[B] Badelatschen vor Gericht

Jung mit Badelatschen

Am 17. Dezember 2010 fand der zweite Verhandlungstag gegen eine Antimilitaristin statt, der vorgeworfen wird, bei der Ausstellungseröffnung „Bundeswehr im Einsatz“ im Bundestag die Rede des damaligen Kriegsministers Franz Josef Jung durch Badelatschenwürfe gestört zu haben (Bericht mit Bildern). Verhandelt wurde wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Hausordnung des Bundestages.

 

Gleich am Anfang des Prozesse übernahm die anfangs in Tarnfarbenuniform erschienene Angeklagte das Kommando im Verhandlungssaal und ließ die Zuschauer_innen des Prozesses exerzieren. Mit den Kommandos „Aufstehen!“, „Hinsetzen!“, „Rechts rum!“, „Links rum!“ wollte sie Ordnung in den Gerichtssaal bringen. Erst als sie das Publikum aufforderte zu „Zielen!“ wurde es diesem zu viel und beantwortete den miltärischen Drill mit rosa Badelatschen, die in Richtung der Angeklagten flogen. Da wurde es der Richterin zu bunt. Sie ließ den Saal räumen und verhängte eine Ordungsstrafe gegen die Angeklagte.

 

Damit war der Auftakt zu dem Prozess gelungen, in dessen weiteren Verlauf über den Wert und die Bedeutung der Ordnung eines Kriege beschließenden Bundestages verhandelt wurde. Das Berliner Amtsgericht in Moabit zeigte sich hier als der verlängerte Arm zur Durchsetzung bundesdeutscher Kriegsordnung. Dies wurde auch immer wieder von der Staatsanwaltschaft verdeutlicht, die während der Verhandlung Zuschauer_innen immer wieder Ordnungsgelder androhte, wenn sich diese kritisch zu dem Schauspiel im Gericht äußerten. Insofern wurde der Gerichtsaal auch zum Ort der Auseinandersetzung über politisch verantwortliches Handeln in Zeiten der Wirtschafts- und Ressourcenkriege.

 

Nachdem sich die Richterin wieder beruhigt hat und die Verhandlung mit Publikum fortgesetzt werde konnte, verlas die Angeklagte ihre Erklärung, in der sie analysiert, wie in Deutschland eine „Friedhofsruhe an der Heimatfront“ hergestellt werden soll. Sie erklärte darin auch, dass Schuhwürfe gegen Kriegstreiber weltweit bereits bewährte Mittel des Protests sind und dass die Farbe Rosa die beliebteste Farbe bei antimilitaristischen Aktionen ist, weil: „Es gibt keine andere Farbe, die stärker am Selbstverständnis von Männlichkeit und Härte kratzt.“ Verdeutlicht werden diese Aussagen durch Zitate von Frauen aus dem Irak und Afghanistan, die darstellen, was es bedeutet, wenn einem anstatt Schuhen Bomben auf den Kopf fallen. Zentraler Punkt der Erklärung war die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von den Störungen der öffentlichen (Haus)Ordnung und der Zerstörung in Kriegsgebieten, die durch deutsches Militär und die deutsche Rüstungsindustrie angerichtet wird.

 

Auf die Erklärung folgte juristisches Geplänkel über die Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Verhältnis zu Ordnung und Aufgabe des Bundestages. Seitens der Anklage, ein Konglomerat aus Staatsanwaltschaft und assistierendem Bundestagsjustiziariat, wurde die Meinung vertreten, dass der Bundestag zwar Ort der politischen Debatte widersprechender Meinungen sei, diese aber auch Grenzen hätte. Mit Badelatschen, Flugblättern und gerufenen Parolen wären diese klar überschritten. Diese Grenzen seien in der Hausordnung des deutschen Bundestages festgeschrieben.

 

Dieser Diskussion über juristische Sachverhalte folgte das Schlusswort der Angeklagten, die damit nochmal den Fokus weg von der Frage der Ordnung in einem Krieg führenden Staat lenkte und auf dessen Opfer aufmerksam machte. Unterstützt wurde sie dabei aus dem Publikum, das Bilder von Kriegsopfern aus Afghanistan hoch hielt. Dies veranlasste die Richterin, die Angeklagte in ihrer Rede lautstark zu stören. Und der Staatsanwalt drohte wieder mit Ordnungsgeld – erstaunlicherweise gegen die Menschen, die die Bilder zeigten, nicht gegen die Richterin.

 

Das Ende vom Lied war dann die Bestätigung der Ordnungsstrafe in Höhe von 200 Euro. Dazu kommen 300 Euro Ordnungsstrafe wegen unautorisiertem Militärdrill im Gericht.

 

Weitere Infos:

 

Offizielles Bundestagsvideo zur Ausstellungseröffnung, mit kurzer Einblendung der Aktion am Ende (Minute 3:38 – 3:49):

http://webtv.bundestag.de/iptv/player/macros/_v_f_514_de/bttv/od_player....

 

Presseerklärung zum ersten Prozesstag
http://www.bamm.de/wp-content/uploads/2010/09/PE_Badelatschen_aufs_Milit...

 

Interview zum ersten Prozesstag
http://www.bamm.de/wp-content/uploads/2010/09/Interview_Badelatschen.pdf