Für Vielfalt auf den Feldern, in den Gärten und auf dem Teller!

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Drei Jahre alt wird in diesen Tagen die deutsche „Erhaltungsverordnug”, die die EU-Richtlinien über Erhaltungssorten in deutsches Recht umsetzt: ein Anlass, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis der Kampagne für Saatgut-Souveränität: auch die Erhaltungsrichtlinien der EU behindern durch ihre Reglementierungen die Erhaltung der biologischen Vielfalt eher als dass sie diese fördern. Sie bieten eine nur sehr kleine und umständliche Nische für den Erhalt der Vielfalt. Das ist ganz im Sinne der Saatgut-Industrie, die sich den Saatgutmarkt für ihre Sorten mit einem hohen Bedarf an Agrarchemie sichern will.


Viele alte und genügsame Pflanzensorten erfüllen die Zulassungsvoraussetzungen des EU-Saatgutrechts nicht. Daher wurden in den drei EU-Erhaltungsrichtlinien von 2008 bis 2010 Ausnahmeregelungen für Erhaltungs- und Amateursorten festgelegt und mit der Erhaltungsverordnung in deutsches Recht umgesetzt. Im kürzlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgeschlossenen Verfahren im Fall Kokopelli hatte Generalanwältin Kokott festgestellt, „dass die Beschränkung biologischer Vielfalt in der europäischen Landwirtschaft zumindest auch auf Regelungen des Unionsrechts beruht” und für weitreichende Änderungen des EU-Saatgutrechts plädiert. Das Urteil des EuGH bestätigte jedoch die bestehende Gesetzgebung. Immerhin verwies es auf die anstehende Überprüfung der Erhaltungsverordnungen bis Ende 2013. Zur Erklärung des Urteils hat die Kampagne für Saatgut-Souveränität „11 Fragen und Antworten” (Quelle im Anhang) sowie eine juristische Analyse des Urteils erstellt (dito).


Obwohl es das erklärte Ziel der Richtlinien ist, zur Erhaltung von landwirtschaftlicher Vielfalt beizutragen, werden darin erhebliche Hürden für alte Sorten und Amateursorten aufgestellt: Mengenbeschränkungen, Dokumentationspflichten und Gebühren”, kritisiert Andreas Riekeberg (Kampagne für Saatgut-Souveränität). Diese Anforderungen stellen sowohl die Richtlinien selber wie auch die Verordnung des deutschen Agrarministeriums, die am 21.7.2009 beschlossen wurde und am 25.7.2009 in Kraft trat. „Angeblich sind sich alle einig, die Vielfalt erhalten und fördern zu wollen – in der Praxis aber werden idealistische Saatgut-Erhalter/innen, wenn sie Saatgut vermarkten wollen, mit der Zulassungspflicht in eine rechtliche Grauzone gedrängt.”


Alte Sorten und Landsorten bilden einen großen Schatz biologischer Vielfalt auf Äckern und in Gärten. Gerade angesichts des Klimawandels und der Verknappung von Erdöl werden sie in Zukunft eine größere Rolle spielen”, erläutert Anne Schweigler und verdeutlicht so die mit der Saatgutfrage verbundene Frage nach dem favorisierten Landwirtschaftsmodell. „Die neuen Sorten der Saatgut-Industrie, die mittlerweile zu einem Zweig der Agrarchemie-Industrie geworden ist, haben einen hohen Energiebedarf, sind sehr uniform und kaum anpassungsfähig an sich wandelnde Bedingungen. Uniformität und Stabilität sind auch bedeutende Kriterien der EU-Saatgut-Gesetzgebung. Industrie-Züchtung und rechtliche Rahmenbedingungen gehen Hand in Hand – aber in die falsche Richtung.”


Ab Herbst 2012 wird der Vorschlag der EU-Kommission für die anstehende Reform der EU-Saatgutgesetzgebung erwartet. Die Kampagne für Saatgut-Souveränität fordert: „Vielfältige, bäuerliche Landwirtschaft sollte auf allen Ebenen gefördert, nicht eingeschränkt und reglementiert werden. Dazu gehört die Förderung von entsprechend vielfältigem Saatgut, das nicht notwendigerweise absolut homogen und stabil sein muss. Außerdem sollte die Zulassung von energie- und chemieintensiven Sorten der Saatgut-Industrie eingeschränkt werden. Die Prioritäten der Sortenzüchtung sind neu zu definieren.”