40. Jahrestag - Ermordung des Georg v. Rauch

Georg v

Die Jungen werfen zum Spaß
Mit Steinen nach Fröschen,
Die Frösche sterben im Ernst.

Am 4.12.1971, um 17:24 Uhr wurde Georg von Rauch in der Eisenacher Strasse Ecke Fugger (nahe U-Bhf. Nollendorfplatz) hingerichtet...

 

Am 4.12.1971, um 17:24 Uhr wurde Georg von Rauch in der Eisenacher Strasse Ecke Fugger (nahe U-Bhf. Nollendorfplatz) hingerichtet. Bereits seit mehreren Tagen wurde ein umverteiltes Fahrzeug von Beamten in Zivil beschattet, als Georg von Rauch zusammen mit drei weiteren Personen von ihnen gestellt wurde. Augenzeugen auf einem Balkon der gegenüberliegenden Strassenseite, haben ausgesagt, dass Georg bereits am Boden lag, mehrere Momente vergingen und erst danach weitergeschossen wurde. Zudem gibt es einen Mittschnitt des Telefonanrufs der Augenzeugen beim Polizeinotruf. Darauf wird deutlich, dass Georg und seine drei Begleiter mit erhobenen Händen an einer Wand standen, als der Polizist in Zivil, der sie mit einer Waffe bedrohte, Georg erschoss. Die Behoerden konstruierten mit manipulierten Aussagen hinterher eine Notwehrsituation und verfolgten Kritiker die öffentlich von der "Ermordung" Georgs sprachen. Dazu passt, dass Georg wenige Tage zuvor fehlerhaft auf eine RAF-Fahndungsliste gesetzt wurde. Georg von Rauch war ein Haschrebell. Auch wenn 40 Jahre vergangen sind ist es angemessen, am Ort seiner Ermordung Kerzen, Blumen und anderes gegen das Vergessen niederzulegen.

Zeitzeugen:

"Am 4.12.1971 wurde Georg von Rauch in der Eisenacher Straße in Berlin im Rahmen einer "Großfahndung" von einem Polizisten erschossen. Georg von Rauch hat nicht geschossen. Ein Gerichtsverfahren gegen den Polizisten fand nicht statt.

1973 erwirkte der Berliner Polizeipräsident einen Strafbefehl gegen Klaus Wagenbach, weil in einem der Bücher des Verlages zu lesen war, Georg von Rauch (und auch Benno Ohnesorg) seien "ermordet" worden. Im ersten Verfahren wurde Klaus Wagenbach freigesprochen, in der von Polizeipräsident und Staatsanwaltschaft angestrengten Berufung 1975 verurteilt. Die EHRE der Berliner Polizei ist wiederhergestellt. Ob es allerdings der Berliner Polizei zur EHRE gereicht, daß auf ihren Antrag hin als einziger in Sachen der von ihr erschossenen Benno Ohnesorg und Georg von Rauch einer der Kritiker der Schüsse verurteilt wurde, steht dahin.

Die politische Entwicklung freilich ist deutlich: Als am 2. Juni 1967 Benno Ohnesorg erschossen wurde, wurde der Todesschütze zwar freigesprochen, aber er mußte sich in zwei Gerichtsverfahren verantworten, wurde später entlassen und auch der Polizeipräsident dankte ab. 1971 war das schon anders - der Schütze wurde gar nicht mehr angeklagt, der Polizeipräsidentenstuhl wackelte nur ein wenig (allerdings offenbar genug, um künftig jedes Rütteln als "Ehrverletzung" anzusehen), aber auch seinerseits mußte eine liberale Öffentlichkeit noch beruhigt werden mit höchst zweifelhaften "schußgutachten" und nachgestellten Filmen vom "Tathergang". 1975 schließlich reichen dann solche lückenhaften Unterlagen bereits aus, die liberale Öffentlichkeit (daß es sich um einen "linken Verleger" handelt, ist ein mehr taktisches Alibi) per Gerichtsurteil zum Schweigen zu bringen. Insofern ist dieser Prozess (das belegen auch Dauer und Aufwand) ein Musterprozeß. 1975 ist auch das Jahr, da in der Bundesrepublik Deutschland Spezialgesetze für einen Spezialprozeß erlassen wurden, da öffentlich über die "freigabe des (polizeilichen) Todesschusses" diskutiert und ein Gesetz vorgelegt wird, das Zensur fordert, aber "Gesetz zum Schutz des Gemeinschaftsfriedens" heißt." Aus dem Buch: Warum: Der Tote schuldig ist, der Todesschütze freigesprochen, der Kritiker verurteilt wird.


Lebenslauf Georg von Rauch (www.haschrebellen.de)

1947 in Marburg geboren. Mutter Hausfrau, Vater Professor der Philosophie, Brüder Lehrer und Ingenieuer

1966 Heirat mit Illo, Malerin. Studium der Soziologie und der Philosophie in Kiel

1967 Geburt der Tochter Yasmin. Die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg (2. Juni) war mitauslösend für den Entschluß, nach Berlin zu gehen

1968 Vietnam Konkreß. Attentat auf Rudi Dutschke, als einschneidendes Erlebnis. Beteiligung an vielen Demonstrationen. Mitarbeit an der von der Linken gegründeten Gegen-Universität in Berlin ("Kritische Universität"). Auseinandersetzung mit der Geschichte des Anarchismus (Bakunin-Raubdruck). Leben in Wohngemeinschaft: Kinderladen-Initiative.

1969 Die "umherschweifenden Hasch-Rebellen" - eine provokative Gegengruppe zu den als dogmatisch abgelehnten ML-Parteiansätzen. "Knastcamp" in Ebrach (Solidaritätswoche mit politischen Gefangenen). Reisen mit Thomas Weisbecker.

1970 Verhaftung in Berlin (6.2.), mit Thomas Weisbecker. Anklage: "Nötigung, Körperverletzung, versuchter schwerer Raub." Anlaß: Rauch, Weisbecker und andere hatten einen Journalisten verprügelt, als "exemplarische Strafaktion" gegen einen Hetztext in der Illustrierten "Quick".

1971 Prozeß, nach 14 Monaten Untersuchungshaft, gegen Georg von Rauch und Thomas Weisbecker. Am 9.7. Verurteilung von Georg von Rauch. Freispruch von Thomas Weisbecker. "Verwechslungs-go-out": Georg von Rauch verläßt an Stelle von Thomas Weisbecker den Moabiter Gerichtssaal und muß seitdem im Untergrund leben.

Am 4.12. in der Eisenacher Straße erschossen.


Der Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen Smoke-In, Razzien und Strassenschlachten

Eine Zwischenfrage. Stichwort umherschweifende Haschrebellen. Was war damit eigentlich? Das ging doch einen Schritt weiter, als lediglich Drogen zu nehmen.

Ja, das ging einen Schritt weiter. Die Bullenkontrollen wurden irgendwann immer massiver. Das BKA hatte Verstärkung gekriegt und auch in Berlin haben sie dann mit Methoden gearbeitet, die wir vorher nicht kannten. Sie haben Leute richtig angemacht, 50 kilo Haschisch ranzuschaffen, um sie dann hochzunehmen. Natürlich haben wir damals alle ein bisschen gedealt, Shit an die Amis, die Soldaten verkauft. Die haben halt die besten Preise bezahlt.

Sehr viele sind nicht mehr arbeiten gegangen und wir brauchten halt ein bisschen Kohle. Wir sind auch Lebensmittel klauen gegangen. Zum Beispiel haben wir morgens auf den Lieferwagen von Lebensmittel-Bolle gewartet, sind dem hinterher und haben uns die ganzen Puddings geholt. Weil alle so zugeraucht waren, mussten sie was Süsses essen, und so haben wir die Puddings abgekarrt.

Ein wenig haben wir mit Shit gedealt, keine grossen Mengen. Aber wir kannten all die Leute, die merkten, dass das ein Geschäft ist, aus dem du was machen kannst. Wir kannten Türken, die damals völlig naiv waren. Die wollten auf einen Schlag ein paar tausend Mark machen und sind auf die Grosshändler reingefallen, die Bullen waren. Ein konkretes Ereignis spielte auch bei uns draussen in Waidmannslust. Dort haben sie uns einmal aus dem PKW ein paar hundert Gramm herausgeholt. Das war praktisch die ganze Versorgung für unser Haus, wo alle von rauchten und lebten. Wir waren mit einem Schlag praktisch Pleite! Irgendjemand sagte: Das kriegen die zurück! Wir werden heute Nacht einen Bullenwagen in die Luft jagen! Wir haben dann mit ein paar Leuten gequatscht, die wir aus der Studentenszene kannten. Die haben uns dann auch was angeschleppt. Wir sind aber an diesem Abend nicht losgegangen, weil der Bommi damals zu feige war. Wir haben das Zeug im Haus versteckt und dann vergessen.

Damit hätten wir sowieso keinen Funkwagen in die Luft jagen können. Das war eine Pattexmischung mit Unkrautex. Das hätte höchstens eine Stichflamme gegeben.

Mittlerweile fingen aber einige an zu sagen: wir lassen uns diese dauernden Razzien in den Lokalen nicht mehr gefallen. Wir schlagen jetzt zurück. Das betraf vor allem das Zodiak am Halleschen Ufer, das Park in Halensee, das Sun in der Joachim-Friedrichstraße und das Mr. Go in der Yorckstraße, wo dann die letzte und wildeste Schlacht der Haschrebellen stattfand.

Dann gab's die erste Schlacht vorm Park, als die Leute sich gewehrt hatten. Wir wollten einfach durchsetzen, dass wir rauchen können. Die anderen koennen schliesslich auch saufen. Und so machten wir ein Smoke-In im Tiergarten. Das war im Juli 1969. Dort tauchten erstmals Flugblätter mit dem Namen umherschweifende Haschrebellen auf. Der Name ist, auch wenn er das heute vielleicht dementieren würde, von Kunzelmann erfunden worden. Beim Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen ging's vor allem darum, die Studenten zu ärgern. Weil die doch damals schon anfingen, Parteien zu gründen und lauter so hochtrabende Bezeichnungen erfanden. Es war eine Verkackeierung. Eine Antwort darauf gab's dann auch mit dem Zentralrat der umherschweifenden Wermutbrüder.

   

    Die Jungen werfen zum Spaß
    Mit Steinen nach Fröschen,
    Die Frösche sterben im ernst.

    Um uns in Zukunft besser
    wehren zu können
    Um unsere Treffpunkte zu erhalten
    Und überhaupt um uns besser
    kennenzulernen,
    treffen wir uns am Samstag,
    dem 5. Juli 1969 zum
    Ersten Westberliner Smoke-In
    Im Tiergarten, hinterm Zoo.
    Mitbringen: Instrumente, Stoff,
    Schallplatten, Decken,
    Plattenspieler mit
    Batterie, Tap-Recorder und was
    sonst noch Spaß macht.

    Zentralrat der umherschweifenden
    Haschrebellen

    Nur wir selbst machen uns frei
    und juchhigh!

    Mit anarchistischen Grüßen:

    Wir demonstrieren unsere
    Solidarität mit unseren
    eingekerkerten Freunden!

    Es lebe die Superkultur!

"Beim ersten Smoke-In im Tiergarten war ich in Schweden. Bei meiner Rückkehr hörte ich, dass sie Georg festgenommen hatten. 350-400 Leute hatten sich versammelt, haben geraucht, und die Bullen haben zugesehen und weiter nichts gemacht. Als alle Leute weggingen, ist Georg halb ohnmächtig im Gebüsch liegengeblieben. Er hatte irgendwelche Hasch-Kekse gefressen, die wohl 'ne Nummer zu gross waren. Die Bullen haben ihn nach Moabit gebracht, liessen ihm den Magen auspumpen und haben dabei 0,012 Gramm Haschisch gefunden. Dafür hat er einen Strafantrag und später drei oder vier Monate Knast gekriegt."

Protokoll des hilflos aufgegriffenen Georg v. R.
"Im Gebüsch liegend aufgegriffen, aufgrund meines Aussehens nicht wie normalerweise als "hilflose Person" in eine Ausnüchterungszelle gebracht, sondern mit Blaulicht nach Moabit, gewaltsam den Magen ausgepumpt, an Haaren und Armen festgehalten, dabei Diskriminierungen, danach Katheder, auf äußerst schmerzhafte und gewaltsame Weise die Blase ausgepumpt, das alles, um festzustellen, ob man einen Trip genommen habe, von einem Gerichtsmediziner völlig oberflächlich und dumm untersucht (mit der Empfehlung mich nach Wittenau einzuweisen), hin und her zwischen Gothaer Straße, Schöneberg und Moabit Untersuchungsgefängnis, offensichtlich völlig ratlos, wohin mit mir, dazwischen ständig Aufforderungen an Beamte, Pfleger etc., mich nach Wittenau zu bringen. Nachts dann doch in U-Haft (Krankenstation), am nächsten Tag in die Gothaer, Verhör mit außerordentlich höflichen Ton, hab selbstverständlich die Aussage verweigert, nach 7 weiteren Stunden, da kein Grund vorhanden war (nicht wohnungslos, keine Indizien auf Sucht oder Drogeneinnahme), entließ mich der Haftrichter."

Erklärung der Haschrebellen:
"Das Smoke-in von letzten Samstag war ein voller Erfolg: Die 60-70 Leute in der Springer-Presse waren in Wirklichkeit mehr als 200; die Polizei muß sich gegenüber der Öffentlichkeit für ihr außerordentliche schlappes Verhalten verantworten und selbst die Kreuzberger Massenbasisarbeiter in der "Schwarzen Rose" drohen mit harten, direkten Aktionen gegen den Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen.

Unser Smoke-In hat so ausgesehen: alle rauchen selbstverständlich in der Öffentlichkeit Ihren Joint, und jeder fühlte sich trotz dauernder Polizeistreifen (zu Pferde, mit Hund und Funkgerät) viel sicherer als allein zu Hause. Zusammen rauchen macht einfach mehr Spaß. Man raucht den Joint zusammen mit vielen Leuten, denen man außer auf Demonstrationen nur flüchtig und einzeln begegnet. Gemeinsame und permanente Treffpunkte sind die Ausgangsbasis für die Weiterführung einer nach marxistisch-leninistischen Richtlinien geführten Haschkampagne.

Der Zentralrat hat auf seiner letzten ZK-Sitzung aufgrund der Forderung der Massenbasis folgende Richtlinien beschlossen:
Wir brauchen mehr Musik, mit Tonbändern, Radios und Schallplatten oder von uns selbst auf mitgebrachten Instrumenten gemacht. Instrumente sind alle die Körper, die Klang erzeugen, den besten Klang könnten wir erzeugen, wenn wir einen Generator hätten. Wir müssen uns am Samstag überlegen, wie wir an einen Generator herankommen können. Jeden Samstag bei schönem Wetter findet im Tiergarten ein smoke-in statt.

Haschkekse nicht in Mengen essen!
Sonderbeschluß für Dieter K.:
Joint nehmen, ziehen, sofort weitergeben!"

aus: Von den Haschrebellen zur Bewegung 2. Juni

weitere Quellen, Links:

http://vimeo.com/24291629  Aus den Tiefen der Archive ein Video vom ersten Smoke In am 5. Juli 1969 im Berliner Tiergarten.

http://www.haschrebellen.de

http://www.rockarchiv.infopartisan.net/haschrebellen/index.html
Sammlung:Flugblätter des Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen

Buch: "Von den Haschrebellen zur Bewegung 2. Juni" und "Warum: Der Tote schuldig ist, der Todesschütze freigesprochen, der Kritiker verurteilt wird."