Wald besetzt: Widerstand an der Tagebaukante in Hambach

Erstveröffentlicht: 
28.07.2012

Kerpen/Hambach. Ganz sicher wird die Polizei kommen und das Camp räumen. Vielleicht schon im Herbst. Thomas, wie er sich nennt, will dann hoch auf sein Baumhaus klettern, 15 Meter senkrecht am Seil hoch, mit Klettergurt und Eigensicherung.

 

«Die Baumhäuser erschweren die Räumung durch die Polizei», sagt er, als er durch das Widerstands-Camp führt: Küche, Dusche, Gemeinschaftsraum, Baumhäuser. Die Umweltaktivisten haben sich im Hambacher Forst eingerichtet.

Bald wird nicht mehr viel vom Forst übrig sein, der der RWE-Erzeugungssparte «RWE Power» gehört. Die Bagger des Braunkohletagebaus Hambach fressen sich durch den Wald. Die hauptsächlich jungen Leute leisten mit ihrem Camp Widerstand - wenn auch eher symbolisch. Das Brummen der Bagger dröhnt durch den Wald. «Es geht um die Zukunft. Der Klimawandel ist im vollen Gang», sagt der Mann mit Wanderschuhen und Rastafrisur. Die Braunkohlekraftwerke seien unter den größten Klimakillern. Die Polizei hat einen Blick auf das Camp, spricht von linkem Klientel.

Vom «linken Klientel» ist Andreas Büttgen weit entfernt. Er arbeitet bei einer Versicherung in der Konzernentwicklung. Mit Frau und Tochter lebt er in seinem Haus im Nachbarort Buir. Der Tagebau wandert unweigerlich auf den kleinen Ort zu - und macht kurz davor Halt. Arbeiten rund um die Uhr, Feinstaub, Lärm, taghelle Erleuchtung - viele Buirer sehen dem mit Schrecken entgegen, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative «Buirer für Buir». Diejenigen Einwohner aus Buir, die bei RWE arbeiteten, sähen vieles aber anders, sagt Büttgen.

Den «Waldmenschen» - wie die Waldbesetzer draußen genannt werden - begegnet Büttgen mit Respekt. Sie schafften mit ihren Mitteln, die Leute im Ort wachzurütteln. Was den Familienvater besonders beeindruckt: «Sie handeln nicht aus einem persönlichen Egoismus, sondern allein aus ihrer Wertvorstellung.» Die rund 20 Aktivisten kommen aus anderen Teilen Deutschlands und aus Europa.

Besetzer und Bürger am Hambacher Forst haben sich angenähert. Die Bürgerinitiative war mit Grundschulkindern im Camp, hat über Natur gesprochen, die Schule das Thema später vertieft. Zu den «Sonntagsspaziergängen» des Camps kommen bis zu 50 Bürger. Der Weg zum Walddorf ist mit gelben Schleifen markiert. Die Besetzer wollen gefunden werden.

Trinkwasser holen sie bei den Mitgliedern der Bürgerinitiative, bekommen dort auch Strom für Handy und Laptop. Aus den umliegenden Orten kommen Lebensmittel und Baumaterial, etwa für das Küchenhaus, das im Rohbau aus Holz fast steht - wer weiß, ob die Umweltschützer es noch beziehen werden. Ein paar Fußminuten vom Camp entfernt ist schon ein breiter Streifen gerodet. «Fakt ist, dass RWE in den nächsten Monaten räumen muss, damit der Tagebau weitergehen kann», meint Büttgen.

RWE-Mitarbeiter haben bei der Polizei Anzeige gegen die Bewohner des Camps erstattet, weil die angeblich mit Steinen auf sie geworfen haben. Die Besetzer verneinen das. Büttgen sieht den Streit gelassen. Auch die Bürgerinitiative sei einmal indirekt von «RWE Power» der Sachbeschädigung verdächtigt worden.

Für einen RWE-Sprecher war der Zwischenfall mit den Steinen keine Kleinigkeit. Der Energiekonzern schaut trotzdem erst einmal nur zu. Der Wald sei schließlich frei zugänglich. «Wir sehen das Camp als Meinungsäußerung», sagt der Sprecher. Solange dort nicht gearbeitet werde, sei es ein offen zugängliches Gelände. Wie lange das so bleiben wird, lässt er offen.