Ägypten: Machtpoker, Bündnisse und Massenmobilisierung

Ägypten

Waren der Samstag und teilweise auch noch der Sonntag von einem massenhaften Aufschrei gegen das alte Regime, seine Transformationsstrategien, die ausbleibende, zumindestens symbolische Gerechtigkeit für die vielen hundert Toten des Aufstandes geprägt, haben nun die politischen Gruppen und Figuren die Regie übernommen.


Am Samstagabend der Tahrir mit weit über 100.000 DemonstrantInnen gefüllt, nur die ägyptische Fahne wehte über dem Platz neben den Fahnen und Wimpeln der Ultras der beiden grossen Clubs aus Kairo, deren Marsch auf das Innenministerium von "verantwortungsbewussten" politischen AktivistInnen geblockt worden war (wie auch schon während der Kämpfe nach dem Massaker von Port Said).

Am Montagabend dann nur noch einige Tausend, dafür unzählige Fahnen und Transparente fast aller politischen Lager.
Die Unterlegenden der Präsidentschaftswahl, der "Post-Nasserist" Hamdeen Sabbahi, der "gemässigte" ehemalige Moslembruder Abdel Moneim Abul Fotouh, sowie der Menschenrechtsaktivist Khaled Ali treten gemeinsam auf. Sie fordern eine Aussetzung der Stichwahl zur Präsidentschaft, bis ein Gericht über den Einspruch gegen die Kandidatur von Ahmed Shafik entschieden hat.

Ahmed Shafik , Mubaraks letzter Premierminister, war zuerst von den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen worden , da ehemalige Angehörige des Mubarakregimes und der Regierungspartei eigentlich nicht zur Kandidatur berechtigt waren.
Die Wahlkommission hatte jedoch seinem Einspruch stattgegeben und er hatte im ersten Wahlgang völlig überraschend fast ein Viertel der Stimmen erhalten, wäherend die ehemalige Regierungspartei Mubaraks bei den Parlamentswahlen unter 2 Prozent geblieben war.
Seitdem kursieren Gerüchte über massive Wahlfälschungen in Ägypten.

Mohammed Morsi ,  Kandidat der Moslembrüder in der Stichwahl gegen Ahmed Shafik, eilte schon am Samstagabend medienwirksam für eine Stippvisite zum Tahrirplatz, in zahllosen Interviews gerierte es sich als "Verteidiger der ägyptischen Revolution", gab Versprechungen ab, unter seiner Führung werde der Prozess gegen Mubarak, seine Söhne, den Innenminister und die hohen Bullenoffiziere neu aufgerollt.

Schon seit dem Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen läuft das Geschachere um die Macht in den Hinterzimmern der Parteien und Bündnisse. Alle gehen bei Mohammed Morsi ein und aus, es werden Absprachen getroffen für Posten und inhaltliche Zugeständnisse für den Fall eines Wahlerfolges und so mancher linker Politiker landet dann überraschend im Lager von Ahmed Shafik, weil er sich nicht handelseinig mit Mohammed Morsi geworden ist.

Dieser wiederum hat heute, völlig überwältigt von soviel eigenem revolutionären Elan, die geplanten Gespräche mit dem SCAF abgesagt.
Dieser könnte ihm wohl als einzige Instanz seinen Wahlsieg mithilfe massiver Manipulationen streitig machen.
Das wissen die Moslembrüder sehr genau, die auch von den USA massiv gestützte Interessenkoalition zwischen Militärrat und Moslembrüdern ist die gesamte Zeit über eine fragile Angelegenheit geblieben.

Im Kampf gegen die wilden Streikwellen, die das Land immer wieder überziehen, marschiert man Seite an Seite, in der Frage des Einflusses des Islam auf die Gesellschaft (siehe die Auseinandersetzung um die verfassungsgebene Versammlung) z.b. gerät man immer wieder aneinander.

Die "verantwortungsvollen Revolutionäre" der Gruppen der "Revolutionären Allianz" haben nun für heute zu neuen Massenprotesten aufgerufen.
Angeführt werden sollen die drei Protestzüge in Richtung Tahrir Platz von Hamdeen Sabbahi, Abdel Moneim Abul Fotouh, sowie Khaled Ali.

Da muss natürlich Mohammed Morsi sogleich in die Welt "twittern", dass er auch zum Tahrir Paltz kommen werde, wenn er schon keinen eigenen Demonstrationsszug bekomme.

Unterdessen mahnt der IWF an, endlich eine Strategie zu entwickeln, damit die allein vom IWF bereitgestellten 3 Milliarden Wirkung entfalten könnten, was natürlich mit dieser Dauersubventionierung von Heizgas/öl und Kraftstoffen nicht gehe.
Vom Streikrecht war in den Mahnungen des IWF nicht die Rede, das wurde ja in einem der ersten von den Moslembrüdern eingebrachten Gesetzen erstmal noch weiter eingeschränkt.
Von der selbsternannten "Avangarde des Tahrir Platzes" war in diesem Kontext übrigens nicht viel zu hören.

Schauen wir, wie "die Strasse" sich heute abend und in den nächsten Tagen zu Wort meldet....

 

recherchegruppe aufstand für linksunten

 

http://uprising.blogsport.de/