+ Breites Bündnis protestiert mit Frühstück,
Demonstration und Sitzblockaden + Polizei setzt Aufzug der Neonazis mit
Gewalt durch + Kritik an Einsatzkräften der Polizei
Am 12. Mai
gab es anlässlich eines Neonaziaufmarsches der NPD einen Aktionstag
unter dem Motto “Grenzenlos leben ohne Nazis”. Darunter fielen
zahlreiche Proteste und Aktionen sowieneun Sitzblockaden. Den nach
Polizeiangben 100 Neonazis standen mehr als 700 Protestierende entgegen.
Der Tag begann mit einem interkulturellen Bürgerfrühstück im
Brunschwigpark,welches im Anschluss zu einer Demonstration durch den
Cottbuser Stadtteil Ströbitz wurde.
Auf der Demonstartion sprachen u.a. Beate Klarsfeld, die Bildungsministerin Martina Münch und eine Vertreterin eines internationalen Studiengangs an der BTU Cottbus. Der Tag endete mit einem kleinen Straßenfest. Cottbus Nazifrei! ist mit den Protesten zufrieden, kritisiert aber dieunangemessen Aktionen der Polizei.
+++ Fotos Naziaufmarsch: http://www.flickr.com/photos/63402479@N08/sets/72157629739923028/ +++
Der Aktionstag “Gernzenlos leben ohne Nazis”, zu dem unter anderem der
“Cottbuser Aufbruch” und das Bündnis “Cottbus Nazifrei!” aufgerufen
hatten, begann mit einem Akt der Solidarität: solidarisch wurde das
Essen im Brunschwigpark auf einem Buffet geteilt, u.a. mit
internationalen Studierenden der BTU Cottbus. Auf der Kundgebung dort
wurden verschiedene Reden, z.B. von der investigativen Journalistin
Beate Klarsfeld gehalten, die in der Bundesrepublik zahlreiche Altnazis
enttarnt hatte. Klarsfeld warnte vor der NPD und sprach sich mit
Nachdruck für ein Verbot der Partei aus. Eine Vertreterin des
internationalen Studiengangs ERM der BTU Cottbus schilderte die
Situation ihrer Komilitonen, die sich im Alltag bedroht fühlen.
Unterstützung gab es auch vom Bündnis “Kein Ort für Nazis”, das eigens
aus Frankfurt (Oder) angereist war, um gemeinsam mit den Cottbusern zu
protestieren.
Der Demonstrationszug mit rund 700 Teilnehmenden
setze sich dann in Richtung Bahnhof in Bewegung. Als der
Demonstrationszug den Spreewaldbahnhof erreichte wurde die Kreuzung vor
dem Hinterausgang des Hauptbahnhofs durch mehr als 400 Menschen
blockiert. Nach mehr als einer Stunde wurden die Umherstehenden Zeuge,
wie die Polizei rund 90 Neonazis den Weg frei machte und unter ihren
Augen über den Bürgersteig hinter einer Bushaltestelle an den Blockaden
vorbei führte.
“Das Handeln der Polizei war reine Provokation.
Sie hätte das Häufchen zugereister Ewiggestriger in die Züge bringen und
nach Hause schicken sollen”, so Sonja Newiak (60) und Mitglied des
Sprecher*innenrates von Cottbus Nazifrei! . “Gegen den Neonaziaufmarsch
am 12. Mai haben zwei große Bündnisse mit unterschiedlichsten
Organisationen mobilisiert. Dennoch setze die Polizei unter den Augen
von Familien und Kindern den Aufmarsch einer Partei durch, welche die
Meinungsfreiheit abschaffen will! Mit unseren Protesten haben wir aber
ein deutliches Zeichen gesetzt, dass wir den Nazis die Straßen nicht
überlassen.” Der Demonstrationszug der Neonazis wurde mehrfach
umgeleitet, dauerte 5 Stunden und oftmals musste die Neonazis tatenlos
herum stehen.
Doch die Protestierenden wurde nicht müde und
starteten immer neue Blockadeversuche entlang der Aufmarschroute der
Neonazis. z.B. mit mehr als 150 Menschen auf der Sandower Brücke. Unter
anderem wurde versucht den Zugang zur Oberkirche zu blockieren, da dort
die erste Kundgebung stattfinden sollte. Dann erfolgten Blockaden mit
bis zu 200 Teilnehmer auf den strategisch wichtigen Spreebrücken.
Insgesamt fanden acht Blockaden in der Cottbuser Innenstadt statt. Als
die Nazidemonstration über die Sandower Straße auf die besetzte Brücke
zukam, eskalierte die Situation: Neonazis zündeten Böller und
versuchten, diese in Richtung der Blockierenden zu werfen – daraufhin
schlugen Ordner der NPD auf Teilnehmer der eigenen Demonstration ein.
Die Blockade dagegen hielt stand, weshalb die Polizei die Route
verkürzte und den Aufzug der Neonazis auf der Altstadtseite in Richtung
Franz-Mehring Straße weiterleitete. Dort war bereits die zweite Blockade
errichtet, welche die Polizei räumte. Daraufhin formierte sich auf der
Franz Mehring Straße, Höhe Briesmannstraße eine weitere Sitzblockade von
30 Protestierenden. Diese wurde vor den Augen eines städtischen
Sozialarbeiters unter der Anwendung von Tritten, Schmerzgriffen, Würgen
und Fauststößen geräumt. Trotz friedlicher Sitzblockaden war die Lage in
der Stadt angespannt. “Cottbus Nazifrei!” liegen Gedächtnisprotokolle
von Augenzeugen vor, die detailliert beschreiben, wie sich drei
Polizisten an einen jungen Mann heran schleichen und diesen hinterrücks
brutal zu Boden zwingen.
Das unangemessene Vorgehen der Polizei
mag auch an der Art der eingesetzten Beamten liegen. Vielerorts wurden
Kräfte der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) aus Sachsen
und Rheinland-Pfalz eingesetzt, deren Aufgabe gerade nicht in der
Deeskalation besteht. Hierzu Sascha Kahle von Cottbus Nazifrei!: “Ich
verstehe nicht, warum solche Prügelpolizisten eingesetzt wurden, die
BFE-Einheiten reagierten unangemessen und unprofessionell. Die Blockaden
von “Cottbus Nazifrei!” verliefen immer friedlich! Wir haben stets
betont, dass wir einen gewaltfreien Aktionskonsens haben und dass von
uns keine Eskalation ausgehen wird! Daran haben wir uns auch dieses Mal
gehalten! Das Vorgehen der Polizei war völlig unangemessen und
inakzeptabel! Wir möchten uns bei den Blockiererinnen für ihr besonnenes
Verhalten bedanken und freuen uns, dass sie trotz der angespannten Lage
immer wieder mutig und entschlossen gehandelt haben.”
Frustriert
von den Verzögerungen und Umleitungen, gelang es einem
Neonazi-Schlägertrupp, den NPD-Aufmarsch zu verlassen und sich frei
durch die Innenstadt zu bewegen. Dabei kam es zu einem weiteren
Übergriff von Seiten der Neonazis. “Nationalsozialismus” rief einer der
Sprecher auf der Neonazis-Kundgebung dann später auch in der
Franz-Mehring-Str. kurz vor dem Spremberger Turm und offenbarte damit
die Ideologie der NPD – er korrigierte dann schnell auf “Nationaler
Sozialismus”.
Cottbus Nazifrei! liegen derzeit bereits
Fotoaufnahmen zu Anwendung von Schmerzgriffen und Fußtritten gegen
Protestierende vor. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden noch weitere
Bild- und Videoaufnahmen ausgewertet. Am heutigen Abend, dem 14.05. um
20.00 Uhr findet in der Parzellenstr. 79 ein Treffen mit Volksküche
statt, wo weitere Informationen zu den Vorkommnissen rund um die
Proteste gesammelt werden. Cottbus Nazifrei! bittet alle, die am Samstag
Zeuge oder selbst Opfer von Polizei- oder Nazigewalt geworden sind,
sich zu melden. Eine E-Mail an kontakt@cottbus-nazifrei.info genügt.
Zum
Schluß erklärt Kahle: “Trotz unschöner Szenen ziehen wir eine positive
Bilanz. Wir haben den Nazis die Straßen nicht überlassen, diese konnten
nur durch massiven Einsatz von Polizei demonstrieren. Nun wird es aber
auch weiter darauf ankommen, positive Alternativen zu leben und auch im
Alltag keinen Rassismus zu tolerieren. Besonders für Jugendliche ist
sichtbar geworden, dass sie sich durch Rassismus selbst ausgrenzen. Den
NPD-Kadern muss klar geworden sein, dass ihre Ideologie in Cottbus und
Brandenburg auf klare Ablehnung seitens der Bevölkerung stößt.”
Zusammenfassung:
Hunderte Blockierende und ca. 100 Neonazis (Polizeiangabe)
Auf den Kundgebungen der Protestierenden sprachen:
Martina Münch, Bildungsministerin
Beate Klarsfeld, Investigativjournalistin,
Holger Kelch, Bürgermeister der Stadt Cottbus
eine Vertreterin der internationalen Studierenden
Die DGB-regionalvorsitzende Marion Scheier
Jürgen Maresch, MdL Die Linke
Überblick über die 9 Sitzblockaden:
große Blockade Spreewaldbahnhof - 400 Menschen
Wilhelm Külz Str. / Bushaltestelle - 50 Menschen
Hubertstraße / Annenstr - 50 Menschen
Friedrich Ludwig Jahn Str / Puschkinpromenade - 40 Menschen
Puschkinpromenade - 20 Menschen
Sandower Brücke - 150 Menschen
Brücke Franz Mehring Str Höhe Tuchfabrik - 150 Menschen
Franz Mehring Str Höhe Fitness First - 30 Menschen (brutale Räumung)
Schillerstr / Carl von Ossietzki-Str. - 200 Menschen
Übergriff durch Nazi-Schläger die sich frei durch Innenstad bewegten.