"Die Unsterblichen": Neonazi-Flashmob in Donaueschingen

Erstveröffentlicht: 
02.05.2012

In der Nacht zum 1. Mai haben sich in Donaueschingen zwischen 50 und 100 Neonazis versammelt. Dahinter steckt wahrscheinlich die rechte Aktionsgruppe "die Unsterblichen".

 

Es muss ein gespenstischer Anblick gewesen sein: In der Nacht zum 1. Mai marschierten zwischen 50 und 100 Rechtsradikale durch die Donaueschinger Innenstadt. Sie trugen weiße Gesichtsmasken, Fackeln und Transparente. Böller und Feuerwerkskörper flogen durch die Straßen, während die Rechtsradikalen ihre Parolen skandierten. Inzwischen verdichten sich die Hinweise, dass es sich um eine Demonstration der rechtsradikalen Aktionsgruppe "Die Unsterblichen" gehandelt haben könnte, einem losen rechtsradikalen Verbund, der mit seinen Kundgebungen seit gut einem Jahr bundesweit für Aufsehen sorgt.

Bei den "Unsterblichen" handelt es sich nicht um eine Gruppierung im klassischen Sinne, sondern vielmehr um eine Aktionskampagne. Die Rechtsradikalen vertreten eine perfide Ideologie, die den Kampf gegen "die Demokraten" predigt. Über eine feste Organisationsstruktur verfügt die Bewegung nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz jedoch nicht. Es handle sich lediglich um eine Idee, einen Impuls, der über das Internet verbreitet wird und gezielt Nachahmer sucht. Über eine Homepage und Videos sollen vor allem Jugendliche gewonnen werden. "Hinter dieser Ideologie stecken Neonazis aus Südbrandenburg sowie eine Gruppierung, die sich die Spreelichter nennt", erklärte ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz.

 

Die Aktionen werden gefilmt und ins Netz gestellt


Über eine frei zugängliche Internetseite werden Jugendliche dazu aufgerufen, sich für Aktionen zusammenzuschließen. Markenzeichen des rechten Mummenschanz’ sind, wie auch in Donaueschingen, die weißen Masken und das Banner mit der Aufschrift "Damit jeder weiß, dass Du ein Deutscher warst". Alle Aktionen werden gefilmt und ins Netz gestellt. "Es soll der Eindruck erzeugt werden, dass es sich um eine große schlagkräftige Bewegung mit vielen Anhängern handelt", erläuterte ein Sprecher des Verfassungsschutzes. Die Aktionen werden meist kurzfristig über das Internet organisiert. Die weißen Totenmasken, die dabei getragen werden, sind bereits ab 1,60 Euro im Internet erhältlich.

Tatsächlich hat sich die Bewegung seit gut einem Jahr schrittweise im Bundesgebiet verbreitet. Anfangs gab es vereinzelte kleine Aufmärsche in Dörfern und Ortschaften. Allerdings verzeichnet der Bericht des brandenburgischen Verfassungsschutzes 2011 einen erheblichen Bedeutungszuwachs. An einem unangemeldeten Fackelmarsch in der Nacht vom 30.April auf den 1. Mai 2011 in der sächsischen Stadt Bautzen hätten sich zwischen 150 und 200 Personen beteiligt. Auch in anderen Bundesländern gingen Neonazis dazu über, diese Aktionsform zu übernehmen.

Die Polizei glaubt an keine Neonazi-Szene auf der Baar


Unter den Festgenommenen in Donaueschingen waren kaum Einheimische, dafür jedoch rechtsradikale Schweizer und Nordbadener. Warum sie sich Donaueschingen als Ziel ausgesucht hatten und was sie mit ihrem Auftritt bezwecken wollten, dazu schweigen sie – so wie es ihnen auf der Internetseite der Gruppe geraten wird. Die Polizei geht davon aus, dass es auf der Baar bislang keine aktive Neonazi-Szene gebe. Seit längerem wird allerdings über Verbindungen zwischen Rechtsradikalen aus Deutschland und der Schweiz gemutmaßt. Auch bei den Ermittlungen im Falle des deutschen Terrornetzwerks NSU steht diese Vermutung im Raum. Medien spekulieren zudem über eine Demonstration vom 13. Dezember im schweizerischen Hombrechtikon, die ebenfalls auf das Konto der "Unsterblichen" gehen könnte. Außerdem sind 2012 während eines Fasnachtsumzugs in Konstanz Rechtsradikale aufgetaucht, die sich mit weißen Masken vermummten und sich auf die "Unsterblichen" beriefen.

Eine neue, unauffällige Neonazigeneration


Die Antifaschistische Aktion (Antifa) geht davon aus, dass die Aktion in Donaueschingen von bekannten Rechtsradikalen aus dem südbadischen Raum mitorganisiert wurde. Laut einem Antifa-Sprecher handle es sich um bekannte Rechtsradikale, die in Freien Kameradschaften organisiert seien. Es bestünden auch Verbindungen zur Jugendorganisation der NPD. Die Partei war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Bei den Unsterblichen handle es sich, so der Antifa-Sprecher, um eine neue Nazigeneration, die äußerlich recht unauffällig sei.

Die Polizei sucht inzwischen nach Zeugen, die gehört haben, was die Vermummten in Donaueschingen gerufen haben. Auch mit Handy oder Kamera gemachte Ton- oder Filmaufnahmen wären für die Ermittlungen hilfreich, teilte die Polizeidirektion Villingen-Schwenningen am Mittwoch mit. Gesucht werden zudem Hinweise zu den benutzten Fahrzeugen und Kennzeichen.