Debatte um Auflösung der ETA

Kaserne

Seit zwei Jahren hält die baskische Untergrundorganisation eine einseitige Waffenruhe und nun bricht vor den vorgezogenen Neuwahlen in Spanien eine Debatte los, ob die ETA bald ihre Auflösung verkündet.

 

Vor zwei Jahren ließ die baskische Untergrundorganisation ETA die letzten Bomben auf Mallorca detonieren. Sie waren Teil einer Sommeroffensive zum 50-jährigen Bestehen der Separatistenorganisation, mit der sie die Sicherheitskräfte völlig überraschte. Schon zuvor hatte sie zwei Guardia Civil Beamte auf der Insel ermordet und eine ihrer großen Kasernen in Burgos gesprengt. Erstmals warnte damals das Auswärtige Amt deutsche Urlauber vor Reise auf die Urlaubsinsel, auf der die ETA zuvor niemals aktiv war. Nach zwei Jahren, in denen die Separatistenorganisation ihre Waffen seither schweigen ließ, wird nun in Spanien darüber spekuliert, ob die ETA noch vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am 20. November ihre Auflösung erklärt. Vor allem über Medien, die den regierenden Sozialisten (PSOE) nahe stehen, wird die Debatte befeuert.

 

 

So tun das öffentlich rechtliche Fernsehen und die große Tageszeitung El País so, als lege die ETA die Entscheidung in die Hände ihrer Gefangenen. Fast 800 Basken sitzen in spanischen und französischen Gefängnissen und sind Ausdruck des seit Jahrzehnten schwelenden bewaffneten Konflikts. TVE hat am Mittwoch berichtet, "das Gefangenenkollektiv steckt in der Debatte" die bis September abgeschlossen werden solle, ob sich die ETA "auflöst oder die Anschlagsstrategie fortsetzt, bis sich neue Verhandlungen abzeichnen".

 

Auch El País führte am Mittwoch eine angebliche Führungsschwäche an, weshalb die ETA-Führung nun die Gefangenen entscheiden lassen wolle. Die Zeitung widerspricht damit einem eigenen Bericht vom Montag, als sie sogar behauptet hat, die Organisation hätte "die Auflösungsentscheidung schon getroffen“, zögere die Bekanntgabe aber noch hinaus. Am Mittwoch fügte El País aber an, dass der Druck auf die Organisation mit den Wahlsiegen der Linkskoalition Bildu (Sammeln) bei den Regional- und Kommunalwahlen gestiegen sei, welche die spanische Regierung versuchte zu verbieten. Denn Bildu, die erstmals auch eine der baskischen Provinzen und das mondäne Seebad Donostia-San Sebastian regiert, lehnt die Gewalt ab.

 

Darin ist der eigentlich Grund zu sehen, warum die ETA über Schritte debattiert, ob sie über die von internationalen Beobachtern überprüfbare Waffenruhe hinausgeht. Denn es hat sich gezeigt, dass die Gewalt auf politischer Ebene lange Zeit verhinderte, dass sich die Kräfte vereinen, die für die Unabhängigkeit eintreten. Nach der Distanzierung von der Gewalt wurde die linke Unabhängigkeitsbewegung mit Bildu aber fast zur stärksten Kraft im Baskenland. Damit wurde der ETA gezeigt, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Neue Bomben würden scharfe Reaktionen von denen provozieren, die für die gleichen Ziele eintreten.

 

Dass hat die Widersprüche in der ETA zugespitzt, die sicher über ihr weiteres Vorgehen debattiert. Dass sie dazu auch ihre Gefangenen befragt, ist nicht neu. Dass die über die bedingungslose Auflösung diskutieren, darf bezweifelt werden. Und deshalb fällt auch in den Berichten auf, dass Quellen nicht genannt werden und auch die Namen der Gefangenen nicht genannt werden, die angeblich in abgehörten Gesprächen für die Auflösung eintreten.

 

Ganz anders argumentieren Politiker im Baskenland, die sich in der Materie gut auskennen. So hat Pello Urizar, Chef der baskischen Solidaritätspartei (EA), gerade von der spanische Regierung gefordert, mit der ETA ein "Minimalabkommen" auszuhandeln, sonst werde das "begehrte Ende" wohl nicht kommen, sagte der Sozialdemokrat, dessen Formation Teil von Bildu ist. "Es muss über technische Fragen verhandelt werden, damit danach die politischen Kräfte eine Lösung aushandeln können", fügte er an. Bildu habe zunächst Schritte ohne Vorbedingungen von der ETA verlangt, doch alle müssten sich bewegen. Es sei an der Zeit für Schritte in Madrid, wo ein Fortschritt in einem Friedensprozess blockiert werde. Er schloss nicht aus, dass die rechte Volkspartei (PP) nach dem erwarteten Wahlsieg im November ihre bisherige unnachgiebige Haltung aufgibt. Urizar erinnert e daran, dass auch die PP-Regierung unter José María Aznar 1999 mit der ETA verhandelt hat. Mit Blick auf die Sozialisten warnte er, dass sich nach einem Wahlsieg der Oppositionsführer Mariano Rajoy als Friedensstifter gebären könnte, weil die PSOE zu definitiven Schritten jetzt zu ängstlich sei. Ausnahmsweise ist sogar die durch Wahlbetrug im Baskanland an die Macht gebrachte spanische Front davon überzeugt, dass es so schnell keine Auflösung der ETA geben wird. So

 

Statt zu verhandeln beschwört man in Madrid aber erneut die angebliche Schwäche der ETA. Dieser Diskurs ist seit 50 Jahren bekannt und wurde auch vor zwei Jahren bemüht, kurz bevor die ETA ihre letzte Offensive startete, die das ganze Land in Atem hielt und international für Aufregung sorgte. Sie könnte mit ihrer Logistik sicher solche Anschläge auch jetzt ausführen, kann sie sich aber politisch nicht erlauben. So ist durchsichtig, dass Ex-Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba das Thema benutzt, um im Wahlkampf zu punkten. Denn der neue Kandidat der PSOE schreibt seiner Politik als Innenminister die viel beschworene Schwäche zu. Seine Verhaftungs- und Verbotspolitik hat aber die Hardliner in der ETA und in der baskischen Linken aber darin bestärkt, am bewaffneten Kampf festzuhalten. Doch trotz dieser Politik haben sich die zivilgesellschaftlichen Kräfte durchgesetzt und deshalb führt an der Auflösung der ETA auch kaum noch ein Weg vorbei. Die Sozialisten könnten den Vorgang nun beschleunigen, wenn sie sich zu Verhandlungen wie im Friedensprozess 2006 und 2007 durchringen.

 

Sonst, so haben es auch andere Friedensprozesse wie in Irland gezeigt, wird sich der Vorgang wohl noch eine ganze Zeit hinziehen. Wenn Rubalcaba nicht Ministerpräsident Luis Rodríguez Zapatero dazu bringen kann, noch vor den Wahlen mit der ETA über deren Auflösung zu verhandeln, wird es sie bald auch nicht geben. Statt mit diesem Erfolg in die Wahlen zu gehen, wäre diese Debatte nur ein Manöver, mit der Rubalcaba davon abzulenken versucht, dass er gut sieben Jahre an der Spitze einer Regierung wirkte, die das Land tief in der Wirtschaftskrise versenkt hat. Dafür hat die PSOE schon bei den Wahlen im Mai den Denkzettel erhalten und ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt.

 

© Ralf Streck den 10.08.2011