Mit dem Rücken zur Wand

Erstveröffentlicht: 
26.07.2011

Wagenburg im Freiburger Vorzeigestadtteil Vauban steht vor der Räumung
Grüne und CDU in Freiburg haben wenig Verständnis für alternative Lebensentwürfe. Sie fordern unisono: Die Bewohner einer Wagenburg sollten in Wohnungen ziehen oder die Stadt verlassen. Am Sonntag läuft die Frist ab.

 

Im Freiburger Stadtviertel Vauban, in dem sich einst die Kasernen der dort stationierten Franzosen befanden, leben heute 5100 Menschen. Bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März kamen die Grünen hier auf einen Stimmenanteil von 72,8 Prozent, die CDU wählten nur 3,8 Prozent. Der Autoverkehr ist reduziert und die Wärme kommt vom Blockheizkraftwerk. Es gibt Studentenwohnungen, das alternative Wohnprojekt Susi und seit Mai 2009 hält das Wagenburgkollektiv »Kommando Rhino« rund einen Hektar am Eingang des Stadtteils besetzt. Die von der Stadt gesetzte Frist, bis zu der die Autonomen einem Hotel und Luxuswohnungen Platz machen sollen, endet am 31. Juli. Ab dann droht die Zwangsräumung.

Wie so etwas aussieht, ist aus anderen Städten hinlänglich bekannt. Hunderschaften der Polizei rollen an, Wasserwerfer fahren auf, Demonstranten werden von den Hochdruckkanonen von der Straße geschossen. Eine gewaltsame Räumung des besetzten Geländes: Ist dies überhaupt möglich im grün-alternativen Freiburg?

Seit mehr als zwei Jahren ist das Gelände in der Vauban vom Kunst-, Kultur- und Wagenkollektiv »Kommando Rhino« besetzt. Der Platz bietet Wohn- und Lebensraum für mehr als 30 Menschen sowie einen Ort für politische und kulturelle Veranstaltungen. Den Namen Rhino übernahm das Kollektiv von einem in Genf 20 Jahre lang besetzten Haus, das 2007 gewaltsam geräumt wurde. Den Eingangsbereich verzierte damals ein riesiges rotes Rhinozeroshorn.

Seit Langem versucht das Kollektiv, mit der Stadt über eine Lösung des Konflikts zu reden. Die Besetzer würden Vauban sofort verlassen, wenn sie ein Ersatzgelände pachten könnten. Sie sind sogar bereit, eine Aufteilung in zwei oder drei Gruppen in Kauf zu nehmen. Politische Unterstützung erhalten sie jedoch nur von den kleinen Gemeinderatsfraktionen der Unabhängigen Listen (UL) und der Grün-Alternativen Liste (GAF) – einer Abspaltung von der konservativen grünen Mehrheitsfraktion um Oberbürgermeister Dieter Salomon.

Die grünen Hardliner und ihre Sekundanten aus der CDU-Fraktion beharren jedoch auf ihrer Forderung, die Wagenburgler sollten entweder in Wohnungen ziehen oder die Stadt verlassen. Die Abwehrhaltung im Rathaus hat auch zur Folge, dass bislang keine privaten Grundstücksbesitzer gefunden werden, die Gelände an das Kollektiv verpachten wollen.

Und was denken die als progressiv geltenden Bewohner Vaubans über ihre unangepassten Nachbarn? Die »Rhinos« fühlen sich jedenfalls nicht hinreichend unterstützt. Jüngst erschien ein Leserbrief einer Frau in der »Badischen Zeitung«, die sich über ein Banner an der Wagenburg ärgert, auf dem steht »Free your mind«. Auch die Besetzer müssten verstehen, dass Grundstücke und Geld nicht auf Bäumen wachsen, findet sie. Diese Auffassung treffe die Mehrheitsmeinung im Quartier recht gut, meint Elli vom Kollektiv, die an der Katholischen Fachhochschule Sozialarbeit studiert. »In Gesellschaften mit komplett durchstrukturierter kapitalistischer Verwertungslogik haben alternative Wohnformen keinen Platz«, sagt sie: »Auch nicht im angeblich so grün-alternativen Freiburg.«