Leipzig: Viel los am letzten Wochenende

"Push It To The Limit"

Viel gibt es zu berichten vom vergangenen Wochenende in Leipzig: “Push It To The Limit”, "Kategorie C" Konzert, Naziübergriffe und weitere Aktionen.

Push It To The Limit
Etwa 700 Menschen haben am Sonnabend, 21. Mai, die Kundgebung “Push It To The Limit” auf dem Karl-Heine-Platz im Leipziger Stadtteil Lindenau besucht. Die Veranstaltung richtete sich gegen das Nazi-Zentrum in der nahe gelegenen Odermannstraße und wurde organisiert von MitstreiterInnen der Kampagne “Fence Off”, die sich gegen das so genannte “Bürgerbüro” der NPD einsetzt.

 

Die Kundgebung begann 13 Uhr und dauerte mehr als acht Stunden. Währenddessen gab es Redebeiträge, Workshops und einen alternativen Stadtteilrundgang. Außerdem traten auf einer Open-Air-Bühne sieben Musikgruppen verschiedener Stilrichtungen auf.
Mehr Bilder zur Kundgebung kann man sich auf Flickr anschauen.

Nazis bleiben gefährlich

Erneut sind vom Nazi-Zentrum gewalttätige Übergriffe ausgegangen. In der Nacht zum 21. Mai – kurz vor “Push It To The Limit” – haben sich etwa 20 Neonazis in der Odermannstraße gesammelt, die dann vermummt durch den Stadtteil zogen. Der Mob versuchte zunächst, in ein Atelier zu stürmen und dessen BesucherInnen anzugreifen. Außerdem wurden PassantInnen bedrängt, mit Pfefferspray angegriffen und niedergeschlagen. Die Nazis versuchten außerdem, ein aufgespanntes Transparent, das sich gegen das Nazi-Zentrum richtet, von einer Fassade zu reißen und auf der Straße anzuzünden – wozu aber selbst die kollektive Anstrengung von 20 Nazis nicht gereicht hat.

Bekanntlich waren jüngst auch Nazis aus Leipzig und dem Umland an einem gewaltsamen Aufmarsch-Versuch am 14. Mai in Berlin-Kreuzberg beteiligt – mit Istvan Repaczki auch ein führender Kopf der hiesigen Nazi-Szene. Das Berliner Apabiz hat zum Aufmarsch ein umfangreiches Dossier (PDF-Datei) zusammengestellt. Der letzte Versuch der Nazis um Repaczki, in Leipzig zu agieren, ging am 1. Mai völlig schief.

Über die turbulente Nacht, die sich in eine Serie rechter Attacken vor dem Nazi-Zentrum einreiht, berichtet das Dokumentations-Projekt chronik.LE ausführlich.

In einer öffentlichen Erklärung hat sich außerdem die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) klar positioniert. Sie fordert Konsequenzen durch Stadtverwaltung und Landesregierung:

 

“Das Nazi-Zentrum in der Odermannstraße 8 muss endlich geschlossen werden. Debatten über die Sicherheit in Leipzig bleiben so lange unglaubwürdig, wie zugleich ein enormer Gefahrenherd in einem der aufstrebenden Stadtteile unbehelligt wachsen kann. Und nicht nur das: Die dort agierenden Nazi-Schläger werden sogar mit staatlichem Geld alimentiert. […]

Mit einem Bürgerbüro hat dies nichts zu tun. Das sollte auch die Stadtverwaltung erkennen. Umso erstaunter bin ich, dass offensichtlich jetzt das bauordnungsrechtliche Verfahren eingestellt wurde. Es entsteht der Eindruck, dass die Stadt kein besonderes Engagement an den Tag legt, um des Problems Herr zu werden und die Bevölkerung zu schützen.

Ich fordere die Stadt mit Nachdruck auf, entschlossen gegen die menschenfeindlichen Vorgänge in der Odermannstraße 8 vorzugehen. Vom Land Sachsen erwarte ich, dass die finanziellen Grundlagen erneut überprüft werden. Ein ‘Bürgerbüro’, von dem immer wieder Angriffe ausgehen, ist in keiner Form tolerierbar.”



Kritik an der Polizei

Apropos Toleranz: Auch die Polizei war in der betreffenden Nacht sichtbar in Lindenau vertreten und wurde mehrfach auf die Nazigruppe aufmerksam gemacht. Laut Auskunft der Polizei gegenüber chronik.LE hätten die Beamten jedoch “keine Verdächtigen feststellen” können – und erwähnten die Vorfälle in ihren Medieninformationen mit keinem Wort. Dazu bemerkt chronik.LE in einer Pressemitteilung:

 

“Wir kritisieren in diesem Fall, dass die Polizei keinen Tatverdächtigen feststellen konnte – trotz der Tatsache, dass die Gruppe sich stundenlang im Viertel bewegte und sich wahrscheinlich noch lange nach dem zweiten Vorfall im NPD-Zentrum aufhielt […] Auch finden sich in den Presseinformationen der Polizeidirektion Leipzig keinerlei Hinweise auf diese Neonazi-Aktivitäten.

Der Polizei lag am Sonntagmorgen eine Anzeige vor, ein Angriff sowie verschiedene vorhergehende Aktivitäten der Neonazi-Gruppierung in dieser Nacht waren nach Auskunft der Pressestelle bekannt. Stattdessen listet die Pressestelle zahlreiche Autodiebstähle und Einbrüche auf.[…]

Immer noch bedarf es einer engagierten Aufklärungsarbeit zur Rolle des NPD-Zentrums in der Odermannstraße. Die direkte Gefährdung durch gewaltbereite Neonazis ist dabei nur ein Punkt. Die Ereignisse vom Wochenende zeigen aber, wie gegenwärtig diese Gefahr ist. […] In der Odermannstraße 8 werden ideologisierte Neonazi-Kader gezüchtet. Wie sich deren menschenverachtende Ideologie äußern kann, zeigte sich an diesem Wochenende.”



Was macht die Stadt Leipzig?

Die Odermannstraße 8 wurde durch eine Anfrage der Linken-Fraktion erneut zum Thema einer Stadtratssitzung (PDF-Datei). Wie schon einmal ist die Anfrage am vergangenen Mittwoch, 18. Mai, in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung verwiesen worden – und wurde dort auch nicht diskutiert, sondern schriftlich beantwortet. Der Witz geht noch weiter: Selbst diese schriftliche Auskunft steht unter dem Vorbehalt, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt zu sein.

Offenbar liegen der Stadt keine weiteren Hinweise vor, die auf Verstöße gegen die Bauordnung in der Odermannstraße 8 hindeuten. Weil Presseanfragen nach wie vor geblockt werden, kann nur darüber sepkuliert werden, dass dies gleichbedeutend mit einem Ende des Bauordnungsverfahrens ist. Das Verfahren wurde unter anderem deshalb eingeleitet, weil bei mehreren Veranstaltungen im Nazi-Zentrum gegen Nutzungsauflagen – vor allem eine Beschränkung auf 100 Besucher – verstoßen worden ist.

Der Versuch, dem Nazi-Zentrum mit bürokratischen Mitteln beizukommen, ist damit gescheitert. Die Kampagne "Fence off" hat sich mehrfach – in zwei Presse-Statements – gegen diesen ordnungspolitischen Ansatz positioniert. Noch ungeklärt ist der weitere Umgang mit jenen Fäkalien, die vom Nazi-Grundstück in die Nachbarschaft schwappen. Das Nazi-Zentrum ist dadurch in der bundesweiten Presse angekommen. Zu dieser zweifelhaften Ehre kommt die Stadt Leipzig damit schon zum zweiten Mal.

Wie geht die Antifa-Kampagne weiter?

Nächster Termin ist die Nachhtanz-Demo “Beats Up & Shut Down!” jetzt am Samstag (den 28. Mai). Start ist 20.30 Uhr an der Angerbrücke.

Desweiteren kündigt die Kampagne “Fence Off – Weg mit dem Nazi-Zentrum in Leipzig” eine antifaschistische Großdemonstration am 24. September an. Die bereits angemeldete Route wird von der City aus nach Lindenau und vorbei am so genannten NPD-”Bürgerbüro” in der Odermannstraße 8 führen. “Wahrscheinlich werden wir für diese Demonstration bundesweit mobilisieren”, sagt Anita Dudow, Sprecherin der Kampagne. “Damit wollen wir klar machen, dass wir nicht locker lassen werden, bis das Nazi-Zentrum endlich verschwunden ist.”

"Kategorie C" Konzert

Wieder einmal gab es in Leipzig ein Konzert der neonazistischen Hooliganband-Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe", diesmal unter dem Tournee-Motto "Deutsche Jungs Tour 2011". Etwa 300 Besucher fanden sich im "Club Lagerhof" unweit des Hauptbahnhofes ein. Augenzeug_innen berichten, dass etliche organisierte Neonazis aus dem Leipziger Umland das Konzert besuchten.

Als Support trat an diesem konspirativ organisierten Konzertabend - der Veranstaltungsort wurde vorab nicht bekanntgegeben - die Leipziger Onkelz-Coverband "J.H.P.B." auf. Sie gilt als "Haus- und Hofband" des Leipziger Chapter (lokaler Ableger) des Rockerclubs "Underdogs MC". Dieser hatte bereits 2010 ein Konzert mit "Kategorie C" veranstaltet. Im "Club Lagerhof" trat "Kategorie C" auch 2009 schon auf.

Auf Anfrage von chronik.LE teilte die Pressestelle der Leipziger Polizei später mit, dass die Konzertbesucher "sehr aggressiv" gewesen seien. Schon am frühen Abend wurden auf dem Konzertgelände rund "30 Personen aus dem Rocker- und Hooliganmilieu" durch die Polizei festgestellt. Diese waren mit zwei Baseballschlägern und einem Elektroschocker ausgestattet. Gegen sie wird nun wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt.

Es habe aber von seiten der Polizei aus zu keinem Zeitpunkt ein Grund dafür bestanden, das Konzert vorzeitig zu beenden. Auch das hinzugezogene Ordnungsamt hatte offenbar nichts zu beanstanden. Trotzdem endete das Konzert zum Ärger der Besucher bereits gegen 23 Uhr. Da hatte "Kategorie C" erst eine Stunde gespielt. Vermutlich wegen technischer Unfähigkeit und der Unlust der Band beendeten die Musiker ihren Auftritt vorzeitig. Nach Ende des Konzerts musste die Polizei einem "Zusammentreffen" der Konzertbesucher mit Teilnehmer_innen einer antifaschistischen Veranstaltung in Lindenau, die sich gegen das Nazi-Zentrum in der Odermannstraße richtete, vorbeugen.

Nazis beim FC Sachsen

Mit der Auflösung des Vereins FC Sachsen Leipzig endet ein Stück Leipziger Fußballgeschichte. Vielen Fans war das letzte Spiel des Vereins Anlass genug, vermeintliche Fußballtraditionen wieder aufleben zu lassen: Während des Spiels sangen außergewöhnliche viele Anhänger des Vereins das sogenannte "U-Bahnlied" ("Eine U-Bahn bauen wir - von xy bis nach Auschwitz").

Mit dem U-Bahn-Lied wird eindeutig ein positiver Bezug auf den Nationalsozialismus vollzogen. Das als Vernichtungslager errichtete Auschwitz-Birkenau war der größte deutsche Lagerkomplex im System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Mit dem Lied wird der dort aktiv betriebene Massenmord an über einer Million Menschen begrüßt. In diesem Kontext wird das sogenannte "U-Bahnlied" insbesondere im Fußball häufig in Richtung der gegnerischen Fans gesungen.

Ebenfalls wurde bei dem Spiel des öfteren Lautstark aus dem Publikum verkündet, dass nur ein "Leutzscher ein Deutscher" sei. Auf der Internetseite einer neonazistischen Fangruppierung wird erfreut über die rassistischen und antisemitischen Ausbrüche berichtet: "wir fanden es schön mal wieder solchen Old School Support zu sehen und zu hören!"

Das Spiel musste mehrmals unterbrochen werden, jedoch nicht wegen der eindeutigen Fangesänge, sondern wegen Feuerwerkskörpern und Personen, die in den Innenbereich drängten. Nach Ende des Spiels wurde die Geschäftsstelle des Vereins sowie Einsatzkräfte der Polizei attackiert.

Auch zu diesen Angriffen gibt es von der Polizei keine Stellungnahme. Dem FC Sachsen soll wohl nicht weiter geschadet werden.