"Die Polizisten machten keine Anstalten, mir zu helfen"

Erstveröffentlicht: 
08.02.2012

Albrecht Konecny im Interview

Albrecht Konecny erzählt, wie er am Rande des WKR-Balls brutal zusammengeschlagen wurde und wie die Tätersuche verläuft

 

Dafür, dass Albrecht Konecny vor kurzer Zeit brutal zusammengeschlagen wurde, ist er gut gelaunt. Der ehemalige SPÖ-Bundesrat und Nationalratsabgeordnete erzählt im Interview mit derStandard.at, was sich am Abend des Wiener Korporationsballs wirklich zugetragen hat. Die Polizei spielte dabei offensichtlich eine eher passive Rolle. Vom Täter fehlt weiterhin jede Spur, eine erste Gegenüberstellung brachte kein Ergebnis. Der 69-Jährige will sich trotz der Attacke nicht davon abhalten lassen, weiterhin an Demonstrationen gegen Rechts teilzunehmen.

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derStandard.at: Herr Konecny, können Sie uns genau schildern, was am 27. Jänner passiert ist?

Konecny: Ich habe wie bei vielen antifaschistischen Demonstrationen seit Jahrzehnten auch an der Demonstration gegen den WKR-Ball teilgenommen. Ich bin bei dem Zug mitgegangen, der sich bei der Uni gesammelt hat. Dieser Marsch ging beim Hrdlicka-Denkmal mit einer Mahnwache zu Ende. Danach habe ich mich im Café Tirolerhof aufgewärmt und wollte nach Hause gehen. Ich habe versucht einen Weg zu finden, der nicht von der Polizei versperrt ist. Ich bin in die Dorotheergasse eingebogen und habe gleich gesehen, dass das aussichtlos ist. 

15 Meter von mir entfernt war eine Gruppe von Polizisten auf den Vormarsch. Einige Meter vor diesen ging ein 30-jähriger Mann, dieser ist mir entgegengekommen. Als er auf gleicher Höhe mit mir war, hat er mir meine Kappe vom Kopf gerissen. Ich habe mich verblüfft umgedreht und vermutlich auch etwas gesagt, was nicht rasend freundlich war. Daraufhin hat er zweimal auf mich eingeschlagen. Einmal ins Gesicht, das hat mich meine Brille gekostet. Und einmal in die Rippen. 

Für den zweiten Schlag bin ich ihm dankbar, denn nach dem ersten wäre ich auf den Hinterkopf gefallen. Beim zweiten habe ich mich zusammengekrümmt und bin aufs Knie gefallen. Er ist dann weitergegangen. Ich bin heftig blutend auf dem Boden gelegen und hatte schwere Hämatome im Gesicht. Ein Finger war aufgeplatzt, der wurde später genäht. Ich habe Prellungen im Rippenbereich und am Knie. 

Dann kam eine Gruppe junger Menschen. Sie haben versucht, mit Papiertaschentüchern meine Blutungen zu stillen, und sie haben mich aufgerichtet. Eine junge Frau hat dann die Polizei ersucht, die Rettung zu rufen, was mit Hinweis auf die Überlastung des Polizeifunks zurückgewiesen wurde. Sie haben dann mit meinem Handy die Rettung gerufen, die mich in die Unfallstation gebracht hat. 

derStandard.at: Die Polizisten haben tatenlos zugesehen?

Konecny: Dass ich niedergeschlagen wurde, müssten die Polizisten gesehen haben. Dass ich am Boden lag, das haben sie definitiv gesehen. Aber sie haben keine Anstalten gemacht, mir zu helfen. 

derStandard.at: Glauben Sie, dass Sie der Täter gezielt aufgesucht hat? 

Konecny: Nein, das glaube ich nicht. Mit meiner Kappe war ich auch nicht so gut zu erkennen. Was mir aufgefallen ist: Er hatte eine Mütze auf, auf der ein Zeichen war, das ich für eine Rune halte. Die Polizei hat gemeint, das könnte auch das Firmenlogo von Thor Steinar (beliebte Marke in der Neonaziszene, Anm.) gewesen sein. Zugeschlagen hat er mit einem Schlagring, der bei mir Verletzungen in Runenform hinterlassen hat. 

derStandard.at: Wie ist Ihr heutiger Termin bei der Polizei verlaufen?

Konecny: Die Polizei hat die Aufnahmen von der Kamera des Jüdischen Museums gründlich analysiert, der Tatort war jedoch nicht im Gesichtsfeld dieser Kamera. Ich habe ein Phantombild anfertigen lassen. Aufgrund der Versendung des Bildes an diverse Polizeistationen gab es eine Meldung, wo ein Mann, der diesem Bild ähnlich ist, ebenfalls einschlägig auffällig geworden ist. Dieser Mann wurde gestern festgenommen und mir heute bei einer Gegenüberstellung vorgestellt. Das war jedoch nicht der Täter. Diese Spur ist kalt.

Die Annahme, man könne die Nicknames der Herren Eispickl und Prinz Eugen, die sich in einem einschlägigen Forum über diese Tat unterhalten, dechiffrieren, ist vermutlich überoptimistisch. Die Polizei hat sich wirklich sehr angestrengt und engagiert, was ich vom Büro für besondere Ermittlungen der Bundespolizeidirektion Wien nicht behaupten kann. 

derStandard.at: Wenn die Polizei vor Ort in der Dorotheergasse sofort eingeschritten wäre, wäre der Täter vielleicht jetzt nicht flüchtig.

Konecny: Das ist vermutlich richtig. Wenn ihm einer von den Polizisten nachgelaufen wäre, hätte er ihn vielleicht erwischt. 

derStandard.at: Mehrere FPÖ-Vertreter haben in den Raum gestellt, diese Tat könnte auch von einem Linken begangen worden sein.

Konecny: Natürlich kann ich nicht fix sagen, es war ein Rechtsradikaler. Es gibt genug Narren in allen politischen Spektren. Aber ich denke nicht, dass es einen Autonomen gibt, der mit einer Rune auf der Haube herumläuft. Und die Internetreaktionen auf den Vorfall deuten nicht gerade nach links. 

derStandard.at: Im aktuellen Verfassungsschtzbericht heißt es: "Der Rechtsextremismus stellte im Jahr 2010 keine ernsthafte Gefahr für den Staat bzw. die Verfassung oder eine Bedrohung der inneren Sicherheit dar." Wie sehen Sie die Lage?

Konecny: Der Putsch steht nicht unmittelbar bevor, das ist sicher richtig. Dass es pausenlos Vorfälle dieser Art gibt, ist jedoch evident. 

derStandard.at: Laut Verfassungsschutzbericht sind die Anzeigen wegen rechtsextremistischer Tathandlungen gestiegen. 2009 waren es 791, im Jahr 2010 waren es 1.040. Warum, denken Sie, ist das so? 

Konecny: Die Szene ist seit der Verhaftung einiger Führungsfiguren ein bisschen desorientiert. Ich nehme an, dass sie sich auch deshalb stärker betätigt, weil sich jeder seinen Orden verdienen will in der Hoffnung, einer der künftigen Führer zu werden. 

derStandard.at: Möchten Sie dem Mann, der Sie attackiert hat, etwas ausrichten?

Konecny: Eigentlich nicht, weil Menschen dieser Art für ein vernünftiges Argument nicht zugänglich sind, und Schimpfen alleine mag ich nicht. 

derStandard.at: Welche Verantwortung hat die FPÖ für Entwicklungen in der rechtsradikalen Szene?

Konecny: Sie hat ein hohes Maß an Verantwortung, weil sie als sehr sichtbare politische Kraft immer wieder Erklärungen abgibt, mit denen sie um diese Gruppe wirbt. Es steckt ja auch in vielen von denen drinnen - das ist ja nicht aufgesetzt. Den Herrn Strache würde ich eher als inhaltsleeren Menschen bezeichnen, aber hören Sie sich einmal die Aussagen des Nationalratsabgeordneten Johannes Hübner an. Es wird zwar nicht geprügelt, aber es geht um das Gedankengut.

derStandard.at: Hat die SPÖ im Kampf gegen den Rechtsextremismus versagt?

Konecny: Nein. Natürlich kann man immer mehr an Aufklärung machen. Aber es ist ja nicht so, dass das nicht geschieht. Aber ich selbst habe auch noch keinen Neonazi bekehrt.

derStandard.at: Werden Sie selbst wieder an antifaschistischen Demos teilnehmen?

Konecny: Selbstverständlich. Meine erste Demo war 1958. Ich werde nicht aufhören. Wenn man aus Angst etwas nicht tut, was man für richtig hält, dann gibt man seine Freiheit auf.

derStandard.at: Es hat auch von linker Seite gewalttätige Aktionen gegeben. Was sagen Sie dazu?

Konecny: Das sind Idioten. Die Zufahrten zu blockieren halte ich für eine charmante Idee. Jemandem, der ein Ballkleid anhat, ein Bier drüberzuschütten ist schlichtweg undelikat und unnotwendig. Gewalt sollte nicht zum Spektrum von Leuten gehören, die sich als links definieren. Ein gewisses Maß an politischer Intelligenz erwarte ich mir auch von Linken.

derStandard.at: Was wird Ihrer Meinung nach mit dem WKR-Ball passieren?

Konecny: Es wird sich jemand für die Veranstaltung finden. Notfalls findet der Ball im Kaffeehaus vom Dritten Nationalratspräsidenten Graf statt.

derStandard.at: Werden Sie wieder dagegen demonstrieren?

Konecny: Na sicher.

derStandard.at: Sollte Strache einmal Bundeskanzler werden, was würden Sie tun?

Konecny: Ich würde mit dafür sorgen, dass er durch den unterirdischen Gang zur Angelobung beim Bundespräsidenten gehen muss. (derStandard.at, 8.2.2012)

 

ALBRECHT KONECNY (69) war zwischen 1966 und 1970 Pressereferent des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten. Danach arbeitete er am Institut für empirische Sozialforschung (IFES; zuletzt Generalsekretär). Von 1979 bis 1986 gab er die "Neue Arbeiter Zeitung" heraus, danach bis 2000 die SPÖ-Zeitschrift "Zukunft". Von 1983 bis 1986 war er SPÖ-Nationalrat, von 1987 bis 2010 saß er im Bundesrat.