Oops, he did it again! – Vassilis Paleokostas wieder ausgebrochen!

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Ungewöhnlich, aber ab und an gibt es auch mal einen Jubelartikel. Denn wir haben leider nicht oft die Möglichkeit euch über Ausbrüche innerhalb des europäischen Raumes zu berichten. Diesmal ist es aber anders. Denn wie wir aus der bürgerlichen Presse erfahren durften, hat es Vassilis Paleokostas, einer der berühmtesten „Verbrecher” Griechenlands, schon wieder geschafft dem dummem griechischen Knastsystem einen Scherz zu spielen. Vassilis ist am 22.2.09 dank der Hilfe eines Hubschraubers aus dem Hochsicherheitsknast Korydallos in Athen, zusammen mit einen Mitgefangenen – Alket Rizai, entkommen. Und das nur einen Tag bevor sich beide vor einen Gericht für ihren letzten gemeinsamen Ausbruch per Hubschrauber vor drei Jahren hätte verantworten sollen. Vor drei Jahren wurde der Hubschrauber von Vassilis’s Bruder Nikos organisiert, diesmal laut Presse von einem unbekannten Paar, außerdem wurden von den Schließern auf den Hubschrauber geschossen, was mit einer Maschinengewehrsalve beantwortet wurde. Der Hubschrauber wurde später in der Umgebung von Athen aufgefunden. Von dort hatten sich die Entflohenen und die BefreierInnen mit dem Pkw aus dem Staub gemacht.

Über solch einen erfolgreichen Ausbruch kann mensch nicht viel sagen, als die Hände für die beiden zu klatschen und hoffen, dass sie weiter in Freiheit bleiben. Die lange Geschichte von Vassilis geben wir hier zum Teil wieder, sowie ein paar Sätze zur Gesamtsituation in Griechenland.

 

Etwas zur Vorgeschichte…


Seit dem Zerfall des Ottomanischen Imperiums im Jahr 1821 hat Griechenland hat eine populäre und große Tradition von sozialen und proletarischen Räubereien als Antwort auf Ausbeutung und Armut. Diese Leute holen das Geld zurück aus den Händen der Reichen, Obrigkeiten, Ausbeuter, und gewöhnlich verstecken sie sich in den Dörfern. Auch durch die Hilfe der Menschen von dort, welche jegliche Kooperation mit der Polizei ablehnen und Schutz vor den Obrigkeiten bieten. Die Rebellen hatten immer gute Verbindungen zu den Menschen und haben immer für die Gemeinschaft in Form von finanzielle Unterstützung für Bildung, medizinische Behandlung und Schutz vor der Polizei gesorgt.
Innerhalb einer solche Realität, die beiden Brüder Vasilis und Nikos, und viele andere auch, welche in einer armen Familie aufwuchsen, konnten nocht länger die Ausbeutung und Unterdrückung von sich selber und an den Menschen in der Gesellschaft um sie herum ertragen. Deshalb haben sie ihre Leben in den letzten 30 Jahren als soziale Rebellen gelebt. Sie haben zahlreiche Banküberfälle, Autodiebstähle und Fluchten aus dem Knast hinter sich, haben allerdings nie schicke Klamotten getragen, teure Autos gefahren oder in Luxushäusern gelebt. Tatsächlich haben sie einmal das Geld zurück auf den Boden der Bank geworfen, weil es zu wenig für die Sache, für die sie es brauchten, war.
Alles wurde immer dorthin gesendet, wo es gebrauchen wurde und mit den Leuten, die ihnen Schutz geboten und niemals ein Wort gegenüber der Polizei über sie ausgesprochen haben, verteilt. Innerhalb dieser ganzen Jahren haben sie immer im Untergrund gelebt. Von Zeit zu Zeit wurden sie von der Polizei gefunden, was dann zu einer Flucht in einem gestohlenem Auto oder unglücklicherweise zu einer Zeit im Knast führte. Allerdings sind sie immer wieder geflüchtet mit Hilfe des anderen.
Durch den 80igern führten sie eine Vielzahl von Banküberfällen durch, bis zu dem Zeitpunkt an dem Nikos 1988 im Knast landete. Aber nach nur ein paar Tagen wurde er von seinem Bruder wieder befreit, indem dieser ein Seil über die Knastmauer geworfen hatte.
Zwei Jahren später im Februar 1990 wurde Nikos erneut verhaftet. Einen Monat später wurde auch Vasilis zusammen mit ein Kumpel verhaftet, als er versuchte seinen Bruder zu befreien. Dies war das einzigste Mal, wo beide gleichzeitig im Knast saßen.
Im Dezember 1990 schaffte es Nikos aus dem Korydallos Knast in Athen zu flüchten, während ein großer Knastaufstand stattfand. Die Polizei suchte die nächsten 16 Jahre nach ihn, bis er 2006 nach einem Verkehrsunfall endgültig verhaftet wird. Seitdem war er nicht mehr draußen.
1991 schaffte es Vasilis aus dem Halkida Knast zu flüchten. Er raubte 1992 eine Bank aus und im Jahr 1995 vollzogen beide zusammen einen Banküberfall in Athen. Im Dezember 1995 werden beiden beschuldigt den Präsidenter der „Halvas”-Fabrik, Haitoglou, entführt zu haben. Angeblich haben sie ihn nach vier Tage und der Zahlung von 750.000 Euro Lösegeld laufen lassen. Der Innenminister erließ einen Haftbefehl, welcher im Fernsehen, Radio und auf Plakate veröffentlicht wird, inkl. ihren Bildern und einer Belohnung in der Höhe von genau 750.000 Euro.
1996 wurde Vasilis von der Polizei in Korfu ausfindig gemacht, aber mit Hilfe eines Autos schafft er es von ihnen zu flüchten. Zwei Jahre später findet eine ähnliche Situation im Yanitsa statt und nochmal im Mai 1999. Nikos gelingt ein spektakulärer Ausbruch mittels eines Hubschraubers im Jahr 2003. Mit Hilfe eines Fahrrades raubt Nikos 2006 eine Bank in Veria aus. Seine Flucht wird garantiert, weil die gesamte Polizei mit dem Schutz des Präsidenten, welcher gerade einen Besuch in den Straßen Verias abhält, beschäftigt ist. Im September 2006 wird er bei einen Autounfall erneut verhaftet, nach vielen Jahren in einem Leben flüchtend und sich versteckend.

 

Die letzte Inhaftierung…


Am 20. August 2008 wurden vier Personen in Griechenland verhaftet mit dem Vorwurf der Entführung, bei welcher auch hohes Lösegeld gezahlt wurde. Die Verhafteten sind Polikarpos Georgiadis, Vasilis Paleokostas, Vagelis Hrisohoides und eine vierte Person, von welcher sich die anderen distanziert haben aufgrund seines Verhaltens. Am 21. wurden vier weitere Personen verhaftet, weil sie eine untergeordnete Rolle bei der Entführung gehabt haben sollen.
Die Person, welche entführt wurde, ist Georgos Mylonas, der Chef der Union der Schwerindustriebesitzer (Arbeitgebergewerkschaft). Er sorgte vor nicht all zu langer Zeit für Aufregung, indem er längere und härtere Arbeitszeiten in den Fabriken befürwortet hatte. Er wurde nach einer Zahlung von 10 Millionen Euro wieder freigelassen, welche von seiner Ehefrau arrangiert wurden.
Die Medien und die Polizei behaupten das Geld hätte dem Ziel gedient Nikos Palaiokostas, Vasilis’s Bruder, aus dem Knast zu befreien. Bilder in der bürgerlichen Presse zeigen eine große Anzahl von Munition, Kalashnikovs, einer Panzerfaust, Sprengstoff, kugelsicheren Westen und Anzüge der Feuerwehr, welche bei der Verhaftung gefunden worden sind. Über die Menge des gefundenen Geldes gibt es jeden Tag eine neue Geschichte. Der Polizei sagt, dass ein Großteil der Scheine markiert war und in über 150 verschiedenen Lokalitäten gefunden.

Der Geschichte und die Traditionen von Vagelis, Vasilis und Polikarpos in diesem Fall, genauso wie die von viele anderen Schlägen gegen die Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen, sind wichtig um den Kontext dieser Entführung – und der soziale Rebellion innerhalb der alltäglichen Realität – zu verstehen.
Polikarpos und Vagelis sind seit Jahren beliebte Genossen in der anarchistischen Szene und waren sehr aktiv. Polikarpos wurde erstmals am 16. April 2004 ins Gefängnis gesteckt, weil er versucht hatte mittels eines Zeitzünders ein Fahrzeug einer Sicherheitsfirma gehörte in Brand zu stecken. Daraufhin versuchte die Polizei ihn wegen versuchter Brandstiftung und Besitz von Sprengstoff anzuklagen, aber sie konnten nichts beweisen. Er saß ein Jahr in Untersuchungshaft, wurde für schuldig erklärt, kam aber frei, weil das Urteil ein Jahr Knast war und er dieses schon abgesessen hatte.
Während seines Knastaufenthalts lernte er Vasilis kennen. Die bürgerlichen Medien beschuldigt ihn zu dieser Zeit außerdem ein Bankräuber zu sein, dies passt es ihnen heutzutage gut, um zu deklarieren, dass Vasilis „Polikarpos ausgewählte, um sich an der Verschwörung zur Befreiung seines Bruders Nikos zu beteiligen”. Diese zwei Brüder sind seit Jahrzehnte berühmte „Legenden” in Griechenland.

 

Die gegenwärtige Situation…


Polikarpos sitzt immer noch im Knast und beteiligt sich aktiv an der Diskussion mit den GenossInnen draußen, sowie an den Protesten, die drinnen stattfinden (zwei Beiträge von ihn werden in unserer demnächst erscheinenden Broschüre über die Hungerstreiks in den Knästen in Italien, Deutschland und Griechenland zu finden sein).

Der Ausbruch hat für „Unruhe” innerhalb der Reihen der Knastleitung und der griechischen Justiz gesorgt und etliche Köpfe wurden fallen lassen.
Knastausbrüche durch die Anwendung von (entführten oder gemieteten) Hubschraubern sind keine neue Erfindung, es gab innerhalb der letzten Jahren schon einige, z.B. in französischen Knästen. Der Weg zu solch einer erfolgreichen Ausbruchsmethode wurde aber von der IRA (Irish Republican Army) eröffnet. Am 31.10.1973 schaffte es ein Kommando der IRA auf dem Hof des Mountjoy-Knastes in Dublin mit einen entführten Hubschrauber zu landen und verschiedene IRA-Kämpfern zu befreien. Bevor die Schließer realisieren könnten was passierte, war der Hubschrauber schon wieder weg. So „einfach“ geht das.

In Zeiten der Finanzkrise und der des Kapitalismus können wir uns und den Gefangenen nur wünschen, dass Hubschrauber bald zu billigen Preisen auf Ebay oder sonst wo zu finden sein werden…

Hubschrauber für alle – Knäste für niemanden!

ABC Berlin