Am Mittwoch den 26. September veranstaltete die Evangelische Erwachsenenbildung Donaueschingen, in ihrer Reihe „Anstöße“, eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Rechtsradikalismus auch im reichen Südwesten?". Als Redner war neben dem Polizeichef des Schwarzwald-Baar-Kreises Roland Wössner, dem Psychologen und ehemaligen Dozenten an der Polizeifachhochschule Villingen-Schwenningen Knud Eicke Buchmann auch Robert Hertkamp vom Aktionsbündnis gegen Rechts Villingen-Schwenningen geladen.
In ihrer Eröffnungsrede untermauerte die Leiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung Donaueschingen Karin Nagel, die Aktualität des Themas Rechtsradikalismus für die Region unter anderem mit dem Aufmarsch der „Unsterblichen“ in der Nacht auf den 1.Mai in Donaueschingen.
Robert Hertkamp eröffnete inhaltlich den Abend mit seiner Anfangsrede in der er zunächst das Aktionsbündnis gegen Rechts VS vorstellte, das seit Anfang 2011 aktiv ist, mit dem Ansatz, aus persönlicher und politischer Überzeugung Widerstand gegen Faschismus und Rassismus aus der Gesellschaft heraus zu leisten. Hierbei arbeitet das Aktionsbündnis gegen Rechts, sowohl zu akuten Anlässen, sowie auch präventiv gegen rechte Tendenzen. Hierbei sei es besonders wichtig, dass alle GegnerInnen der FaschistInnen an einem Strang ziehen und sich nicht „spalten lassen“. Das Aktionsbündnis gegen Rechts begreife den Faschismus als Gesellschaftssystem, das potentiell wieder errichtet werden kann und halte es deshalb für notwendig dagegen vorzugehen, auch dort wo FaschistInnen den rechtsstaatlichen Rahmen nicht überschreiten. Als positives Beispiel aus der Praxis, führte er abschließend noch die Verhinderung des Naziaufmarsches in Dresden 2010 und 2011 auf.
Als nächstes hielt Knud Eicke Buchmann seine Eröffnungsrede. Er erklärte, dass psychologisch fehlgeleitete Personen sich rechts und links der Mitte der Gesellschaft sammelten. Hierfür führte er verschiedene Gründe auf. Einerseits der Mangel an Liebe, Geborgenheit und Orientierung im Kindesalter, andererseits das Streben nach Macht, Einfluss und Sinnhaftigkeit. Jedem dieser Faktoren ordnete er jeweils eine „Schublade“ zu. Wenn nun die Gesellschaft darin versage diese „Schubladen“ zu füllen, würden die Jugendlichen ausbrechen, um dies selbst zu bewerkstelligen, rechte Kameradschaften würden sich beispielsweise hierfür eignen. Erlebnisdrang und der Glaube für eine gute Sache zu kämpfen, wirkten hierbei noch zusätzlich. Unter Berufung auf Theodor W. Adorno stellte er außerdem noch fest, dass „bestimmte Menschen einfach autoritär und antidemokratisch“ seien.
Dieses Erklärungsmuster lasse sich auch anwenden auf Islamismus, Amoktaten, Terrorismus, Drogenkonsum und „kriminelle Banker“.
Mit der Forderung nach mehr Sozialarbeit, beendete Knud Eicke Buchmann seinen Beitrag.
Roland Wössner stellte zu Beginn klar, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei in den politischen Meinungsbildungsprozess einzugreifen.
Anschließend stellte er fest, dass die Polizei im Schwarzwald-Baar-Kreis auf dem rechten Auge niemals blind gewesen sei und dass es seit 1991/1992 keine großen rechten Aktivitäten, wie beispielsweise Aufmärsche im Schwarzwald-Baar-Kreis, gegeben habe. Natürlich gebe es einen gewissen Personenkreis, aber die Aufgabe der Polizei sei es lediglich Straftaten zu verfolgen.
Außerdem zeigte er sich „sehr betroffen“ und „enttäuscht“ vom Bundesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der Mordserie des „NSU“ und der Vernichtung von Akten und forderte lückenlose Aufklärung.
Allerdings behauptete er, dass Antifaschismus heutzutage annähernd Konsens sei, in der Schule und anderen gesellschaftlichen Bereichen ausreichend vermittelt werde und Rechtsradikalismus allgemein ein abnehmendes Problem sei.
Hierauf wandte Knud Eicke Buchmann ein, dass man die fremdenfeindliche Stimmung und die Erfolge rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien, gerade auch in ganz Europa, nicht unterschätzen solle und das Statements gegen Rechts nicht ausreichen, sondern eine Bekämpfung der Ursachen nötig sei.
Robert Hertkamp stellte in der anschließenden Diskussion fest, dass der historische deutsche Faschismus nicht durch einen Putsch an die Macht gekommen sei, sondern seine VertreterInnen in legalem Rahmen an die Macht kamen. Hieraus folge, dass man demokratische Rechte einer politischen Richtung nicht zusprechen darf, die diese abzuschaffen gedenken, doch die staatlichen Möglichkeiten seien hierbei begrenzt, darum muss Antifaschismus die Aufgabe der Gesellschaft sein.
Mit Bezug auf Knud Eicke Buchmann kommentierte er außerdem, dass die Begrenzung des Faschismus auf pädagogische Missstände gefährlich ist. Rassismus, beispielsweise, und seine Folgen in der Flüchtlingspolitik, sei ebenso ein Problem, wie die Hetze gegen sozial schlechter gestellte, die weit in die vermeintliche Mitte der Gesellschaft hinein salonfähig ist.
Immer wieder brach während des Abends eine Diskussion über die Rolle der Polizei und die Frage der Blockade von faschistischen Aufmärschen auf. Diese wurde vornehmlich zwischen dem Polizeipräsidenten Roland Wössner und dem Vertreter des Aktionsbündnis gegen Rechts Robert Hertkamp geführt und immer wieder auch durch Wortmeldungen aus dem Publikum ergänzt.
Robert Hertkamp argumentierte, dass Blockaden von Naziaufmärschen, organisiert von einem breiten gesellschaftlichen Spektrum, eine effektive und notwendige Möglichkeit sei, gegen Rechts vorzugehen. Dabei kritisierte er anhand von zahlreichen Beispielen, auch das Verhalten des Staats und der Polizei, die, nicht nur in Bezug auf Aufmärsche, generell einen größeren Verfolgungseifer gegenüber AntifaschistInnen an den Tag legten, als gegenüber Rechten.
Herr Wössner konterte hierauf, die Polizei habe nun einmal die Aufgabe gegen StraftäterInnen vorzugehen, seien sie nun rechts oder links zu verorten und kritisierte, dass sich Organisationen wie das Aktionsbündnis gegen Rechts über Gerichte stellen würden, wenn sie von diesen genehmigte faschistische Aufzüge blockierten. Jedoch räumte er auch Fehler von einzelnen Verantwortlichen bei der Polizei ein. Besonders hob er hervor, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei über die Rechtmäßigkeit von Aufmärschen oder Blockaden zu Urteilen, sondern lediglich bestehende Gesetze durchzusetzen. Hierbei gerate die Polizei oft zwischen die Fronten.
Dazu bemerkte Hertkamp, dass sich die Polizei in vielen Fällen selbst nicht an Gerichtsurteile halte. So würden immer wieder Polizeiaktionen im Nachhinein für rechtswidrig erklärt, dennoch würde die Polizei ihr Vorgehen nicht ändern. Als Beispiel hierfür führte er einen Polizeikessel beim Naziaufmarsch in Ulm 2009 an.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurde allen Rednern die Möglichkeit gegeben ein Schlusswort zu halten. Roland Wössner sprach sich dafür aus, gemeinsam gegen Rechts aktiv zu werden, während Knud Eicke Buchmann klarstellte, dass er Ursachenforschung und deren Bekämpfung wichtiger, als direkten Widerstand einschätze.
Robert Hertkamp rief die Anwesenden dazu auf selbst aktiv gegen Rechts zu werden und an der Verhinderung des Naziaufmarsches am 6.Oktober in Göppingen teilzunehmen.
Über weite Teile des Abends, gab es eine kontroverse Diskussion zwischen Roland Wössner und Robert Hertkamp über die richtige Herangehensweise und Vorgehensweise gegen Neonazis. Wie nicht anders zu erwarten, blieben sie sich bis zum Ende uneins. Knud-Eike Buchmann, der Rechts und Links gleichstellte und rassistisches und faschistisches Gedankegut, durch mangelnde Liebe und Zuwendung in der Kindheit, zu erklären versuchte, fand von beiden wenig Beachtung.
Allgemein bleibt zu sagen, dass ca. 60 Personen eine lebhafte Diskussion mitverfolgen konnten und Robert Hertkamp viel Sympathie für sich gewinnen konnte.