Korb. Im Rems-Murr-Kreis finden politisch rechte Aktivisten offenbar Schlupfwinkel - nicht nur Saufkumpane wie jene, die am Sonntag Ausländer überfallen haben sollen, sondern auch Mitglieder der NPD, die dort ihre Landesparteitage abhalten. Von Kathrin Wesely
Den wenigsten der 10 000 Einwohner von Korb im Rems-Murr-Kreis dürfte bekannt sein, dass die NPD regelmäßig zu Landesparteitagen in ihren Ort einlädt. Der Schwäbische Hof scheint sich als Treffpunkt der Rechten etabliert zu haben, das Lokal im Gewerbegebiet hat sich offenbar bei Großveranstaltungen der NPD bewährt: Ende des vergangenen Oktobers hielt die NPD dort, wie schon im Jahr zuvor, ihren Landesparteitag ab, im Juni hatte zuvor der Bundeskongress der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten” (JN) dort stattgefunden, und auch zu Vorträgen wird gerne in das Lokal eingeladen. Der Verfassungsschutz beobachtet all diese Aktivitäten der NPD, die er als rechtsextrem einstuft.
Die NPD selbst hängt üblicherweise nicht an die große Glocke, wo sie ihre Versammlungen abhält. Denn, wo das bekannt wird, regt sich meist Widerstand. Deshalb ist die Partei gezwungen, immer wieder neue Orte für ihre Versammlungen zu suchen. Die Landesparteitage fanden zuletzt in Villingen und Tuttlingen statt - und die vergangen beiden Male eben in Korb. Nach dem Parteitag 2008 in Tuttlingen äußerte der NPD-Landeschef Jürgen Schützinger gegenüber der Presse: „Die Veranstaltung sollte diskret, in aller Stille, ohne Presse und Öffentlichkeit über die Bühne gehen.”
Korbs Bürgermeister Jochen Müller weiß um den braunen Treff in der Dieselstraße. Er bestätigte, dass es „da manchmal Veranstaltungen” gebe. Er sei auch einige Tage im Voraus von der Polizei über den JN-Kongress im vergangenen Juni informiert worden. Müller entschied, dass all das nicht an die Öffentlichkeit dringen sollte. „Wir wollten der NPD kein Forum bieten”, sagt er. Er habe die Sache für sich behalten, um Tumulte zu vermeiden: „Wir haben kein Interesse daran, dass es zu Eskalationen kommt.” Auch im Gemeinderat erwähnte der Schultes den bevorstehenden JN-Bundeskongress nicht. Er brachte dort ebenfalls nicht vor, dass eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Stephan Braun zu dem Thema vorlag. Der Extremismusexperte der SPD hatte nämlich beim Innenministerium wegen der Veranstaltung in Korb nachgehakt. Müller war das bekannt.
Andernorts hat man sich gewehrt, im Herbst etwa in der Stadt Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt. Man hatte dort den Bundesparteitag der NPD zwar mit einer Klage beim Oberverwaltungsgericht nicht verhindern können, aber die Stadt habe bei einer zeitgleichen Veranstaltung klar Stellung gegen die Rechten bezogen, berichtet der Bürgermeister Hans Dieter von Fintel. Die NPD habe die Stadt bei der Anmietung des Bürgerhauses „überrumpelt”. Zuvor habe es die Partei in 25 anderen Städten versucht, sei aber überall abgeblitzt. Man habe seine Lehren gezogen, sagt von Fintel. Im nächsten Jahr finde der Parteitag jedenfalls nicht in Hohenmölsen statt.
Im Rems-Murr-Kreis geht die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten seit fünf Jahren zurück. Allerdings bedeutet das nicht, dass rechtsextreme Tendenzen verschwinden. Ein Teil der Aktivisten bemüht sich um ein gutes Ansehen, engagiert sich in Kommunen und Vereinen, um im Gemeinwesen Fuß zu fassen. Dies ist eines der Ergebnisse der „Studie Rechtsextremismus und sein Umfeld”, den Forscher unter der Federführung des Tübinger Pädagogikprofessors Josef Held vor drei Jahren für den Kreis gemacht haben. Die Autoren beschreiben eine schleichende Veränderung: die Entstehung einer politischen Kultur, die eine Akzeptanz gegenüber dem Rechtsextremismus entwickelt - von der stillen Duldung bis zur offenen Sympathie.
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Kommentar
Ignoriert. Mit seinem Schweigen hat der Korber Bürgermeister den Rechten den roten Teppich ausgerollt und den Gemeinderat düpiert. Von Kathrin Wesely
Die NPD hat sich einen ruhigen, reibungslosen Parteitag gewünscht. Der Korber Schultes Jochen Müller hat das 2009 möglich gemacht. So haben sich die Rechten in der netten Gemeinde eingerichtet und gleich noch den nächsten Parteitag und einen Bundeskongress dort veranstaltet. Die Rechten haben in dem Dorf einen Schlupfwinkel gefunden, Müller hat sie durch sein Schweigen geschützt.
Als örtlicher Gemeinderat darf man sich düpiert fühlen, bei einer solchen Angelegenheit nicht ins Vertrauen gezogen zu werden. Der Gemeinderat hätte ein Recht darauf gehabt, eingeweiht zu werden, darüber zu diskutieren, wie man sich zu der Veranstaltung im Ort verhält. Man hätte - wie das andernorts geschieht - eine Resolution verfassen, eine Gegenveranstaltung abhalten oder mit der Wirtin sprechen können. Auch die Bürger hätten die Gelegenheit bekommen müssen, ihre Haltung kundzutun. Das wäre zwar weniger bequem, aber auch keine „Eskalation” gewesen, wie Müller befüchtete. Das Schweigen und Wegschauen indes schaffen jenes Klima, in dem Rechtsradikalismus und andere soziale Malaisen gedeihen. Es lässt zu, dass sie sich ausbreiten, einsickern in den Alltag. Jedem Kind wird unter dem Schlagwort Zivilcourage erklärt, dass es im Schulbus nicht wegschauen soll, wenn Unrecht geschieht, weil Unrecht sich sonst ausbreitet.
Wer bisher geglaubt hat, Antifaschismus, Antirassismus und Antinationalismus als Haltung allein reichten aus, der wird in Korb eines Besseren belehrt: Es gehört auch der Mut dazu, den Rechten die Tür zu weisen. Die haben nämlich schneller den Fuß in derselben, als man denkt.