Heidelberg: Proteste gegen das Kriegstreiberforum

Mobilisierungsplakat zum 'Heidelberger Kriegstreiberforum'

Flagge zu zeigen gegen Krieg und Nationalismus, ist immer wichtig. Der Protest gegen das 'Heidelberger Kriegstreiberforum' vom vergangenen Freitag war aber ein ganz besonders wichtiger Protest gegen einen ganz besonders abscheulichen Elitezirkel aus deutscher Waffenindustrie, Kriegslobbyisten, Bundeswehr-Offizieren und Unions-Politikern, darunter Bundeskriegsminister Jung.
Immerhin gut 300 DemonstrantInnen zeigten den führenden Vertretern aus Staat, Nation und Kapital, dass sie ihre Kriegslogik nicht unwidersprochen im Tagungsraum eines Hotels entwickeln können. Auch wenn eine morgendliche Blockade leider nicht gelingen konnte, wurden die Kriegstreiber mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert, belästigt und gestört.

So deutlich wie selten stellte diese unverblümt kriegstreiberische, menschenverachtende Konferenz die ganze hässliche Fratze unserer Gesellschaftsordnung zur Schau. Schon aus der Einladung zu dem neuen Ableger der Münchener SiKo war deutlich hervorgegangen, wie eng Staat, Nation und Kapital als einzelne Ausprägungen der herrschenden Gesellschaftsordnung miteinander zusammenhängen, insbesondere wenn es darum geht, gemeinsam Kriege anzuzetteln.

Kriege führen gegen die Krise

 

Mit dem Sinnspruch „Gerechtigkeit ist die Nächstenliebe der Weisen“ bemüht der Veranstalter, das Heidelberger 'Forum-Institut für Management' den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, um seinen Tagungen einen ethischen Anstrich zu geben. Das, wie vom Veranstalter versprochen, mit „hochkarätigsten Referenten“ besetzte 'Heidelberger Sicherheitsforum' knüpfte am vergangenen Freitag jedoch unfreiwillig an einem ganz anderen Teil von Leibniz' Vita an – dieser hatte nämlich 1672 dem 'Sonnenkönig' Ludwig XIV. einen kreuzzugsähnlichen Eroberungsfeldzug gegen Ägypten vorgeschlagen.

Auch bei dem sogenannten 'Heidelberger Sicherheitsforum' ging es um Waffen und Kriege, insbesondere um die Frage, wie gerade in Krisenzeiten der deutschen Rüstungsindustrie zu „neuen Absatzmöglichkeiten im In- und Ausland“ verholfen und zusätzliche Nachfrage organisiert werden kann. In der Einladung heißt es weiter:

„Die Wirtschaftskrise hat längst auch das Militär erfasst. Mögliche Einsparmaßnahmen könnten nicht nur die Auftragslage der wehrtechnischen Industrie, sondern auch Militäreinsätze im Ausland tangieren. Die Branche beobachtet diese Entwicklung mit Sorge.“

Damit Deutschland gestärkt aus der Krise herausgehen kann, sollen also Waffen und damit Gewalt, Krieg und Militär, noch stärker als bislang im In- und Ausland zum Einsatz gebracht und die sogenannte „innere Sicherheit“ ausgebaut werden.

Die Gesamtlogik aus Staat, Nation und Kapital brechen

 

Nicht alle Tage werden die wechselseitigen Bezüge zwischen Staat, Nation und Kapital so deutlich sichtbar, ebenso wie deren gemeinsames Wirken im Hinblick auf die Herbeiführung neuer Konflikte und Kriege.
Dies verdeutlicht, dass die bestehenden Verhältnisse nicht am Symptom – in diesem Fall dem Krieg – kuriert werden können. Sie können auch nicht allein an einem der drei Aspekte aufgebrochen werden, da diese sich aufeinander beziehen, einander stützen und zur Erhaltung der Gesamtlogik einander auch wiederherstellen. Vielmehr muss die Logik dieser Verhältnisse insgesamt außer Kraft gesetzt werden.
Wer Kriege und Waffen ablehnt, muss somit konsequenterweise die Gesamtlogik aus Staat, Nation und Kapital ablehnen.

Dieser Erkenntnis trug in beachtlichem Umfang auch der Bündnisaufruf Rechnung, ungeachtet des vergleichsweise breit aufgestellten UnterstützerInnen-Spektrums. So wiesen die Proteste ansatzweise in die richtige Richtung, auch wenn die viel zu geringe Mobilisierung des beinahe ausschließlich lokalen Bündnisses nicht zufriedenstellen kann.

Ein Zeichen – nicht mehr und nicht weniger

 

So ließ die Zahl der AntimilitaristInnen am Freitagmorgen nicht zu, an eine spontane Blockade des Tagungshotels auch nur zu denken. Die KonferenzteilnehmerInnen wurden jedoch, ob sie nun den Haupteingang oder die Tiefgaragenzufahrt des Hotels 'Crowne Plaza' wählten, von lautstarken Megaphon-Ansprachen, Transparenten, Aktionstheater und im Weg stehenden Protestierenden durchaus belästigt. Wer im Namen von Staat, Nation und Kapital bereit ist über Leichen zu gehen, der kommt mit kurzem Belästigtwerden aber allzu leicht davon.

Zur Abschlussdemonstration am Nachmittag fanden sich dann immerhin gut 300 DemonstrantInnen ein, der Demozug führte jedoch nicht weit: schon nach wenigen Metern wurde der Zug von der Polizei gestoppt – zusätzliche, schikanöse Auflagen (u.a. Beschränkung auf den Bürgersteig und eine kurzfristige Routenänderung) sollten den DemonstrantInnen die Zähne ziehen. Diese entschieden sich jedoch logischerweise für Plan B, eine wilde Demo, die nach kurzer Rennerei direkt an die Tiefgaragenausfahrt des Hotels führte. Dort kam es zeitweise zu Szenen polizeilicher Gewalt.
Ein Polizist konnte nach Augenzeugenberichten nur von eigenen Kollegen, die ihn zu zweit beiseiterissen, davon abgehalten werden, mit seinem Schlagstock brutal auf einen Demonstranten einzuprügeln. Gerade im Kontrast zu den ganzen Tag über völlig gewaltfreien KriegsgegnerInnen, beantworten Szenen wie diese die Frage, wo die von den Medien so gerne gesehenen 'gewaltbereiten Randalierer' zu finden sind, ganz eindeutig.

Perspektiven

 

In der Einladung zur Konferenz findet sich übrigens auch der Satz:

„Angesichts von […] Menschenrechtsfragen und Stimmungen in der Bevölkerung, die in den Strategien der Unternehmen zunehmend berücksichtigt werden müssen […] steht die wehrtechnische Industrie ohnehin vor schwierigen Aufgaben.“

Schön, dass zumindest das angekommen ist! Zugetragen wurde uns zudem, dass sich die Konferenzteilnehmer im Sitzungssaal mächtig über die Proteste aufgeregt haben.

Das kann aber nicht ausreichen. Zwar war mehrfach zu hören, die Mobilisierung sei in Anbetracht des Regenwetters oder auch „für Heidelberger Verhältnisse“ schon ganz gut gewesen. Wenn aber selbst die Rhein-Neckar-Zeitung im Vorfeld schreibt:

„An der Brisanz der Themen oder der Prominenz der Redner wird es wohl kaum liegen, wohl eher an der geringen Bereitschaft der Heidelberger, gegen die im 'Crowne Plaza'-Hotel versammelten Tagungsgäste [...] zu demonstrieren.“

dann sollte das zuallervorderst den Heidelbergern zu denken geben.

Jedoch bilden die nun aufgebauten – und durch das letztlich ausgesprochen solidarische Verhalten aller Beteiligten weiter gestärkten – Kontakte zwischen unterschiedlichen linken Zusammenhängen hoffentlich einen Grundstein für eine stärkere Vernetzung und eine bessere Zusammenarbeit linker und linksradikaler Gruppen im gesamten Rhein-Neckar-Raum. Somit bleibt zu hoffen, dass bei der geplanten Neuauflage der 'Sicherheitskonferenz' im kommenden Jahr ein dann zumindest regional aufgestelltes Bündnis (unter Beteiligung weiterer erfahrener und entschlossener Gruppen) ein deutlich klareres Zeichen gegen Krieg und gegen Staat, Nation und Kapital setzen kann.