Bally Wulff: Aktionstag in über acht Städten

Bally Wulff Aktionstag

Bundesweit organisierte die FAU am 18. November Kundgebungen gegen die Folgen der Umstrukturierung bei dem Spielautomatenhersteller in Berlin-Neukölln. Der Tag war noch nicht alt in den Berliner Montagehallen von Bally Wulff, als die ersten Außenstellen des Spielautomatenherstellers von aktiven GewerkschafterInnen aufgesucht wurden. Angekündigt waren Aktionen vor zehn von zwölf Niederlassungen im gesamten Bundesgebiet.


Den Anfang machte die FAU Dortmund um kurz vor 8 Uhr. „Bis auf zwei Ausnahmen“, heißt es in einem Bericht von vor Ort, „hatten die ArbeiterInnen aus dem Gewerbegebiet, mit denen wir gesprochen haben, Interesse und Verständnis für die Sache, da die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die zunehmende Prekarisierung für viele von uns eine reale Erfahrung bzw. Bedrohung darstellen.“

Hintergrund der gewerkschaftlichen Mobilisierung ist folgender: Der Spielautomaten-Hersteller Bally Wulff schließt nach Jahrzehnten einen seiner letzten Bereiche in Berlin, die noch direkt an der Gerätefertigung beteiligt sind. Bis Juli 2012 sollen alle Arbeiten der betriebseigenen Druckerei ausgelagert sein. Bereits im September 2011 erhielten die verbleibenden Drucker, die maßgeblich für die Optik der Geräte Sorge tragen, ihre Kündigung, genauer: ihre Änderungskündigung. Dieses „Angebot“ umfasst jedoch eine berufliche Herabstufung der Facharbeiter und Lohneinbußen von mehr als 30 Prozent. Als im Betrieb vertretene Gewerkschaft, protestiert die FAU Berlin aufs Schärfste gegen die Pläne der Geschäftsleitung. Für den 18. November hatte sie, nach lokalen Protesten, zu einem ersten bundesweiten Aktionstag aufgerufen. Dadurch soll vor allem der Druck auf die Geschäftsführung erhöht werden.
Zwar liegt der FAU Berlin mittlerweile ein weiteres Gesprächsangebot eines Geschäftsführers vor, doch: "Wir zeigen uns enttäuscht darüber, dass die Geschäftsführung ein vorheriges Gesprächsangebot nicht weiter verfolgt hat und stattdessen versucht, uns juristisch anzugreifen. Zeigen uns aber optimistisch, dass nun Verhandlungen über unsere Forderungen beginnen können, auch wenn der Termin nach der gerichtlichen Güteverhandlung unseres Kollegen liegt", so der Sprecher der Sektion Bau und Technik der FAU Berlin.

Um die gleiche Zeit wie in Dortmund, besuchten etwa ein dutzend Mitglieder der FAU Frankfurt die Bally Wulff-Niederlassung im Industriegebiet von Offenbach. „Zuerst stellten wir uns den Beschäftigten in dem Büro vor und erklärten den Ablauf unseres Protestes“, heißt es in einem Direktbericht. „Anschließend hielten wir über Megafon eine Kundgebung zu den Vorfällen in Berlin und zum Stand der Dinge ab, die auch in den angrenzenden Betrieben zu hören war. Etwa eine Stunde lang gab es eine Picket Line vor dem Eingang von Bally Wulff, während gleichzeitig die Kundschaft der nahegelegenen Betriebe und Werkstätten [...] mit Flyern versorgt wurde.“

Zu Protesten kam es auch in Mannheim. Obwohl die dortige Niederlassung vorher über die Problematik im fernen Berlin informiert worden war, war von der Leitung „keine Stellungnahme zu bekommen“. Ähnlich zugeknöpft zeigte sich die Entertainment GmbH Bally Wulff auch in Hannover, Hamburg und Köln: „Uns wurde von Anfang an der Zutritt zum Gelände verweigert“, meldete das Kölner FAU-Syndikat. Die Resonanz auf die Info-Aktion, unterstützt von der IWW Köln, war darüberhinaus jedoch „durchweg positiv“. Ebenso in Hamburg, wo sich neben dem örtlichen Syndikat auch die FAU Kiel beteiligte: „Der Versuch, mit der Belegschaft ins Gespräch zu kommen, wurde dadurch erschwert, dass man vorsorglich den Vordereingang abgeschlossen hatte.“ Auch der Hintereingang wurde verriegelt. Lange hielt die Trotzburg jedoch nicht stand, ist dem Bericht der FAU Hamburg zu entnehmen: Schließlich gelangen auch hier die Gewerkschaftsinformationen in den Betrieb. Am späten Vormittag setzte nicht zuletzt die FAU Hannover mit einer kleinen Kundgebung „ein Zeichen der Solidarität mit den von Umstrukturierung betroffenen Kollegen in Berlin-Neukölln“. Die Beteiligten können auch hier von einer Gesprächsbereitschaft nicht berichten. Man „fand sich vor verschlossenen Türen. Die Beschäftigten angrenzender Firmen und die wenigen PassantInnen zeigten sich nichtsdestotrotz interessiert an dem Anliegen der GewerkschafterInnen.“

Reges Interesse seitens der Öffentlichkeit fand auch die FAU Berlin vor. War der Publikumsverkehr vor der Niederlassung in Berlin-Spandau noch recht spärlich, so änderte sich das Bild im Neuköllner Kiez. Zahlreiche EinwohnerInnen zeigten sich bestens informiert und wollten nur wissen, ob die Firma bereits Anzeichen für ein Einlenken zeige. Leider nicht.
Mit einer Kundgebung vor dem Stammwerk legten die SyndikalistInnen zu Schichtende nicht nur die Situation dar, sondern stellten sie auch in einen weiteren Zusammenhang. Denn die Schließung der Betriebsdruckerei ist, nach Auffassung der FAU Berlin, nur der bislang letzte Schritt in einer Reihe von Maßnahmen zu Lasten der Beschäftigten: Bereits im Jahr 2008 wurden im Zuge einer Umstrukturierung große Teile der Belegschaft entlassen oder schieden aus. Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte in jenem Jahr von 344 auf 222 zusammen, die Zahl der Drucker wurde drastisch verringert. Die Teilefertigung ist nun, nach Erkenntnissen der FAU Berlin, weitgehend ausgelagert. Die Restbelegschaft in der Montage arbeitet seither auch mit LeiharbeiterInnen zusammen. Und bereits seit 2004 gelten für alle, die noch fest eingestellt werden, schlechtere Bedingungen in Sachen Urlaub und Wochenarbeitszeit. So dreht ein mittelständisches Unternehmen in Berlin – „arm, aber sexy“ – weiter an der Lohnspirale nach unten.
Auf der Kundgebung ergriff zunächst einer der Betroffenen das Wort, der nach mehr als 20 Jahren von vorn beginnen soll. Weitere Redner wandten sich weiteren Aspekten zu: Outsourcing, Leiharbeit und Gewerkschaftsfreiheit. Letztere rückt wieder (siehe Arbeitskampffolgen) ins Rampenlicht, weil die Geschäftsleitung derzeit versucht, juristisch gegen die FAU Berlin bzw. einen Vertreter vorzugehen.
In Berlin vor Bally WulffEin Redner betonte, wie wichtig es gerade in Neukölln ist, gegen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen einzutreten. „Denn dort, wo die bloße Forderung nach Beibehaltung des Status Quo, bei der Geschäftsführung schon Revolutionsängste auslöst, ist es wichtig zusammenzustehen und gegen Verschlechterungen vorzugehen: betrieblich und nachbarschaftlich.“
Ein besonderer Höhepunkt war der Auftritt der Band „Atze Wellblech“. Mit Violine und Bass wurde die Nachbarschaft nicht nur mit sozialkritischer Musik beschallt.
Wie auch schon bei vorangegangenen Flyer-Aktionen zeigten sich KollegInnen und NachbarInnen, in Spandau und Neukölln, interessiert an den Entwicklungen bei Bally Wulff und solidarisch den betroffenen Arbeitern.

Mit den Protesten in Berlin, Dortmund, Dresden, Frankfurt/Offenbach, Hamburg, Hannover, Köln und Mannheim demonstrierte die FAU Berlin, dass sie nicht locker lassen wird und sich auch auf die Solidarität der föderierten Gewerkschaften der FAU verlassen kann. Die Forderung ist eindeutig: „Das Arbeitsverhältnis wird in einem Bereich qualifizierter Tätigkeiten, z.B. in der Spiele- bzw. System-Qualitätssicherung, fortgesetzt. Bally Wulff garantiert eine ggf. notwendige Umschulung bzw. Fortbildung des Beschäftigten durch Freistellung und Lohnfortzahlung. Das bisherige Monatsgehalt wird nicht unterschritten. Die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und alle sonstigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen werden beibehalten.“

Den Ausdauerrekord stellte an diesem Tag übrigens die junge FAU Dresden auf: vier Stunden Kundgebung! „Nach kurzem Gespräch mit einem Angestellten des Betriebs,“ berichtet das Allgemeine Syndikat weiter, „bauten wir unseren Infostand auf, um nicht nur über den aktuellen Arbeitskampf, sondern auch über die FAU allgemein und Kampagnenthemen wie Leiharbeit und Streikrecht zu informieren.“ Die Flugblätter wurden, mit Unterstützung des Libertären Netzwerks Dresden, auch an Beschäftigte der benachbarten Betriebe verteilt. „Die Reaktionen der angesprochenen PassantInnen war überwiegend freundlich und verständnisvoll“, einige äußerten „die Hoffnung auf mehr solches entschlossenes Engagement in Sachen Arbeitskampf“.