Angst vor Kündigung und steigenden Mieten

Sollten die Erlanger GBW-Wohnungen verkauft werden, wird auch Helga Siroteks 64-Quadratmeter-Reich an der Hans-Geiger-Straße den Eigentümer wechseln. Es wäre das dritte Mal in den vergangenen 28 Jahren.
Erstveröffentlicht: 
30.06.2012

ERLANGEN  - Nach Informationen der Erlanger Nachrichten könnte die Hängepartie für die Mieter der 2242 Erlanger GBW-Wohnungen noch bis zum Jahresende anhalten.

 

„Wir wollen doch nur nicht zum Spielball werden“, sagt eine Seniorin. Ihre Nachbarin schüttelt energisch den Kopf. „Ich finde es unverschämt, wie man uns behandelt.“ In Grüppchen stehen Bürger im ersten Stock des Rathauses zusammen. Gesten und Gesprächsfetzen lassen nur einen Schluss zu: der Frust bei den Erlanger GBW-Mietern wächst.

Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit die ersten Verkaufsgerüchte die Runde machten. Damals, im März 2009, hatte die Münchner Wohnungsbaugesellschaft GBW AG, eine Tochter der Bayerischen Landesbank, von Siemens Real Estate mehrere Hundert Wohnungen in Erlangen gekauft. Schon kurze Zeit später hieß es, dass die BayernLB ihre Wohnungsbau-Tochter abstoßen könnte und damit fast 2300 Wohnungen allein in Erlangen. Seitdem geht die Angst um vor Eigenbedarfskündigungen, Luxussanierungen und drastischen Mietsteigerungen.

„Wir haben die Hypo Group Alpe Adria schließlich nicht gekauft“, bilanziert Anja Barth vor dem Ratssaal und erinnert noch einmal an die dubiosen Geschäfte, die die Hausbank des Freistaats in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten hat geraten lassen. Für die Folgen will die Erlangerin, die in einer GBW-Wohnung in der Siedlung nördlich der Paul-Gossen-Straße wohnt, nicht gerade stehen.

„Die Miete würde auf jeden Fall steigen“

Um aus dem Schlamassel herauszukommen, muss sich die BayernLB auf Druck der EU-Kommission hin von ihrem 92-prozentigen Anteil an der GBW trennen. Klar ist bisher eines: Krallen sich in einem möglichen freien Bieterverfahren Immobilien-Heuschrecken Anteil und Wohnungen, müssen sich die heutigen GBW-Mieter warm anziehen.

„Die Miete würde auf jeden Fall steigen“, zeigt sich Helga Sirotek überzeugt, sollte ein privater Investor einsteigen. „Sozialvereinbarungen würden allenfalls halbherzig eingehalten.“ Seit 28 Jahren wohnt sie an der Hans-Geiger-Straße nahe der Südkreuzung. Schon zwei Mal wurde das Haus, in dem sich ihre 64 Quadratmeter große Wohnung befindet, verkauft, zuletzt an die GBW. Prompt wurde ihre Miete um einen Euro pro Quadratmeter angehoben. Wie ihr ging es vielen.

Dass sich die Preisspirale weiterdreht, wollen Sirotek, Barth und ihre Mitstreiter auf jeden Fall verhindern. Sie kämpfen um den Verbleib ihrer Wohnungen in öffentlicher Hand und für Sozialstandards. Um zumindest etwas weiterzukommen, versuchen sie den Unmut der GBW-Mieter zu kanalisieren. Jetzt hat Anja Barth eine Bürgerfragestunde im Stadtrat beantragt.

Mehr als 70 Bürger strömen Richtung Ratssaal. Ein Teil muss wegen Überfüllung vor der Tür bleiben und den nach draußen übertragenen Redebeiträgen neben dem Treppenhaus lauschen.

Alles offen

Zunächst hören sie viel Unkonkretes von Oberbürgermeister Siegfried Balleis über die komplexe Materie. Details von den schwierigen Verhandlungen hinter den Kulissen soll die Öffentlichkeit nicht erfahren. Nur so viel: „Es gibt extrem viele Probleme auf der Strecke.“

Applaus brandet auf, als die Vertreter der Stadtratsfraktionen versprechen, man wolle sich für die GBW-Mieter engagieren. „Wir werden uns mit Nachdruck für Sozialstandards einsetzen“, sagt auf Nachfrage auch Balleis zu, schränkt aber gleich wieder ein: „Das wird mitunter sehr, sehr schwierig.“


Im Saal sitzt auch Gewobau-Geschäftsführer Gernot Küchler. Seit kurzem ist er Mitglied im „GBW AG“-Arbeitskreis des bayerischen Städtetages. Dieser prüft derzeit, ob — wie von vielen Mietern gewünscht — ein kommunales Konsortium die GBW-Wohnungen erwerben könnte. Der Ausgang ist noch offen. Dennoch sieht Küchler, wie er den EN sagt, gute Chancen dafür, dass die Gewobau die Erlanger GBW-Wohnungen mittelfristig übernehmen könnte. Allerdings nur, falls die Kommunen in der gewünschten Form zum Zug kommen, sprich: exklusiv.

Am Ende fällt Anja Barths Bilanz ernüchternd aus: „Wirklich etwas Neues haben wir nicht erfahren.“