Am vergangen Freitag sollte in Berlin-Kreuzberg ein Pressegespräch zu
internationalen Studierendenprotesten stattfinden. Im Mittelpunkt
sollte neben dem im Juni geplanten Bildungsstreik auch der Protest
gegen die europäische Studienstrukturreform – den so genannten
Bologna-Prozess stehen. Das Gespräch konnte allerdings nicht
stattfinden, da die Polizei dieses verhinderte. In einer am Dienstag
herausgegeben Stellungnahme weißt die Polizei die Vorwürfe zurück – sie
sei gar nicht gegen die Gruppe vorgegangen welche in einem Straßencafé
am Kottbusser Tor saß, sondern gegen Menschen die sich unter der
Freibrücke versammelt haben.
Hier nun eine Überblick der verschiedenen Presseartikel und Stellungnahmen in chronologischer Reihenfolge:
16.05. Pressemitteilung der Berliner Polizei
Polizei beendet nicht angemeldete Versammlung
Friedrichshain-Kreuzberg
Polizeibeamte einer Einsatzhundertschaft haben gestern Abend eine nicht angemeldete Versammlung in Kreuzberg aufgelöst.
Gegen
19 Uhr 30 versammelten sich rund 20 Personen in der Adalbertstraße. Die
Polizisten überprüften die Teilnehmer und sprachen Platzverweise aus.
Zwei Männer im Alter von 22 und 25 Jahren hatten Sturmhauben bei sich,
die beschlagnahmt wurden. Ebenso wurde ein Taschenmesser beschlagnahmt,
das ein 28-Jähriger bei sich führte. Eine Fahne wurde sichergestellt.
Die Beamten leiteten Verfahren wegen Verstößen gegen das Versammlungs- und Waffengesetz ein.
Quelle: http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/128010/index.html
16.05.
- Bevor das Treffen aufgelöst wurde gingen Polizisten bereits gegen
eine angemeldete Kundgebung der Bürgerinitiative Menschenfreundliches
Kottbusser Tor vor. Auf der Homepage der Initiative heißt es dazu:
(..)Gegen
18:00 wurden wir ohne jeden Anlass von der Polizei umstellt. Erst
fuhren vier Wannen um den Kotti herum, dann hielten sie in der
Reichenberger Strasse Ecke Adalbertstrasse. Die Türen gingen auf
spuckten RiotCops über die Strasse und über Zaun, mitten auf die
Verkehrsinsel und da waren wir. Zunächst hielten wir dies für einen
Irrtum, doch nachdem wir ihnen mitgeteilt hatten, dass wir eine
angemeldete und genehmigte Kundgebung durchführen und die entsprechende
Genehmigung vorgelegt hatten, bestanden sie dennoch darauf die
Personalien aller Anwesenden aufzunehmen.
Ein Polizist teilte
uns in einem „informellen“ Gespräch mit, sie seien über diese
Kundgebung nicht informiert gewesen. Es handele sich um eine
Verwechslung der Versammlung, denn sie seien wegen einer anderen
„Sache“ zum Kottbusser Tor ausgerückt. Welche „Sache“ dies sei, wollte
der Polizist auf Nachfrage nicht beantworten: „…aus polizeitaktischen
Gründen.“ Der verantwortliche Zugführer Nr. 24021386 wollte uns seinen
Namen und weitere Personenbezogene Daten nicht mitteilen.
Etwa
45 Minuten später fuhren viele weitere Wannen am Kotti auf. Es soll
angeblich eine weitere Versamlung stattgefunden haben. In der
Adalbertstrasse wurden mehrere Menschen völlig grundlos festgenommen
und über eine Stunde lang in einer Wanne festgehalten. Die
Festgenommenen trugen dunkle Kleidung, es schien fast so als sei das
tragen dunkler Kleidung in Kreuzberg verboten. Einen Menschen nahmen
sie direkt vor meinen Augen fest. Dieser saß friedlich auf einer
Fensterbank und hatte vorher an unserer Kundgebung teilgenommen. Das
repressive und diskriminierende Vorgehen der Polizei ist auf das
schärfste zu verurteilen.
Quelle: http://menschenfreundlich.blogsport.de/2009/05/16/infopoint-tag-2/
18.05. Junge Welt
Polizeiaktion gegen Pressegespräch
In Berlin-Kreuzberg mischten Beamte eine Veranstaltung zum Bildungsstreik auf
Die
Vorbereitungen für den im Juni stattfindenden Bildungsstreik laufen auf
Hochtouren. Da viele Verschlechterungen an den Unis die Folgen der
europäischen Studienstrukturreform sind, finden zur Zeit auch
Veranstaltungen mit internationalen Referenten statt. Ein in diesem
Kontext geplantes Pressegespräch mit Studierenden aus anderen Ländern
wurde durch die Berliner Polizei verhindert.
Freitag abend in
Berlin-Kreuzberg: Im Staßen-Café »BackHaus Simitdchi« am Kottbusser Tor
wird gegessen und getrunken, die Stimmung ist entspannt. In wenigen
Minuten soll ein Pressegespräch mit internationalen studentischen
Aktivisten beginnen – Thema: der für den 15.Juni vorgesehene
Bildungsstreik.
Plötzlich stürmt ein Dutzend behelmter
Polizisten heran. Die Cafétische werden umstellt. Es wird rumgebrüllt:
»Hey du da! Laß sofort das telefonieren sein!« Weitere Polizisten
kommen hinzu. Ein anwesender Journalist zückt seine Kamera. Sekunden
später tritt ein Beamter an den Pressefotografen heran. »Wir haben den
konkreten Verdacht, daß Sie die hier gemachten Fotos veröffentlichen
werden. Sollten Sie weiter fotografieren, werden wir Ihre Kamera
beschlagnahmen«. Der Fotograf entgegnet, daß er Journalist sei.
Schroffe Antwort: »Meine Ansage war kein Diskussionsbeitrag«.
Inzwischen
ist die Straße mit Polizeifahrzeugen zugeparkt. Mehr als 100 Polizisten
sind vor Ort. Nachfragen, was es mit diesem Einsatz auf sich habe,
werden zuerst gar nicht und anschließend flapsig beantwortet. Selbst
die Frage nach einem verantwortlichen Beamten läuft ins Leere: »Reden
Sie doch mit uns!«
Kurz darauf werden alle Anwesenden einzeln
abgeführt und in Polizeifahrzeuge gebracht. Die Ausweise werden
eingesammelt. Taschen durchsucht, die Körper abgetastet. Circa
eineinhalb Stunden später darf der erste das Fahrzeug verlassen. Egal,
ob Presseausweis oder nicht, es hagelt Platzverweise. »Sie können sich
ja beschweren – aber das ändert erst mal nichts daran, daß Sie hier weg
müssen.«
In einer am Wochenende herausgegebenen ersten
Erklärung der Polizei heißt es, eine »nicht angemeldete Versammlung«
sei in Kreuzberg aufgelöst und es seien »Verfahren wegen Verstößen
gegen das Versammlungsgesetz« eingeleitet worden.
Die Berliner Polizei sah sich am Sonntag zunächst nicht imstande, zu den Ereignissen konkret Stellung zu nehmen.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/05-18/044.php
18.05 –Presseerklärung des AStA FU
Polizei verhindert Bildungsstreik-Pressegespräch
AStA FU kritisiert Einschränkung der Pressefreiheit und die Kriminalisierung aktiver Studierender
Der
Allgemeine Studierendenausschuss der Freien Universität Berlin
kritisiert den Übergriff auf ein Bildungsstreik-Treffen durch Berliner
Polizeikräfte. Am 15. Mai sollte ein Pressegespräch mit spanischen
Studierenden in einem Kreuzberger Café stattfinden. Ohne ersichtlichen
Grund wurde das Café von rund 100 Bereitschaftspolizist_innen umstellt
und das Treffen de facto verhindert.
Die eingesetzten
Beamt_innen gingen äußerst aggressiv vor. So wurde einem Journalisten
gedroht seine Kamera zu beschlagnahmen. Einem Studenten, der einen
Anwalt anrufen wollte, wurde das Telefonieren verboten. Die Beamt_innen
verweigerten konsequent die Herausgabe von Dienstnummern. Auch die
Bitte mit dem zuständigen Einsatzleiter sprechen zu können wurde
abgelehnt. Alle Anwesenden wurden anschließend für mehr als 90 Minuten
in Polizeifahrzeuge gesperrt. Anschließend erhielten die Studierenden
und Journalist_innen Platzverweise.
Der AStA FU verurteilt
diesen Angriff auf politisch engagierte Studierende und auf die
Pressefreiheit aufs schärfste. „Die Verhinderung dieses Pressegesprächs
ist in unseren Augen der vorläufige Höhepunkt in einer Reihe von
Repressionen gegen aktive Studierende im Vorfeld des Bildungsstreiks“
erklärt Roland Zschächner, AStA-Referent für Internationalismus und
Antirepression. Bereits eine im April stattgefundene Vollversammlung
von FU-Studierenden wurde durch Polizeibeamte observiert.
Im
Vorfeld des von 15-19. Juni 2009 stattfindenden bundesweiten
Bildungsstreik veranstalteten studentische Basisgruppen der Freien
Universität Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin
Informationsveranstaltungen zu Studierendenprotesten in anderen
europäischen Ländern. Der sogenannte Bologna Prozess, also die
europäische Studienstrukturreform, schafft Grundlagen für eine
Kommerzialisierung von Hochschulbildung. Hiergegen kämpfen Studierende
europaweit. Bei dem verhinderten Treffen in Berlin-Kreuzberg handelte
es sich um ein Presse-Hintergrundgespräch mit spanischen Studierenden.
Die
Polizei hat inzwischen erklärt, mit ihrem Einsatz eine nicht
angemeldete Versammlung unterbunden zu haben. Der AStA FU deutet diese
Erklärung als Provokation. „Das geplante Pressegespräch war keine
Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetztes. Wo kommen wir hin, wenn
wir inzwischen jedes Treffen mit Journalist_innen bei der Polizei
anmelden müssen“, erklärte Deborah Naumann, Referentin für
Studienangelegenheiten des AStA FU.
Grünen-Politiker Benedikt
Lux hat inzwischen angekündigt den Vorfall im Innenausschuss des
Berliner Abgeordnetenhaus anzusprechen. Die Deutsche Journalistinnen-
und Journalisten-Union (dju) hat einen Protestbrief an Innensenator
Körting (SPD) und Polizeipräsident Glietsch verfasst.
Quelle: http://www.astafu.de/aktuelles/archiv/a_2009/presse_05-18
19.05. Neues Deutschland
Nachspiel im Innenausschuss folgt
Polizei verhinderte Pressegespräch / Gewerkschaft schreibt Protestnoten
Ein
Polizeieinsatz in Kreuzberg am vorigen Freitag sorgt für Ärger.
Studierendenorganisationen und die Deutsche Journalisten Union (dju)
reagieren mit Unverständnis. Bereitschaftspolizisten verhinderten nach
Veranstalterangaben ein Pressegespräch zum Bildungsstreik in einem Café
am Kottbusser Tor. Der innenpolitische Sprecher der Grünen im
Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, kündigte Nachfragen im Innenausschuss
an.
Auf Veranstaltungen über die Lage der Studierenden im
europäischen Ausland informierten Studierende der Berliner
Universitäten über Bildungsproteste in anderen Ländern. Hierzu waren
spanische Studierende angereist, die aus erster Hand über ihre Kämpfe
berichteten. Unmittelbar vor Beginn des für Freitagabend angesetzten
Pressetermins umstellten behelmte Bereitschaftspolizisten die
Gesprächsteilnehmer, die in dem Straßen-Café am »Kotti« saßen.
»Es
wurde sofort rumgebrüllt. Wir durften nicht mehr telefonieren, und
einem Journalisten wurde gedroht, dass ihm die Kamera abgenommen wird,
sollte er weiterhin fotografieren«, schilderte ein Anwesender die
Geschehnisse. Nachfragen, was es mit dem Einsatz auf sich habe, wurden
nicht beantwortet. Stattdessen wurden alle Anwesenden einzeln
abgeführt, durchsucht und für rund eineinhalb Stunden in
Polizeifahrzeuge gesperrt. Nach der Freilassung erhielten alle
Betroffenen Platzverweise.
Bei der Polizei hieß es am Samstag,
dass eine Einsatzhundertschaft »eine nicht angemeldete Versammlung in
Kreuzberg aufgelöst« habe. Die dju hat inzwischen Protestbriefe an
Polizeipräsident Dieter Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD)
geschickt.
Auch die Berliner Studierendenausschüsse kritisieren
das Vorgehen der Beamten. Der Vorsitzende des AStA der Technischen
Universität, Manfred Oberländer, spricht von einem »absurden
Kriminalisierungsversuch von politisch engagierten Studierenden«.
Roland Zschächner vom AStA der Freien Universität nennt den Einsatz
einen »nicht hinnehmbaren Übergriff«.
Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/149097.nachspiel-im-innenausschuss-folgt.html
19.05. – Presseerklärung von der deutschen Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju)
Polizeieinsatz gegen Pressegespräch am 15. Mai 2009 (62)
dju fordert umgehend Entschuldigung und Dateilöschung
„Wir
fordern Polizeipräsident Dieter Glietsch auf, umgehend den Vorfall
aufzuklären und dienstrechtliche Konsequenzen gegen die
Verantwortlichen einzuleiten“, sagte Andreas Köhn, stellvertretender
ver.di-Landesbezirksleiter und zuständig für die Deutsche
Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di
Berlin-Brandenburg.
Am vergangenen Freitag hatte der
Allgemeine Studierendenausschuss der Freien Universität Berlin zu einem
Pressegespräch mit spanischen Studierenden in einem Kreuzberger Café
eingeladen. Die Anwesenden, darunter auch zahlreiche Journalistinnen
und Journalisten, wurden ohne ersichtlichen Grund von einer
Hundertschaft der Polizei umstellt, ihre Personalien aufgenommen und
daran gehindert, zu telefonieren. Der Einsatzleiter weigerte sich nach
Angaben von Teilnehmern, sich zu erkennen zu geben. Anschließend
erhielten die Teilnehmer des Pressegespräches Platzverweise.
„Die
Begründung, es habe sich um eine unangemeldete Versammlung gehandelt,
ist einfach nur absurd. Situationen wie diese erwartet man eigentlich
in südamerikanischen Polizeistaaten“, erklärte Köhn. „Wir erwarten,
dass sich die Berliner Polizei an deutsche Gesetze hält.“
Quelle: http://bb.verdi.de/presse/pressemitteilungen/showNews?id=04cd74b4-4490-11de-5cdf-0019b9e321cd
19.05. Rote Fahne
Aggressiver Polizeieinsatz gegen Studenten und gegen die Pressfreiheit!
19.05.09
- Der Allgemeine Studierendenausschuss der Freien Universität Berlin
kritisiert den Übergriff auf ein Bildungsstreik-Treffen durch Berliner
Polizeikräfte. Angeblich weil es eine „nicht angemeldete Veranstaltung“
war. In einer Presseerklärung, die wir soeben erhielten,heißt es:
Am
15. Mai sollte ein Pressegespräch mit spanischen Studierenden in einem
Kreuzberger Café stattfinden. Ohne ersichtlichen Grund wurde das Café
von rund 100 Bereitschaftspolizisten umstellt und das Treffen de facto
verhindert. Die eingesetzten Beamten gingen äußerer aggressiv vor. So
wurde einem Journalisten gedroht seine Kamera zu beschlagnahmen. Einem
Studenten, der einen Anwalt anrufen wollte wurde das telefonieren
verboten. Die Beamten verweigerten konsequent die Herausgabe von
Dienstnummern. Auch die Bitte mit den zuständigen Einsatzleiter
sprechen zu können wurde abgelehnt. Alle Anwesenden wurden anschließend
für mehr als 90 Minuten in Polizeifahrzeuge gesperrt. Anschließend
erhielten die Studierenden und Journalisten Platzverweise.
Der AStA FU verurteilt diesen Angriff auf politisch engagierte Studierende und auf die Pressefreiheit aufs schärfste...
Im
Vorfeld des vom 15-19. Juni 2009 stattfindenden bundesweiten
Bildungsstreik veranstalteten studentische Basisgruppen der Freien
Universität Berlin und der Humboldt Universität zu Berlin
Informationsveranstaltungen zu Studierendenprotesten in anderen
europäischen Ländern...
Quelle: http://www.rf-news.de/2009/kw22/feffaggressiver-polizeieinsatz-gegen-studenten-und-gegen-die-pressfreiheit
19.05. Pressemitteilung vom Presseteam Bildungsstreik 2009
Berliner Polizei verhindert Pressegespräch mit internationalen Bildungsaktivist_innen
Die
bundesweite Koordinierungsgruppe „Bildungsstreik 2009“ kritisiert den
Übergriff auf ein Bildungsstreiktreffen durch Berliner Polizeikräfte.
In
Berlin Kreuzberg sollte am vergangenen Freitag, 15. Mai, ein
Pressegespräch mit spanischen Studierenden stattfinden. Noch vor Beginn
wurde der Treffpunkt in einem Café am Kottbusser Tor von rund 100
Beamt_innen der Polizei umstellt und das Gespräch verhindert.
Die
eingesetzten Mittel waren in höchstem Maße unverhältnismäßig, auch
gingen die eingesetzten Beamt_innen äußerst aggressiv vor. Einem
anwesenden Journalisten wurde gedroht seine Kamera zu beschlagnahmen
als er das Geschehen dokumentieren wollte. Darüber hinaus wurde einem
Studenten untersagt, telefonisch einen Anwalt zu verständigen. Die
Dienstnummern herauszugeben waren die BeamtInnen ebenfalls nicht
bereit.
Etwa 20 Menschen wurden einzeln abgeführt, in
Polizeifahrzeuge gebracht und durchsucht. Ihre Personalien wurden
überprüft. Erst nach 90 Minuten konnten sie den Polizeigewahrsam wieder
verlassen; alle erhielten Platzverweise.
Die bundesweite
Koordinierungsgruppe „Bildungsstreik 2009“ verurteilt diesen Angriff
auf politisch engagierte Studierende und auf die Pressefreiheit aufs
Schärfste.
Die Repressionen der Polizei gegen Menschen aus Bildungsprotestbewegungen ist unhaltbar geworden. Einige Beispiele:
- Beamt_innen in zivil überwachen studentische Vollversammlungen in Berlin
- Teilnehmer_innen an einer Demonstration gegen Studiengebühren in München erhalten Anzeigen wegen Blockade einer Kreuzung
- Polizist_innen beenden ein studentisches Campusfest an der Uni Heidelberg
Die
Verhinderung des Pressegesprächs ist in unseren Augen der vorläufige
Höhepunkt in dieser Reihe. Studierende in anderen Ländern erleiden aber
ebenso Repressionen, so zum Beispiel Spanien, Italien, Frankreich und
Kroatien. Die Polizei sprach inzwischen in einer Erklärung zum Einsatz
am Freitag von der Auflösung einer unangemeldeten Versammlung.
„Dass
heute bereits Hintergrundgespräche von Studierenden mit Jouralist_innen
Veranstaltungen sind, die dem Versammlungsgesetz unterliegen sollen,
ist nichts anderes als eine Farce“, sagt Johanna Strass von der
Pressegruppe des Berliner Koordinierungstreffens „Bildungsstreik 2009“.
Basisgruppen der Freien Universität Berlin und der Humboldt
Universität zu Berlin veranstalteten im Vorfeld des vom 15. - 19. Juni
2009 stattfindenden bundesweiten Bildungsstreiks studentische
Informationsveranstaltungen bspw. zum Bologna Prozess, der
Exzellenzinitiative, aber auch zu Studierendenprotesten weltweit. Die
Bildungsstreikbewegung sieht ihre Proteste auch im Kontext der globalen
Proteste gegen eine Kommerzialisierung und Privatisierung von Bildung.
In der weltweiten Protestwoche „Reclaim your education - Global week of
action“ vom 20. - 29. April 2009 fanden auch Veranstaltungen von
Bildungsstreikbasisgruppen statt.
Der Grünen Politiker
Benedikt Lux hat inzwischen angekündigt, den Vorfall im Innenausschuss
des Berliner Abgeordnetenhaus anzusprechen. Auch hat die Deutsche
Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) einen Protestbrief an
Innensenator Körting (SPD) und Polizeipräsident Glietsch verfasst.
19.05. Erklärung der Berliner Polizei
Anders
als behauptet, erfolgte der Einsatz nicht im „Backhaus Simitdchi“ und
galt auch nicht einer Pressekonferenz. Gegen 19.30 Uhr wurden in der
Adalbertstraße rund 20 Personen festgestellt, die sich im Bereich der
Freitreppe am Kottbusser Tor versammelten. Ein Verantwortlicher zu
dieser nicht angemeldeten Versammlung konnte auch nach Befragung nicht
festgestellt werden. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des
Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.
Die
Personen wurden im Rahmen einer Identitätsfeststellung festgehalten.
Sofern es zu einzelnen Durchsuchungen der Personen kam, fanden diese im
Rahmen der Identitätsfeststellung (z. B. zum Auffinden von
Ausweispapieren) statt. Nach der Identitätsfeststellung wurden alle
Personen am Ort wieder entlassen. Ein Vorfall, bei dem einem
Pressevertreter das Fotografieren verboten wurde, bzw. Maßnahmen dieser
Art sind nicht bekannt. Es hat sich kein Pressevertreter über derartige
Maßnahmen beschwert.
20.05. Junge Welt
Protest gegen Razzia
Wachsende Kritik an Berliner Polizeieinsatz
Nach
ihrer gewaltsamen Auflösung einer Pressekonferenz zum für Juni
geplanten Bildungsstreik am Freitag (jW berichtete) ruderte die
Berliner Polizei am Dienstag verbal zurück. Der Einsatz habe sich nicht
gegen Menschen, die in dem Straßencafé saßen, gerichtet, sondern gegen
Personen »die sich im Bereich der Freitreppe am Kottbusser Tor
versammelten«, erklärte ein Sprecher gestern gegenüber jW. Rund 100
Polizeikräfte der 21. Berliner Einsatzhundertschaft, der Direktion
Kreuzberg-Friedrichshain, sowie der LKA-Einheit für »Politisch
motivierte Straßengewalt - links« hatten ein Treffen von
Bildungsstreik-Aktivisten mit Pressevertretern in dem Kreuzberger
Straßencafé »Backhaus Simitdchi« aufgelöst. Nach Angaben der
bundesweiten Koordinierungsgruppe des Bildungsstreiks drohten die
Beamten nach dem Einsatz einem Journalisten an, seine Kamera zu
beschlagnahmen und untersagten einem festgesetzten Studenten, einen
Anwalt anzurufen.
»Das geplante Pressegespräch war keine
Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes«, erklärte Deborah
Naumann vom Studierendenausschuß der Freien Universität Berlin. »Wo
kommen wir hin, wenn wir inzwischen jedes Treffen mit Journalisten bei
der Polizei anmelden müssen?« »Wir erwarten, daß dieser Vorfall von
Ihnen lückenlos aufgeklärt und die Öffentlichkeit über das Ergebnis
informiert wird«, heißt es in einem Protestbrief der Journalisten Union
(dju) an Berlins Innensenator Erhard Körting (SPD). Neben der dju hat
auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft angekündigt, eine
Protestnote an Körting zu schicken. Die Grünen wollen den fragwürdigen
Einsatz im Abgeordnetenhaus zur Sprache zu bringen.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/05-20/042.php
20.05. Junge Welt
»Eine massive Behinderung der Pressefreiheit«
Ver.di legt scharfen Protest gegen einen erneuten Übergriff der Berliner Polizei ein. Ein Gespräch mit Andreas Köhn
Andreas Köhn ist stellvertretender Landesbezirksleiter von ver.di Berlin-Brandenburg
jw:
Am Freitag hat die Polizei in Berlin-Kreuzberg eine Pressekonferenz des
AStA der Freien Universität Berlin zu dem für den 15.Juni geplanten
Bildungsstreik gesprengt, wogegen ver.di jetzt schärfstens protestiert
hat. Wie ist das nach Ihren Erkenntnissen abgelaufen?
Andreas
Köhn: Der AStA hatte die Presse in das Straßencafé »BackHaus Simitdchi«
im Bezirk Kreuzberg eingeladen, um über die Lage der Studierenden und
den Bildungsstreik zu informieren. Bei dieser Pressekonferenz waren
auch spanische Studenten anwesend. Plötzlich griffen Einheiten der
Bereitschaftspolizei ein, sperrten die Straße und brachen die
Pressekonferenz ab.
Die Polizei machte am Wochenende in
einer Pressemitteilung geltend, es habe sich um eine »unangemeldete
Versammlung« gehandelt. Seit wann muß man Versammlungen wie etwa
Pressegespräche bei der Polizei anmelden?
Das
ist eine völlig absurde Begründung. Versammlungen in geschlossenen
Räumen müssen grundsätzlich nicht angemeldet werden – auch das
Außenterritorium eines Straßencafés gilt als geschlossener Raum. Wenn
man Pressegespräche bei der Polizei anmelden müßte, hätten wir hier
Verhältnisse, wie wir sie aus Polizei- und Militärdiktaturen in
Lateinamerika kennen.
Haben Sie Vermutungen, was die
Polizei zu diesem Überfall veranlaßt hat? Störung der öffentlichen
Ordnung? Bildungsstreik als Terrorkomplott?
Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß junge Leute, die mit der Presse sprechen wollen, mit Terroristen gleichgesetzt werden. Soll künftig sofort eine Hundertschaft eingreifen, wenn sich drei Leute in einem Kreuzberger Café treffen?
Dieser Polizeieinsatz war auf jeden Fall eine massive Behinderung der Meinungs- und Pressefreiheit. Wir haben sofort, nachdem wir davon erfuhren, Protestbriefe an den Polizeipräsidenten und an den Innensenator geschrieben mit der Bitte, den Vorfall umgehend aufzuklären und das Ergebnis der Öffentlichkeit mitzuteilen.
Darüber
hinaus verlangen wir, daß sich die Polizei bei den Journalistinnen und
Journalisten sowie bei den Veranstaltern entschuldigt. Natürlich müssen
alle Daten und Aufzeichnungen über die festgehaltenen Teilnehmer
gelöscht werden. Außerdem haben wir Innensenator und Polizeipräsident
aufgefordert, die betreffenden Beamten dienstrechtlich zur
Verantwortung zu ziehen.
Die Teilnehmer der
Pressekonferenz wurden über Stunden festgehalten, ihre Personalien
wurden aufgenommen, sie bekamen Platzverweise. Einem von ihnen wurde
sogar untersagt, seinen Anwalt anzurufen. Mit welchem Recht nimmt sich
die Polizei einen derartigen Auftritt heraus?
Es
war ein Pressegespräch – keine Kundgebung und keine Demonstration. Die
Veranstaltung ging die Polizei also überhaupt nichts an.
Ein Journalist, der sich ausweisen konnte, wurde gehindert, den Einsatz
zu fotografieren. Hat die Polizei auch hiermit ihre Kompetenzen
überschritten?
Wie schon dargestellt: Es gab bei
dieser Veranstaltung keinen Grund für die Polizei, irgend etwas zu
untersagen. Auch das Fotografieren nicht.
Hat ver.di schon öfter solche Erfahrungen mit der Berliner Polizei gemacht?
Andreas
Köhn: Das war kein Einzelfall. Wir haben es leider immer wieder erlebt,
daß die Berliner Polizei die Presse gesetzeswidrig behindert hat.
Insbesondere bekommen wir nach dem 1. Mai regelmäßig Anrufe von
Pressefotografen und Journalisten, die sich über unverhältnismäßige
Polizeiübergriffe beschweren.
Politisch verantwortlich dafür ist der Berliner Senat, der sich als »rot-rot« beschreibt…
Ich will mich jetzt
nicht auf Farbenspielereien einlassen – das Presserecht ist für alle
gültig, gleich welche Parteienkoalition gerade an der Macht ist.
Was raten Sie Betroffenen, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten sollen?
Sie sollten erst einmal versuchen, den Namen des jeweiligen
Beamten in Erfahrung zu bringen und dann notfalls Klage einreichen.
Journalistinnen und Journalisten, die Mitglied von ver.di sind, können
außerdem auf unseren Rechtsschutz zurückgreifen. Wir würden in solchen
Fällen auch Einzelklagen per Rechtsanwalt unterstützen.
Darüber hinaus
sollten Betroffene versuchen, alles zu dokumentieren, was der
Beweissicherung dienen könnte – etwa per Foto, Videofilm etc.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/05-20/052.php
Fotos von dem Polizei Einsatz:
http://www.flickr.com/photos/kietzmann/sets/72157618401088321/
Der
Einsatz wird auf der Sitzung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit
und Ordnung am Montag, dem 25. Mai 2009, 10:00 Uhr im Abgeordnetenhaus
von Berlin besprochen. Die Sitzung findet im Raum 311 statt und ist
öffentlich: http://www.parlament-berlin.de/ados/16/InnSichO/einladung/iso16-045-e.pdf