnen ermitteln“, so die Bündnis-Sprecherin Nina
Bloch.
Freispruch auch in Osnabrück
Bereits ein vor einigen Monaten in Osnabrück verhandeltes Verfahren
gestaltete sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft schwierig. Die
Richterin erwies sich als befangen und wurde nach dem 1. Verhandlungstag
ausgetauscht. Das Verfahren endete nach Sichtung des von der Polizei
angefertigten Beweisvideos mit einem klaren Freispruch: Eine
Widerstandshandlung des Angeklagten war auf den Videos nicht zu
erkennen. Was die Aufnahmen jedoch zeigten, war ein ruppiges Vorgehen
der eingesetzten PolizistInnen. Auf Anraten der Richterin sah sich die
Staatsanwaltschaft Münster gezwungen, im Anschluss ein
Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt einzuleiten.
Brutale Zugräumung
Hintergrund der beiden Prozesse ist die Räumung einer Regionalbahn am 3.
März 2012 durch die Polizei am Haltepunkt Sprakel. Rund 150
AntifaschistInnen, die von Osnabrück aus gemeinsam nach Münster reisen
wollten, wurden dort gestoppt und teilweise unter Anwendung von Gewalt
aus dem Zug geräumt. Mehrere Menschen wurden dabei in Gewahrsam
genommen. Einigen von ihnen wurde im Nachgang von der Staatsanwaltschaft
„Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ vorgeworfen. Klaus Rüther, der
Anwalt des Angeklagten, stellte auf Grundlage eines ihm vorliegenden
Berichtes des polizeilichen Einsatzleiters die Rechtmäßigkeit der
Zugräumung in Sprakel in Frage.
„Augenscheinlich wollte die Polizei am 3. März in Sprakel bewusst eine
Eskalationherbeiführen, um einen Vorwand zu haben, die anreisenden
GegendemonstrantInnen an der Anreise nach Münster und damit an der
Teilnahme an den Protesten zu hindern“, so die Bündnis-Sprecherin Nina
Bloch. „Die von der Polizei verbreitete Darstellung, sie hätte in
Sprakel gerade noch rechtzeitig eingegriffen, um anreisende Gewalttäter
zu stoppen, ist schlichtweg nicht mehr haltbar“, so Nina Bloch,
Pressesprecherin des „Keinen Meter“-Bündnisses.
Polizeigewalt aufklären
Bloch weiter: „Anstatt weiterhin Protestierende zu kriminalisieren,
sollte die Staatsanwaltschaft nun endlich die Aufklärung der
Polizeigewalt ernsthaft voran treiben.“ Nach Ansicht des „Keinen
Meter“-Bündnis reiht sich der brutale Einsatz bei der Räumung des Zuges
in die lange Liste von Schikanen und Übergriffen der Polizei auf
GegendemonstrantInnen am 3. März in Münster. Das „Keinen Meter“-Bündnis
fordert die lückenlose Aufklärung der Übergriffe durch die Polizei.
Im November 2012 stellte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren
wegen „Körperverletztung im Dienst“ gegen einen Polizeibeamten ein, der
am 3. März einen jungen Mann schwer verletzte. Die Entscheidung der
Staatsanwaltschaft war auf Unverständnis gestoßen, da von der Polizei
unabhängige ZeugInnen brutale Gewaltanwendung geschildert hatte.
Spenden zur Unterstützung der Betroffenen
Das Bündnis wird die Betroffenen weiter unterstützen und prüft derzeit
weitere rechtliche Mittel. Zur Unterstützung der Aufarbeitung und
Deckung der Verfahrenskosten bittet das Bündnis um Spenden auf folgendes
Konto:
Bündnis Münster gegen Nazis
Konto-Nr. 91 666 800
Volksbank Münster eG
Bankleitzahl 401 600 50