Gericht verurteilt rechtsextremen Burschenschafter

Erstveröffentlicht: 
15.01.2013

Er verunglimpfte einen Nazi-Widerstandskämpfer als "Landesverräter", wurde belangt und ging dagegen vor. Doch jetzt unterlag der rechtsextreme Burschenschafter Norbert Weidner vor Gericht: Er muss eine Geldstrafe zahlen.

 

Er ist einsneunzig groß, er hat Schultern wie ein Kraftsportler und ein kantiges Gesicht mit Siebentagebart. Doch in diesem Moment möchte Norbert Weidner klein sein. Er, der angibt, sein Geld mit journalistischer Tätigkeit zu verdienen und bis vor wenigen Wochen noch als "Schriftleiter" der "Burschenschaftlichen Blätter" in der Öffentlichkeit stand, als Chefredakteur der Verbandszeitschrift der Deutschen Burschenschaft - und damit einer der einflussreichsten Burschenschafter.

 

Er würde gern unerkannt bleiben, duckt sich hinter einer weißen Mappe mit dem Logo der Deutschen Burschenschaft weg. Die Fotografen stehen vor ihm und warten darauf, dass sie doch wenigstens ein Auge oder eine Geheimratsecke fotografieren können. Dann müssen die Fotografen aus dem Saal. Einige Momente später nimmt Weidner dann die Mappe runter und zeigt sein Gesicht: Es wirkt gefasst. Und er ist gut vorbereitet.

 

Vor dem Bonner Landgericht wird sein Einspruch gegen einen Strafbefehl des Bonner Amtsgerichtes verhandelt. Weidner, Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn und ehemals hoher Funktionär des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft, sollte ursprünglich 60 Tagessätze zu 40 Euro bezahlen. Der Vorwurf: Er hatte das Andenken des im Konzentrationslager Flossenbürg ermordeten NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer verunglimpft. So heißt es juristisch korrekt.

 

Wie der Burschenschafter provozierte


Was passiert war: Weidner hatte in der Mitgliederzeitung seines Bundes einen Leserbrief veröffentlicht, die Vorbildfunktion Dietrich Bonhoeffers infrage gestellt und ihn als "Landesverräter" bezeichnet. Mehr noch: Bonhoeffer habe erst spät zum Widerstand gefunden, schreibt Weidner, und sei trotz Systemkritik lange Zeit nicht verfolgt worden. Das alles passe nicht zum Bild von Bonhoeffer, das heute gezeichnet werde. Als er schließlich begonnen habe, Informationen an die Briten zu übermitteln, habe er durch seinen "Verrat" den "Tod von Tausenden deutschen Soldaten" zu verantworten gehabt. Nach seiner Verhaftung, im Tegeler Gefängnis, habe Bonhoeffer als "Stargefangener" noch die Gelegenheit gehabt, sich mit seinem Onkel zu betrinken. "In BRD-Gefängnissen dürfte es nicht so fidel zugehen", schreibt Weidner, der auch die Hinrichtung des Widerstandskämpfers in dem Text indirekt rechtfertigt. Der Brief ist eine perfide Provokation, zwischen den Zeilen trieft er vor Hetze.

 

Weidner hat zudem eine durchaus einschlägige Vergangenheit, ein Blick in die Zeitungsarchive offenbart seine rechte Karriere. Es setzt sich das Bild eines Mannes zusammen, der auch in rechtsextremen Organisationen aktiv war, die mittlerweile verboten sind. Und der zwar die militante Neonazi-Szene verlassen hat, aber in mehreren Interviews Wert darauf legte, er sei nicht ausgestiegen, sondern habe sich lediglich zurückgezogen.

 

Der Staatsanwalt stellt schnell klar, was er von Weidners Leserbrief hält: "Ich kann dem ausdrücklich nur mit Entsetzen zuhören." In der Verhandlung geht es vor allem um eine Frage: Inwiefern war Weidners Leserbrief öffentlich? Es ist eine Definitionsfrage, die darüber entscheidet, ob der Strafbefehl gegen den Bonner Burschenschafter bestätigt werden kann. Weidner versucht in einem kurzen Statement klarzustellen, dass sein Leserbrief in einer sehr kleinen Auflage von 145 Exemplaren veröffentlicht wurde - in einer internen Zeitschrift, die nur an "Bundsbrüder und Alte Herren" gegangen sei und nie zu Werbezwecken bestimmt war. Es sei ein Gesetz, dass diese Zeitungen niemals weitergegeben werden dürften.

 

Wie Weidner seinen Posten als "Schriftleiter" verlor


Woher er das wisse, fragt der Staatsanwalt. Das habe er selbst so kennengelernt. Verbindungstradition. Zudem habe er Dietrich Bonhoeffer nie verunglimpfen wollen. Als Nachweis dafür reicht er einen zweiten Leserbrief an die Richterin. Sie liest daraus vor: "Ich konnte nicht wissen, dass der Brief an 'SPIEGEL ONLINE' gerät, sonst hätte ich ihn sorgsamer formuliert", sagte Weidner. "Ich wäre entsetzt, wenn ein Bundesbruder der Zuträger wäre." Dann erklärt er seinen Respekt vor der Person Bonhoeffers und seine grundsätzlich positive Einstellung zum NS-Widerstand, nur um kurze Zeit später abermals den Begriff des Landesverrats zu diskutieren und einen weiten Bogen in die Gegenwart zu schlagen - auch Männer wie der Wikileaks-Informant Bradley Manning seien schließlich Landesverräter.

 

Weidner gibt zudem an, mittlerweile weniger zu verdienen als noch vor einigen Monaten. Er sei aufgrund des Wegfalls "einer Haupteinnahmequelle auf Beschäftigungssuche" und wohne wieder bei seinen Eltern. Beim letzten Burschentag war er als "Schriftleiter" der Verbandszeitung abgesetzt worden - nach heftigen internen Machtkämpfen, aus denen die völkischen Ideologen und rechtsextremen Funktionäre als Gewinner hervorgingen.

 

Weiter will sich Weidner nicht äußern. Auf Nachfrage des Staatsanwaltes reagiert er gereizt: Der habe sein Statement und seine Weigerung, sich weitergehend äußern zu wollen, wohl nicht verstanden. Weidner ist sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Und doch kann er nicht aus seiner Haut: Ein eindeutiges Bekenntnis zu Bonhoeffer und dessen Rolle im Widerstand kommt ihm nicht über die Lippen.

 

Die Richterin bestätigt den Strafbefehl gegen Weidner, verringert ihn jedoch auf 40 Tagessätze zu je 30 Euro. Dazu beigetragen habe der zweite Leserbrief von Weidner, in dem er klargestellt habe, dass er Bonhoeffer nicht verunglimpfen wollte - wenngleich er es doch getan habe. Damit ist Weidner verurteilt.

 

Der Begriff "Vaterlandsverräter" sei eine Beleidigung, die besonders schwer wiege, weil Bonhoeffer in Wahrheit für Deutschland gestorben sei. Außerdem könne man von einer öffentlichen Verbreitung des Leserbriefes ausgehen, weil Weidner keine Kontrolle mehr darüber gehabt habe, ob jedes der 145 Zeitschriften-Exemplare nicht doch von Dritten eingesehen werden könne. Dass der Brief an die Öffentlichkeit gelangt ist, sei ein Beweis für diesen Kontrollverlust. Der niedrigere Tagessatz resultiere aus seinem geringeren Einkommen.

 

Die Richterin erklärt ihm, dass er gegen den Strafbefehl erneut Revision einlegen könne. Weidner sagt: "Das werde ich machen."