Freiburger Gericht spricht Neonazi frei

Erstveröffentlicht: 
12.07.2012

Linken mit Auto angefahren

Er raste mit seinem Auto auf vermummte Antifa-Aktivisten zu und verletzte einen von ihnen schwer: Vor dem Landgericht Freiburg ist ein 29-jähriger Neonazi vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen worden. Der Mann habe in Notwehr gehandelt, so die Richterin.


Freiburg - Der Zwischenfall ereignete sich am Abend des 1. Oktober 2011: Der vorbestrafte Neonazi Florian S. wartete in seinem Mitsubishi Colt auf einem Parkplatz in der baden-württembergischen Gemeinde Riegel, er wollte Gesinnungsgenossen zu einer geheimen Party lotsen. Plötzlich liefen vermummte Linke auf ihn zu, einer von ihnen hatte zumindest eine Sprühdose Reizgas dabei.

S. gab Gas - und raste genau auf die Gruppe zu. Zwei Aktivisten konnten ausweichen, ein 21-Jähriger sprang offenbar noch auf die Motorhaube, wurde über das Autodach geschleudert, landete auf dem Asphalt. Er erlitt eine Hirnblutung und lag tagelang im Krankenhaus. Monatelang litt er unter Sprachstörungen.

Florian S. wurde wegen versuchten Totschlags in drei Fällen angeklagt - und nun vor dem Landgericht Freiburg freigesprochen. Eine Straftat sei dem 29-Jährigen nicht zweifelsfrei nachzuweisen, sagte Richterin Eva Kleine-Cosack.

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft gefordert, die Verteidigung wegen Notwehr auf Freispruch plädiert. Nach Ansicht des Gerichts hat der Angeklagte den Tod eines Menschen nicht billigend in Kauf genommen. Er habe sich zudem in einer Notwehrsituation befunden, deshalb sei auch der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nicht zu bestrafen.

"Justitia ist nicht auf dem rechten Auge blind"

S. hatte auf dem Parkplatz gezielt auf die Gruppe zugehalten. Zwar hätte er auch einfach davonfahren können, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Doch sei nicht auszuschließen, dass er durch den drohenden Angriff panisch und verwirrt war. Dagegen sprächen zwar frühere Äußerungen des Angeklagten - auf Facebook soll er wenige Tage zuvor geschrieben haben, er warte nur darauf, "dass mal einer angreift" (und meinte damit offenbar die Antifa). Doch ein Zweifel bleibe, auch weil ihn Polizisten kurz nach dem Angriff als "panisch" erlebten. Und so gilt: "In dubio pro reo".

"Justitia ist nicht auf dem rechten Auge blind", sagte die Richterin. Der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" habe aber auch für Neonazis zu gelten. Die Nebenklage kündigte noch im Gerichtssaal Revision an.

S. ist in der Region ein bekannter Rechtsextrmer, er war Mitglied der Kameradschaft "Südsturm Baden", 2011 kandidierte er bei der Landtagswahl für die NPD. Inzwischen will er sich aus der Szene losgesagt haben, woran die Gegenseite aber Zweifel hat.

Der Prozess hatte auch politische Folgen: Die Rechstanwältin Tina Gröbmayer arbeitet im Team des Pflichtverteidigers. Bis vor kurzem war sie noch Sprecherin der Grünen Alternative Freiburg (GAF). Ihre Kollegen der Wählervereinigung wollten nicht akzeptieren, dass jemand, der politisch links steht, einen Rechtsextremen verteidigt. Sie haben sich überworfen, Gröbmayer ist inzwischen aus der GAF ausgetreten.

hut/dapd