Razzia gegen rechten Rock

Erstveröffentlicht: 
05.03.2009

Den Behörden ist bei einer bundesweit angelegten Razzia der bisher größte Schlag gegen die rechtsextreme Musikszene gelungen. Der 34-jährige Drahtzieher und 15 Verdächtige stammen aus Baden-Württemberg.

STUTTGART/FREIBURG. Hierzulande zählen nach Angaben eines Kenners Pforzheim und Rastatt zu den Hochburgen. In Südbaden gilt der Schwarzwald-Baar-Kreis als Schwerpunkt.

Die Band nennt sich "Offensive", die CD trägt den Titel "Siegertribunal", und die Hülle zeigt ein Foto von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß beim Nürnberger Prozess. Es ist eine von mehr als 55 000 Tonträgern mit rechtsextremen Inhalten, die die Polizei am Mittwoch bei der Durchsuchung von mehr als 220 Wohnungen und Geschäftsräumen von 204 mutmaßlichen Händlern beschlagnahmt hat.

Bei der Razzia stellten die 800 beteiligten Beamten mehr als 170 Computer, 180 externe Speichermedien sowie 66 Waffen sicher. Die Verdächtigen wurden durch die Auswertung der Internetseite "Unser Auktionshaus" ermittelt, auf der bis gestern rechtsextreme Produkte vertrieben wurden, sagte Carsten Voß vom Bundeskriminalamt (BKA). Als Drahtzieher gilt der einschlägig bekannte 34-jährige Aktivist Sascha D., der schon 2007 mit der Online-Plattform "Unser Auktionshaus" in Bad Cannstatt ins Visier der Fahnder geriet und selbst in rechten Musikbands wie "Noie Werte", "Propaganda" und "Carpe Diem" spielte. Er ist wie alle anderen Beschuldigten auf freiem Fuß. Das Auktionshaus kündigte gestern an, "trotz staatlicher Schikane" in Kürze den Betrieb wieder zu aufnehmen.

BKA plant weitere Großaktionen

 

Derweil droht BKA-Mann Voß mit weiteren Großaktionen. Denn Musik diene häufig dazu, Jugendliche ideologisch anzufixen. Sie sei zudem ein identitätsstiftender Faktor und eine wichtige Finanzierungsquelle der rechten Szene, sagte auch der Leitende Oberstaatsanwalt Siegfried Mahler in Stuttgart: Geschäftstüchtige Aktivisten machten durch den Handel mit Liedern, die Nationalsozialismus und Krieg verherrlichten, Millionenumsätze. Die beschlagnahmten Tonträger müssten nun geprüft werden, sagte Norbert Walz vom Polizeipräsidium Stuttgart. Viele enthielten aggressive, gewaltverherrlichende, volksverhetzende und menschenverachtende Musik. Die Verdächtigen seien zwischen 21 und 45 Jahre alt und kämen aus allen sozialen Schichten. Im Gegensatz zu den Händlern machen sich Käufer illegaler Tonträger nicht strafbar.

In Südbaden spielte Rechtsrock vor allem um 2002 eine Rolle. Zu den bekannten Bands zählten "Blutrausch" aus Wehr, deren Probelokal zum Treffpunkt der Szene wurde. In Riegel gab es einen Versand für rechtsradikale Musik. Abgesehen von einem rechten Plattenvertrieb in Bad Krozingen ist Südbaden nach Angaben eines Kenners heute "ein weißer Fleck" auf der Landkarte der rechten Rockmusik. Das Elsass dagegen sei eine Hochburg. Dort habe es zuletzt an der Grenze zum Saarland, aber auch in Straßburg Konzerte rechter Bands gegeben. Als ein Schwerpunkt gilt auch der Schwarzwald-Baar-Kreis. Dort betreiben Aktivisten ein rechtes Internetradio. Laut Verfassungsschutzbericht ist in Villingen-Schwenningen die Skinheadband "White Voice" zu Hause. In Brigachtal-Klengen fanden 2007 drei Konzerte mit 420 Besuchern statt.