Flüchtlinge protestieren vorm Landtag gegen Heimbedingungen

Erstveröffentlicht: 
11.07.2012

 

Düsseldorf.   Vor dem Landtag richteten Aktivisten ihr Lager ein – wie in mehreren Städten bundesweit. Den Stein brachte auch der Iraner Arash Dosthossein ins Rollen. Weil er nicht zu seiner Freundin reisen durfte.

 

Eine Brise kommt auf, das Zelt rutscht über den Johannes-Rau-Platz vor dem Düsseldorfer Landtag – und die Demonstranten eilen hinterher, ihr Symbolobjekt wieder einzufangen. Eigentlich wollten sie tatsächlich campieren in dem Zelt , um auf die aus ihrer Sicht unzumutbaren Zustände in Flüchtlingsheimen aufmerksam zu machen. So wie die anderen Aktivisten in mehreren Städten bundesweit. Doch die Polizei hatte das verboten. Die Demonstranten dürfen zwar über Nacht bleiben, geschützt von einem Pavillon an einem Brückenaufgang, nur schlafen dürfen sie hier nicht . Alles ist provisorisch und unorganisiert in diesem Lager. Aber es hat eine Geschichte.

 

Die beginnt mit den ersten Studentenprotesten im Iran vor fünfeinhalb Jahren. Der Politikstudent Arash Dosthossein war einer der Aktivisten, lange vor dem arabischen Frühling. Und er bezahlte mit seiner Freiheit. Als das Regime Dosthossein nach einigen Monaten aus dem Gefängnis ließ, flüchtete er in die Türkei. Als sein Asylverfahren dort zu scheitern drohte, ließ er sich von Schmugglern zunächst nach Griechenland bringen, per Boot und zu Fuß über die Berge, um dann mit falschem Pass nach Deutschland zu fliegen. In Dortmund, wo eine Bekannte wohnte, stellte er erneut einen Asylantrag.

 

Bei Verstoß gegen die "Residenzpflicht" droht ein Jahr Gefängnis

 

Man wies ihm eine Unterkunft im Sauerland zu, in Hemer, und erklärte ihm, dass er den Bezirk seiner Ausländerbehörde nicht verlassen dürfe. Bei wiederholtem Verstoß gegen diese „Residenzpflicht“ droht einem Asylbewerber bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe. Arash Dosthossein bekam 40,90 Euro Taschengeld und Lebensmittelgutscheine im Wert von etwa 185 Euro – das sind 40 Prozent weniger Geld als ein Hartz-IV-Empfänger bekommt. Das Bundesverfassungsgericht urteilt nächste Woche, ob dieser Satz erhöht werden muss. „Ich fühlte mich gefangen, konnte nicht atmen, in meinem kleinen Raum, der mich an meine Zelle erinnerte“, sagt Dosthossein. „Das Schlimmste war jedoch, dass ich meine Freundin in Würzburg nicht besuchen durfte.“ Nach fünf Monaten im Heim beschloss der 32-Jährige, die Residenzpflicht zu ignorieren und ging nach Würzburg, um dort mit weiteren Iranern öffentlich zu protestieren. Sie brachten eine Welle ins Rollen.

 

Verschiedene Flüchtlingsorganisationen schlossen sich an. Das Würzburger Zeltlager existiert noch immer. Im benachbarten Aub, in Bamberg und in Osnabrück entstanden weitere Camps. In Düsseldorf haben rund 50 Aktivisten am Dienstag nach einem Protestmarsch das Lager eingeweiht, in Regensburg soll ein weiteres entstehen. „Kein Mensch ist illegal“ haben die Aktivisten sich auf die Pullover geklebt – und das ist auch schon der Kern ihres Anliegens.

 

Ein Häuflein, ignoriert von den Passanten

 

Da ist „Vicky“, von der Occupy-Bewegung , die sagt: “Sie haben keine Aufenthaltsgenehmigung, weil sie nicht arbeiten. Und sie bekommen keine Arbeit, weil sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben.“ „Sharon“ von der „Roten Antifa“ aus Essen, die sich solidarisch zeigen will. Die Düsseldorfer Flüchtlingsinitiative ist vertreten und der Verein „Karawane“. Tagsüber sind sie nur ein Häuflein, ignoriert von den Passanten. Jeden Abend um 20 Uhr wollen möglichst viele zusammenkommen – vier Monate lang.

 

Und Dosthossein, der seit Monaten von Spenden lebt, koordiniert mit dem Handy die Proteste. Sein Schicksal wird vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht entschieden, erklärt sein Anwalt Marcel ­Keienborg. Offenbar hat der Protest in Würzburg eine gewisse Wirkung gezeigt. Acht Iraner waren dort im Hungerstreik, fünf von ihnen hätten mittlerweile politisches Asyl bekommen, sagt ­Keienborg. Dosthossein selbst erklärt, er sei „schon immer politisch gewesen, und es geht mir auch jetzt darum, die Zustände zu ändern. Aber egal was passiert, ich gehe nicht zurück ins Heim.“