Kneipenwirt fürchtet um seine Existenz

Erstveröffentlicht: 
01.09.2012

Tatort Breiter Weg: Vandalen werfen gezielt Scheiben ein / Vermieter resigniert

Wegen anhaltendem Vandalismus fürchtet ein Kneipenwirt in Halberstadt um seine Existenz. Die Polizei hat bislang keine Tatverdächtigen. Beim Vermieter liegen die Nerven blank, er ist kurz davor zu kapitulieren.


Halberstadt l Vier Anschläge in den vergangenen drei Monaten. Andreas Eckermann fürchtet um seine Existenz. Der 45-Jährige hält den Stein in der Hand, mit dem zuletzt eine Scheibe seiner Kneipe zu Bruch gegangen ist. Die Fensterfront der kleinen Gaststätte "Zum Absacker" auf dem Breiten Weg in Halberstadts Zentrum sieht alles andere als einladend aus. Spanplatten anstatt Fensterscheiben zeugen von den vorangegangenen Attacken. "Ich finde den Anblick beschämend", sagt der Wirt und er klingt verzweifelt.

 

Die Polizei nimmt zwar jedes Mal den Schaden auf, ebenso die Anzeige gegen Unbekannt. "Aufgeklärt wurde bislang nichts", sagt der Geschädigte. Auf etwa 3500 Euro belaufe sich mittlerweile der Schaden. Er selbst habe das Geld nicht übrig, um die Reparatur zu bezahlen. "Und mein Vermieter resigniert, was ich sogar verstehen kann", sagt Andreas Eckermann. Immerhin habe es auch schon vor der Anschlagsserie eingeworfene Scheiben und Schäden nach Einbrüchen gegeben. In der massiven Häufigkeit wie zuletzt jedoch nicht. Im Juni sei dem Stein sogar ein Brandsatz gefolgt. Nur dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr sei es zu verdanken, dass die Gaststätte nicht Opfer der Flammen wurde. "Diese Brutalität hatte mich ebenso wie meine Kundschaft total geschockt", sagt Eckermann und wird nachdenklich.

Zu ihm kommen "einfache Leute", die ihr Bierchen trinken möchten, über Fußball und Alltagssorgen reden. Früher, als er 2004 die Kneipe übernommen hatten, seien es mehr gewesen. "Das Geld ist weniger geworden", begründet der Wirt den Rückgang. "Ich werde hier nicht reich, habe aber mein Auskommen, das für mein Leben genügt", sagt der Motorradfan, der sich in seiner Freizeit im Verein MC Westerhausen engagiert. Gibt er seine Selbstständigkeit auf, bleibe dem gelernten Agrotechniker "nur Hartz IV".

"Bislang gibt es keine Tatverdächtigen."
Peter Pogunke, Polizeisprecher

Es wäre schade, wenn die Kneipe schließt, heißt es in der Nachbarschaft. Gehört, wie Glas zerbricht, haben Mieter im gegenüberliegenden Wohnblock schon, auch beobachtet, wie junge Leute mit Rucksack davongeflitzt seien. Zeugen haben sich bislang nicht bei der Polizei gemeldet.

"So wird die Aufklärung auch erschwert", sagt Peter Pogunke, Pressesprecher der Polizeidirektion in Halberstadt. Bislang gebe es keine Tatverdächtigen. Zwar fahren die Beamten auch auf dem Breiten Weg regelmäßig Streife, "doch es ist eben schwer, zur richtigen Zeit am rechten Ort zu sein, um solchen Vandalen das Handwerk zu legen."

"Habe mit dem Pächter keine Probleme."
Vermieter aus Seesen

Das ist auch dem Vermieter des Gebäudes bewusst. Trotzdem liegen seine Nerven blank. Vor neun Jahren hat der Mann aus Seesen das Objekt gekauft und weiter vermietet. "So wollte ich meine Altersruhe finanziell absichern", sagt der Vermieter. Mittlerweile müsse er von seiner eigenen Rente die Reparaturen bezahlen, "da meine Versicherung mit Kündigung droht." Über die Motive zerbreche sich der Vermieter nicht den Kopf. Möglicherweise sei Andreas Eckermann zwischen die Fronten von linker und rechter Szene geraten.

"Ich war selbst 30 Jahre Gastwirt, doch so etwas hatte ich nicht erlebt", sagt der Seesener. Mit dem Pächter habe er keine Probleme und würde ihm nicht gern kündigen. "Wenn jedoch meine Immobilie weiter Zielscheibe bleibt, ..." Der Vermieter beendet den Satz nicht, zumal er bislang nur gute Erfahrungen in Halberstadt gemacht habe.