Kein Leben nach dem Hausprojekt

Erstveröffentlicht: 
01.02.2011

Eigentümer verlangt von den ehemaligen Bewohnern der Brunnenstraße 183 eine Entschädigung

Bauarbeiter rissen unmittelbar nach der Räumung des Hausprojekts in der Brunnenstraße 183 die Fenster heraus – damit auch ja niemand mehr auf die Idee käme, dort wieder einzuziehen. Das war vor über einem Jahr. Seitdem tat sich nichts mehr. Die schwarzen Maueröffnungen in der Fassade sehen wie ausgestochene Augen aus. Frank Thimm ärgert sich darüber. Für den ehemaligen Bewohner ist das ein »Unding«. »Die Witterung nagt an der Substanz.« Ihm kommt das vor, als würde der Eigentümer Manfred Kronawitter das unsanierte Haus nun doch als Spekulationsobjekt betrachten. Dabei gab dieser stets an, dort ein Mehrgenerationenwohnprojekt einrichten zu wollen. Gegenüber ND will sich Kronawitter, ein Arzt aus dem bayerischen Passau, dazu nicht äußern.

 

Frank Thimm erlebte die Hausräumung nicht mehr als Bewohner mit. Er zog bereits im Februar 2009 aus, nachdem ihn Kronawitter aus dem Haus geklagt hatte. Die Räumung folgte neun Monate später. Doch das Kapitel Brunnenstraße 183 ist für ihn noch lange nicht abgeschlossen: Denn der Eigentümer verlangt von ihm und vier weiteren früheren Bewohnern eine Nutzungsentschädigung – dafür, dass sie in dem Haus lebten und angeblich die Sanierungsvorhaben blockierten.

 

»Völlig unvermittelt steckten bei uns die gelben Mahnbescheide eines Morgens im Briefkasten«, erinnert sich Jens Herrmann. Das war im Sommer vor zwei Jahren. Auch er erhielt als Bewohner ein solches Schreiben, das ihn zu einer Entschädigungszahlung aufforderte. Mehr als ein Schulterzucken hatten sie dafür anfangs nicht übrig. »Wir alle zweifelten die Schreiben erst einmal an.« Schließlich hätten sie alles versucht, um Kronawitter Mietzahlungen zukommen zu lassen, nachdem der das Haus 2006 gekauft hatte. Der Arzt lehnte dies aber stets ab und erkannte die Mietverhältnisse der vormaligen Eigentümer nicht an.

 

Stattdessen begann Kronawitter geduldig, einen Bewohner nach dem anderen aus dem Haus zu klagen; parallel dazu forderte er die Nutzungsentschädigungen ein. Dafür scheute er keine Mühe und ging durch alle Instanzen. Das Landgericht sprach dem Eigentümer schließlich Recht zu. »Die Richter entschieden, dass die Zahlungen sich an dem Mietspiegel orientieren sollen«, erklärt die Rechtsanwältin Sandra Nuckel, die für die Hausgemeinschaft die Verhandlungen führte. »Wir fanden diese Praxis für ein marodes und notdürftig repariertes Haus nicht gerechtfertigt. Der Eigentümer sorgte sich ja nicht einmal um das Warmwasser.«

 

Natürlich habe Kronawitter sich dafür nicht verantwortlich gefühlt, sagt Jens Herrmann – »Wir waren für ihn ja Besetzer.« Um Strom, Wasser und die Müllabfuhr kümmerten sich die Bewohner deshalb selbst. Auch jetzt halten sie zusammen. Sympathisanten der Brunnenstraße 183 sammeln für die richterlich festgesetzten 11 000 Euro an Nutzungsentschädigung. »Soli-Veranstaltungen« machen einmal wieder die Runde durch die linken Klubs. Solange bis der letzte Cent beglichen ist. »Wir haben schon gut was zusammen bekommen«, sagt Frank Thimm. Es reicht zwar noch nicht, aber Angst, dass er alleine auf den Kosten sitzen bleibt, hat er auch nicht mehr.