Vor
zwei Wochen, am Dienstag den 19. Juni, wurde das Neonazi-Netzwerk
„Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ durch das Brandenburgische
Innenministerium verboten. In diesem Zusammenhang folgte eine groß
angelegte Razzia. Bei 25 Neonazis aus den mittlerweile verbotenen
Strukturen kam es zu Hausdurchsuchungen. Zeitgleich räumten Neonazis in
Cottbus die Räumlichkeiten des Thor-Steinar-Ladens „Oseberg“ leer. [1] [2] [3] [4] [5]
Seit ungefähr zwei Jahren verfestigte sich in Südbrandenburg ein neues Spektrum von organisierten Neonazis. Der selbsternannte „außenparlamentarische Widerstand“, entstanden aus Strukturen der Freien Kräften und Kameradschaften, versuchte bundesweit eine Avantgarde-Stellung innerhalb der mehr werdenden parteiabgeneigter Neonazis zu erreichen. Mit neuaufgesetzter rassistischer und NS-verherrlichender Hetze versuchten sie, fokussiert auf innovative Aktions- und Propagandaformen, Akzente zu setzen. Besonders intensiv war die Rekrutierungsarbeit innerhalb der Kreise kampfsportfaszinierter Jugendlicher und gewaltbereiter Anhänger des FC Energie Cottbus.
Ein Hauptinitiator der Vorreiter-Gruppe „Spreelichter“, Marcel Forstmeier aus Lübbenau, welcher letztens in einem Interview eines Fernsehsenders seine Anonymität aufgegeben hat, organisierte einzelne Aktionsgruppen. Unter der Obhut der „Spreelichter“ entstanden in Städten wie Senftenberg, Vetschau, Spremberg und Cottbus Gruppierungen mit regionalem Drehpunkt. Jahrelang initiierten diese Gruppen im gemeinsamen Kontext Kampagnen und führten unterschiedlichste Aktionen durch. Mit massenweise verklebten Aufkleber und Plakaten sowie vielen großflächig angesprühten Parolen wurde versucht, das Stadtbild an sich zu reißen. Zahlreiche Artikel und Publikationen wurden verbreitet, um extern aber auch in den eigenen Reihen ideologische „Schulungsarbeit“ zu leisten.
Großes mediales Aufsehen erreichten die Neonazi-Strukturen als für Nazi-Täter_Innen „Heldengedenken“ durchgeführt wurden, mit dem Versuch „Nationale Kampfsportturniere“ zu etablieren und mit Aufmärschen innerhalb der Kampagnen „Volkstod stoppen“ und „Werde unsterblich“.
Gruppierungen unter dem Label „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ bildeten so einen Schwerpunkt neonazistischer Problematik in Südbrandenburg. Schon lange nahmen die „Spreelichter“ mit ihren Aktionszellen auch überregional eine relevante Funktion ein. Sie übernahmen zum Teil die Mobilisierung zu Neonazi-Großaufmärschen in Dresden und Magdeburg. Nicht selten versuchten sie auch, Teil bürgerlicher Proteste zu werden, wie etwa anlässlich von Rücktrittforderungen deutscher Politiker oder des Handelsabkommens „ACTA“. Auch andere neonazistische Zusammenhänge wie z.B. in Sachsen und Niedersachsen übernehmen die Rhetorik und Aktionsfelder der „Spreelichter“ und versuchen diese zu kopieren. [...]
Repressionswelle und Verbot – Ende der Unsterblichkeit?
Die Kampagne „Werde unsterblich“ mit der Absicht den vermeintlichen „Volkstod“ zu stoppen, welcher sich die „Spreelichter“ und ihr Netzwerk stark zugewandt haben, transportierten rassistische Inhalte mit eindeutiger Annäherung an die „Volksgemeinschaft“ des Hitler-Faschismus. Konspirative nächtliche Aufmärsche mit weißen Masken stoßen auf Resonanz innerhalb der neonazistischen Szene. Der neue Aktionsspielraum der Mystik und Inszenierung dezentraler Aufmärsche zog die ersten Hausdurchsuchungen nach sich.
Im Januar 2012 wurden, ausgehend von Sächsischen Polizei-Behörden, 44 Wohnungen von Neonazis in vier Bundesländern durchsucht. Den Neonazis, darunter auch elf aus Großraum Cottbus, sollte die Teilnahme an einem Aufmarsch der „Unsterblichen“ im sächsischen Stolpen im Jahr 2011 nachgewiesen werden. Mit einem sarkastischen Clip „Maskenball“ und einer Anleitung gefüllt mit Halbwissen zum Umgang mit Hausdurchsuchungen versuchten die „Spreelichter“ die Repression aufzuarbeiten. Begleitet von Solidaritätsbekundungen aber auch einzelnen Distanzierungen anderer rechter Zusammenhänge, setzte die „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ ihre politische Praxis fort.
Einige Monate später, am 19. Juni ergriff das Brandenburgische Innenministerium die Gelegenheit, die Gruppierungen juristisch zu verbieten und damit aufzulösen. In der 60-seitigen Verbotsverfügung konzentrierte sich die Argumentation des Ministeriums diesmal mehr auf die politische Ausrichtung und Inhalte des Netzwerks sowie die Gesamtheit ihrer Aktionen. So heißt es:
„Die Vereinigung weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf und zeichnet sich durch ein aktiv-kämpferisches Vorgehen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung aus.“ [6]
In Cottbus, Lübben, Lübbenau, Spremberg, Vetschau und Forst durchsuchten 260 Polizist_Innen Wohnungen, Garagen und Gewerberäumlichkeiten, um das Verbot durchzusetzen und Material zu beschlagnahmen. Mehr als 25 Neonazis der „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ und insgesamt 27 Objekte waren von der Razzia betroffen. Beschlagnahmt wurden Waffen, massenweise neonazistisches Propagandamaterial, Transparente und Utensilien der „Unsterblichen“-Aufmärsche sowie eine SS-Totenkopf- und Hakenkreuz-Fahne, außerdem 120 Computer, zahlreiche Datenträger und 24 Video- und Fotoausrüstungen. Auch eine „Vereinskasse“ mit Bargeld wurde beim Initiator Forstmeier eingezogen. [7] [8] [9]
Um den Neonazis das Handwerk auch im Internet zu legen, wird derzeit vom Ministerium versucht, deren Internetpräsenzen abzuschalten. Dies ist jedoch nicht so einfach, da ihre Server teilweise in der Schweiz liegen. Alle Internetseiten des Netzwerkes „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“, dazu gehören spreelichter.info - senftenberger.blogspot.de - vetschaufenster.info - logr.org/spremberg - cb-infos.net und ihrer Kampagne werde-unsterblich.info sind derzeit noch aktiv. Die Abschaltung dieser ist nach Angaben des Innenministeriums jedoch nur noch eine Frage der Zeit.
Die Seite der „Spreelichter“ ist derzeit demaskiert und nur mit einem Zitat und weiterführenden Links zu befreundeten Neonazi-Gruppierungen gefüllt, andere Seiten sind seit dem 19. Juni zwar nicht aktualisiert aber noch aktiv. Lediglich die Aktionsgruppe aus Senftenberg, die in keinem Bericht erwähnt wird, schreibt auch noch nach dem Verbot neue Artikel. Jedoch wird jeglicher Bezug auf das Verbot und Razzia vermieden, wodurch eine Distanz zu den „Spreelichtern“ vorgespielt werden soll. Die Aktivitäten der Gruppierungen auf der Internet-Plattform „Twitter“ laufen dagegen weiter; es werden Beiträge zur Solidarität mit den verbotenen Strukturen aufgerufen.
Für mehr als nur Verbote – eine linksradikale Perspektive
Die „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ ist also zum Großteil mitsamt ihren Einzelgruppen verboten. Ihre Anonymität innerhalb polizeilicher Ermittlungsbehörden haben sie verloren und werden aufgrund der beschlagnahmten Gegenstände weiterhin verfolgt. Ihre Internetseiten werden höchstwahrscheinlich demnächst abgeschaltet und die Ausrüstung zur Anwendung des Know-hows ist auch weg. Die „Vereinskasse“ wurde mitgenommen und sie werden auf andere finanzielle Mittel zurückgreifen müssen, um die bevorstehenden Repressionskosten zu bewältigen.
Das Verbot wird die Neonazi-Strukturen stark beschäftigen und für einige Zeit handlungsunfähig machen. Unklar bleibt dabei, wie vorbereitet die Strukturen auf ein Verbotsverfahren sein konnten und wie sie genau damit umgehen. Denn wie sich aufgrund des medialen Drucks nur unschwer erahnen ließ, kamen diese nicht überraschend. Bemerkenswert ist dagegen, wie lange sich die Behörden dem Treiben der völkischen Freaks zugesehen haben. Im Vergleich zum Vorgehen staatlicher Repressionsorgane gegenüber linker Strukturen im Rahmen der „Extremismusdoktrin“, gilt es nachhaltig für Schutz vor Repression zu sorgen.
Zwar ist in der Verfügung ein Verbot von „Ersatzorganisationen“ manifestiert, doch das wird kaum ideologisch-festgefahrene Neonazis davon abhalten, Mittel und Wege zu finden weiterhin aktiv zu sein. Ideologien lassen sich nicht verbieten, sondern nur gemeinsam mit den Ursachen bekämpfen. Rassismus, Homophobie und Antisemitismus vorangetrieben durch Sozialchauvinismus während der wiederaufkehrenden kapitalistischen Krisen, muss eine Kritik und Praxis gegen Staat, Nation und Kapital entgegengestellt und der Nährboden für reaktionäre Ideologien entzogen werden.
Kein „Oseberg“ mehr in Cottbus Fotodokumentation
Am selben Dienstagmorgen des 19. Juni räumten die Besitzer des rechten Thor-Steinar-Ladens „Oseberg“ in der Cottbuser Bahnhofstraße die Räumlichkeiten endgültig leer. Seit zwei Jahren existierte der Laden direkt in der Cottbuser Innenstadt. Mit der „trendigen“ rechten Marke wurde versucht, nationalsozialistische Bezüge und völkische Inhalte zu verbreiten und Profit zu schlagen. Eingemietet hatte sich der Betreiber in ein Privathaus, dessen Eigentümer bei Vertragsabschluss ein Katalog der Marke vorgelegt wurde. So war es nicht möglich mit rechtlichen Schritten und Räumungsklagen vorzugehen, da vom Vermieter kein Interesse daran bestand.
Keine Frage: In Cottbus war der Absatzmarkt groß, überall finden sich Personen mit Kleidungsstücken der rechten Marke. Doch ein ganz „Überraschendes Aus“ [10], wie die lokale Zeitung schreibt, war es nicht. Seit dem Eröffnungsdatum in 2010 kam es regelmäßig zu kreativen Aktionen gegen den rechten Laden. Die Besitzer des Ladens bemühten sich zwar, die Sachschäden zu beseitigen, hatten jedoch während des letzten halben Jahr scheinbar resigniert. Sichtlicht abstoßend in der Außenwirkung und mit teils geschlossenen Rollläden, was auf demolierte Scheibenfront vermuten lässt, schien es, als hätten die Besitzer des Ladens aufgegeben. Dies erklärt auch die Gewerbeabmeldung zum 30. Juli.
Mit der unfreiwilligen Schließung des Ladens gibt es ein positives Beispiel, wie ein Stück rechter Erlebniswelt eingedämmt werden kann. Allerdings wird nirgendwo thematisiert, dass in Cottbus seit mehr als 5 Jahren ein weiterer Neonazi-Laden „The devils right hand store“ residiert und eine viel breitgefächerte Auswahl neonazistischer Artikel anbietet. Ein Zusammenhang zwischen dem Verbot der „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ und der Schließung von „Oseberg“ kann nicht hergestellt werden.
[Stand 03.07., Antifa Cottbus]